Kultur Kolumne
- Geschrieben von Harry Popow -
„Nackt unter Wölfen“, am ersten April im ARD und am 9. April im MDR.
Was sagte der Regisseur am Abend zuvor im TV? Er habe den gleichnamigen DDR-Film gesehen und war sehr gerührt. Er aber habe es anders gemacht, den heutigen Sehgewohnheiten angepasst. Als einstige DDR-Bürger, die diesen hochdramatischen Film mit Erwin Geschonneck und Armin Müller-Stahl ebenfalls gesehen hatten, fragten wir uns, wohin wohl die Reise gehen wird mit den „neuen Sichten“.
- Geschrieben von Fee Isabelle Lingnau -
„Die Schneekönigin“ ist das wohl komplexeste und ausgefeiltste Märchen von Hans Christian Andersen. Es erzählt von Kay und Gerda, den Nachbarskindern, den Gefährten – bis Kay ein Eissplitter, ein Stück des vom Teufel geschaffenen Spiegels, bis mitten ins Herz trifft. Die Schneekönigin kann gelesen werden als Kunstmärchen, als Biedermeiermärchen, als Ablösungs- und Pubertätsgeschichte.
- Geschrieben von Harry Popow -
Völker im Würgegriff.
Es sind Wolfszeiten, in denen wir leben. Warnte nicht schon Aristoteles (384 v. Chr. - 322 v. Chr.), immer gebe die Ungleichheit „Veranlassung zu bürgerlichen Unruhen und Revolutionen“? Über zweitausend Jahre später registrieren die Menschen eine noch nie dagewesene soziale Ungleichheit: Heute verfügen 85 der reichsten Einzelpersonen der Welt über 1,7 Billionen US-Dollar und damit über genau soviel wie 3,5 Milliarden Menschen oder die Hälfte der Menschheit. Das stelle man sich einmal vor: Nur wenige Prozent der Menschen herrschen diktatorisch über die gesamte Menschheit.
- Geschrieben von Claus Friede -
Sie ist eine großartige, wenn auch traditionell-orientierte Komposition, die 3. Sinfonie von Alfred Schnittke (1934-1998), voller Dramatik, Kraft, Sinnlichkeit und historischer Versatzstücke.
Das viersätzige Werk, Fertigstellung im Jahr 1981, ist die Auftragskomposition zur Eröffnung des neuen Gewandhauses in Leipzig. Der Auftrag war mutig, weil das „Abenteuer Schnittke“ immer klingende Gedanken von einem hervorbrachte, der im sowjetischen wie im deutschen Kulturdunst beheimatet war und trotzdem dort nie ankam. Dirigent Vladimir Jurowski nannte ihn den „Seismographen der kulturellen Albträume seiner und unserer Gegenwart“.
- Geschrieben von Sabine Meinert -
Das Jahr ist schon eine Reihe von Tagen alt und der Frühling bringt nun Silje Nergaard aufs Tapet mit ihrem 15. Album „Chain of Days“.
Wie schon so oft ist nicht ganz klar: Ist es nun Jazz? Deshalb sag ich mal: ein Album von Pop und Jazz geprägt, dazu eine Prise Folk. Eins, das klingt. Und zwar genau richtig.
- Geschrieben von Gino Leineweber -
Es ist Juni 2006. Ein sonniger Tag. Ich sitze im Flugzeug und unter mir schiebt sich ein Land ins blaue Wasser der Adria und eine Stadt.
Kroatien und Dubrovnik. In Deutschland, von wo ich komme, wird in wenigen Tagen eine Fußballweltmeisterschaft stattfinden, die ob der begeisternden Fröhlichkeit der Besucher als Sommermärchen in die Geschichte eingehen wird.
Auf dem Weg vom Flughafen zur Halbinsel Pelješac, meinem Ziel wird angehalten, und ich kann von einer Anhöhe aus, einen ausgiebigen Blick auf Dubrovnik und einige vorgelagerte Inseln im Mittelmeer werfen. Bereits vom Flugzeug aus ist das ein herrlicher Anblick. Jetzt, hier auf der Anhöhe, fühle ich mich von der Schönheit mystisch berührt und empfinde wieder, in der Mitte der Welt zu sein.
- Geschrieben von Sabine Meinert -
Wallflower – Mauerblümchen. Das wäre ganz sicher nicht die erste Beschreibung, die mir zu Diana Krall eingefallen wäre. Und die Songs ihres neuen Albums?
Irgendwie auch nicht so recht. Sie kommen nach einer Lungenentzündung Kralls Monate später als geplant heraus, müssen sich aber in ihrem poppigen Gewand keinesfalls Mauerblümchen-like verstecken: “California dreaming”, “I can`t tell you why”, “Sorry seems to be the hardest word”… – Bekanntes aus Funk und Fernsehen, wenn auch großenteils schon 30, 40 Jahre alt.
