art&weise

Paris kennt man hierzulande nicht nur als Welthauptstadt der Liebe, wir bringen sie ganz selbstverständlich auch mit der Erotik in Verbindung. Zwar ist der „Pariser“ als Synonym für ein Kondom nicht mehr so gebräuchlich wie in früheren Zeiten, trotzdem können auch zahlreiche Teenager mit dem Begriff etwas anfangen. Und tatsächlich tut man in der Metropole unserer südwestlichen Nachbarn immer wieder etwas für das eigene Image, das sich wohl irgendwo zwischen tänzelnder Verliebtheit und pornografischer Schwere bewegt.

Manch einer mag sich noch an das Kunstwerk des Amerikaners Paul McCarthy erinnern, das dieser im Herbst 2014 auf dem Place Vendôme aufstellen ließ. Zwar war die riesige aufblasbare Skulptur komplett in grüner Farbe gehalten. Trotzdem brauchte man schon einen arg naiven Blick, um hier an einen stilisierten Tannenbaum und nicht an einen Buttplug denken zu müssen. Ähnlich wie ein Banksy-Gemälde, das sich bei einer Versteigerung selbst zerstörte, wurde die Bekanntheit des Kunstwerks durch eine Aktion von unbekannter Seite zusätzlich unterfüttert: Nachdem eines nachts die Luft herausgelassen wurde, erschlafften auch die Gemüter der meisten Kritiker.

Heute kann man schmunzelnd an den „arschgeilen Tannenbaum“ zurückdenken – und gleich einmal die passende Frage aufwerfen: Können Dildos Kunstwerke sein?

 

Die Auswahl an Sexspielzeug ist heute so groß wie nie

Wenn man sich zu Omas Zeiten traute, das Thema Sexspielzeug anzusprechen, durfte man nicht wählerisch sein: Der fleischfarbene, mittelgroße Vibrator mit dem roten Drehregler an seinem oberen Ende war DER Inbegriff des Lustspenders, Alternativen waren meistens nicht verfügbar. Daran hat sich in den zurückliegenden Jahrzehnten eine Menge geändert, denn heute gibt es vom Vibrator oder die Liebeskugeln bis hin zum Buttplug alles, was die sexuelle Sehnsucht sich nur wünschen kann. Dabei hat nicht nur die Technik so gewaltige Sprünge gemacht, dass heute kein Sexshop mehr ohne interaktive Erotiktoys auskommt. Auch beim verwendeten Material gibt es eine gewaltige Bandbreite. Wer es am liebsten weich und anschmiegsam mag, greift zum Sextoy aus Silikon, die harten Alternativen bestehen aus Metall, Glas, Porzellan oder aus Halbedelsteinen. Nicht wenige davon sehen so schön aus, dass man sie durchaus auch als Briefbeschwerer auf das Highboard im Wohnzimmer legen kann.

 

Die „halb edle“ Befriedigung

Halbedelsteine begeistern durch ihre außergewöhnliche Optik. Gerade Rosenquarz, Amethyst und Bergkristall faszinieren als eine Art Bindeglied zwischen Glas und Diamant, das oftmals bereits in Form von Stäben mit einer natürlichen Facettierung daherkommt. Schon vor vielen Jahren haben Edelsteinschleifer wunderschöne Kunstwerke aus den Steinen hergestellt. Wenn das Ausgangsmaterial groß genug ist, können entstehende Dildos durchaus das Format ihres natürlichen Vorbildes annehmen. Manchmal wird diese Edelsteinkunst allerdings nicht nur aufgrund ihrer schönen Optik und der erkennbar befriedigenden Wirkung gekauft: Nicht wenige Leute betrachten das Material als „Heilstein“, das eine positive Wirkung auf die Gesundheit besitzen soll.

 

Stimulierendes Glas, befriedigendes Porzellan

Die Herstellung von Glas ist heute gleichermaßen Kunst wie Hightech. Während Industriegläser für Fensterscheiben vor allem im Hinblick auf die Schall- und Wärmeisolierung punkten müssen, sind Glasbläser heute in den meisten Fällen wahre Künstlerinnen und Künstler. In den Werkstätten entsteht vor allem Dekoration für Haus und Garten, manchmal aber auch eine besondere Art der Gebrauchskunst. Der Fantasie ist keine Grenze gesetzt, daher entstehen kleine wie große Dildos, doppelte Freudenspender oder solche, die den Arm eines Kraken nachahmen.

Beim Porzellan steht man der Glaskunst in nichts nach – auch nicht, wenn es um lustspendende Kunst geht. Die Krefelder Künstlerin Alina Eynck konnte mit ihrem Startup „Porzellina“ sogar den renommierten Red Dot Award 2022 gewinnen. Ihre Philosophie klingt im ersten Moment einleuchtend und führt die Gedanken weg von der Kunst: „Für Sexspielzeuge gibt es keine Richtlinien bezüglich der Inhaltsstoffe und es fehlen eindeutige Grenzwerte für Schadstoffe. Dadurch enthalten nicht nur Toys aus Kunststoff, sondern auch solche aus Silikon häufig Schadstoffe, welche die Fruchtbarkeit und den Hormonhaushalt beeinträchtigen und krebserregend sein können.“ Heute hat die Unternehmerin, die an der TH Köln Produktdesign studiert hat, eine Palette an kunstvollen, schneeweißen Lustspendern für das vaginale wie anale Vergnügen im Sortiment, die in bayrischen Porzellanwerken hergestellt werden.

 

Sexy Design

Während Alina Eynck bei ihrer Dildoserie vor allem die Stimulation und die Gesundheit im Blick hat, geht es anderen Künstlern vordergründig oder ausschließlich um das Design – wie beim eingangs beschriebenen Beispiel. Mit David Bogus gibt es allerdings einen weiteren Amerikaner, der mit seiner erotischen Kunst auf sich aufmerksam macht. So hat er sich den aus Westernfilmen bekannten Patronengurt vorgenommen, um die potenziell tödlichen Geschosse durch gläserne Dildos auszutauschen. Wer das Motto „Fuck me, don’t shoot me“ in jeder Hinsicht verinnerlichen möchte, kann dieses Kunstwerk für satte 3.050 Euro erwerben. Der Australier Patrick Dagg hat dem Dildo in seiner Heimatstadt Melbourne sogar eine ganze Ausstellung gewidmet. Ein besonderes Exponat nennt sich passenderweise „Rich Dicks“ und besteht aus vergoldeten Kunstpenissen. Vielleicht eine der besten Formen einer kunstvollen Sozialkritik… Vielfältig interpretierbar ist auch die Kunst von Jen Stein, die den Kunstpenis mal in eine Zwergenwelt integriert und unter eine Glashaube setzt, ihn in metallischer Form mit als Discokugeln stilisierten Hoden inszeniert oder aus einem Cupcake herauswachsen lässt. Bei Instagram lässt einen die Künstlerin mal schmunzeln und mal erschaudern, aber immer nachdenken.

 

Fazit?

Ja, Dildos können Kunstwerke sein – und als solche sind sie natürlich nicht jedermanns Geschmack. Doch auch diese Kunst darf provozieren, polarisieren und gerne auch stimulieren. Und ganz sicher leisten sie ihren Beitrag zu einer weiteren Entkrampfung der Thematik, ob im Museum, bei Instagram oder im heimischen Nachttisch.


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