- Geschrieben von Hans-Juergen Fink -
Was die euphorische Diskussion um olympische Spiele 2024 in Hamburg für Kunst und Kultur in der Stadt bedeutet. Was sie den Kulturmachern abverlangt, wollen sie nicht vom Olympia-Fieber überrollt werden. Kann sie überhaupt eine Chance sein für die Entwicklung der Kulturstadt Hamburg?
Je weiter Hamburg auf dem Weg der Bewerbung um die Olympischen Spiele 2024 oder 2028 fortschreitet, desto notwendiger wird es, dass Kunst und Kultur das als Thema begreifen – keines, das sie auf die Tagesordnung gesetzt hätten, aber ein gesellschaftspolitisches Thema mit vielen Facetten zwischen Bedrohung, Entwicklung, Herausforderung und Chance.
- Geschrieben von Hans-Juergen Fink -
Für seine Literatur, die die Nachtseiten der Romantik auslotet, ist E.T.A. Hoffmann berühmt. Für seine frechen Karikaturen wurde der preußische Jurist strafversetzt. Als Kapellmeister legte er eine grandiose Bauchlandung hin. Als Komponist ist er fast vergessen. Zu Unrecht, wie die neue CD E.T.A. Hoffmann: Symphony – Overtures von Die Kölner Akademie unter Michael Alexander Willens zeigt.
- Geschrieben von Claus Friede -
So haben sie John Dowland und Claudio Monteverdi sicherlich noch nicht gehört und Carlos Jobim und Miles Davis auch nicht.
Berufsskeptiker mögen sofort die Frage stellen: Muss man denn alles verbinden? Haben sie aber hineingehört in „Flow: Jazz and Renaissance – from Italy to Brazil“ des Lautenisten Axel Wolf und des Saxophonisten Hugo Siegmeth, kommen sie in den ‚Neugierde-Modus’. Die Musik, die kompositorisch Jahrhunderte auseinander liegt, funktioniert überraschend gut miteinander!
- Geschrieben von Willy Theobald -
Das Fachblatt „Jazzthetik“ schwärmte: Der Organist „Andi Kissenbeck swingt wie die Hölle“. Korrekt! Auf dem neuen Club-Boogaloo-Album “Monsoon Dance” finden sich jede Menge Songs die sofort in die Beine gehen. Hier ist der Name Programm: Während der Boogaloo-Ära Ende der sechziger Jahre waren viele Jazztempel auch Tanztempel.
- Geschrieben von Fee Isabelle Lingnau -
Das neue Jahrbuch der Lyrik ist da. Und es kommt im Frühling grade recht, denn es ist ein Buch zum Spazierengehen!
Allein, einmal kurz um Block oder den halben Tag über Stock und Stein. Zu zweit in Gespräch und Diskussion. Als Spaziergang kann man auf dem Sofa in ihm lesen – oder auch mit Gedichten in Hand und Kopf sich selbst und die Gedanken bewegen.
- Geschrieben von Claus Friede -
Die Poesie von Paul Verlaine (1844-1896) ist Grundlage der Doppel-CD des Countertenors Philippe Jaroussky, dem Pianisten Jérôme Ducros und dem Quatuor Ebène. Dies ist nicht das erste Mal, denn sechs Jahre nach „Opium“, dem ersten Album, das der ECHO-Klassik-Preisträger dem meistvertonten Dichter Frankreichs widmet – es sollen 1.500 sein – ist nun das zweite Album veröffentlicht.
Zahlreiche Komponisten befassten sich mit der Lyrik des Symbolisten Verlaine: Claude Debussy, Gabriel Fauré, Charles Bordes, Camille Saint-Saëns, Arthur Honegger und Reynaldo Hahn, um nur eine Auswahl zu nennen.
- Geschrieben von Gino Leineweber -
Bei ihrer Rede anlässlich der Verleihung des Hannelore-Greve-Literaturpreises 2014 im Hamburger Rathaus hat die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller darauf hingewiesen, dass an das Exil der Deutschen Autoren nach 1933 und deren Schicksal in Deutschland so gut wie niemand mehr erinnert.
Sie sagte: „Nirgends in diesem Land gibt es einen Ort, an dem man den Inhalt des Wortes Exil an einzelnen Schicksalen entlang darstellen kann. Das Risiko der Flucht, das verstörte Leben im Exil, begleitet von Fremdheit, Armut, Angst und Heimweh. Das alles zu zeigen ist Deutschland seiner Geschichte schuldig geblieben.“ Wie sehr das stimmt konnte man gut einen Monat erleben als der deutsche PEN zu einer Jubiläumsveranstaltung einlud.