"Otello dörf nich platzen" im Ohnsorg-Theater
- Geschrieben von Dagmar Seifert -
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Kürzlich wurde mir vorgeworfen, viel zu positiv zu rezensieren: „Du lobst beinah nur!“
Es stimmt, die typische Wollust am Zerfetzen, der Kritiker so gern nachgeben, geht mir ab. Ich lobe gern, oder, wie meine Mutter es ausdrückt: „Du kannst so schön preisen.“
Wenn ich ein Stück oder einen Film nicht bespreche, liegt das meistens entweder daran, dass ich es nicht gesehen habe – oder es gefiel mir nicht.
‚Otello dörf nich platzen’ im Ohnsorg-Theater hat mir gefallen und ich möchte es gern nach Herzenslust preisen.
Der größte Teil aller in Deutschland gespielten Komödien ist von Angelsachsen verfasst worden und dieses Stück (ursprünglich ‚Opera Buffa’ beziehungsweise ‚Lend Me A Tenor’) bildet darin keine Ausnahme. Autor Ken Ludwig ist, auch wenn man es seinem Nachnamen nicht unbedingt anliest, Amerikaner.
Hartmut Cyriacks und Peter Nissen haben das Stück wieder einmal schnäuzchengerecht für Ohnsorg’s zubereitet. Diesmal nicht einfach vom Englischen nur ins Plattdeutsche; wir hören etwas mehr von dem, was der Turmbau zu Babel angerichtet hat.
Der Operndirektor etwa (Wilfried Dziallas) spricht mit dem italienischen Tenor Tito Merelli (Horst Arenthold) bemühtes Hochdeutsch, falls er daran denkt.
Merelli unterhält sich mit seiner Frau Maria (Meike Meiners) in fließendem Italienisch – auch, wer keine Silbe Italienisch versteht, weiß genau, worum es dabei geht – während er mit Max (Erkki Hopf), der rechten Hand des Direktors, in einem zauberhaft akzenttriefendem Deutsch plaudert. Etliche der Pointen entstehen aus diesen unterschiedlichen Sprachen und den Problemen der Verständigung.
Es handelt sich darum, dass der weltberühmte Tenor an der Städtischen Oper in Lübeck den Otello singen soll. Leider erscheint er keineswegs pünktlich im Hotel und als er endlich aufkreuzt, geht es ihm mies. Er hat sich überfressen, nach Ansicht seiner Frau, weil ihn das Dekolleté der Serviererin so animierte. Nun befürchtet er, bei seinem Auftritt ins Orchester zu reihern. Sein Befinden wird durch einen heftigen Streit mit Maria nicht besser. Die Gattin verlässt wütend das Hotel unter Hinterlassen eines Abschiedsbriefes. Merelli hält sich stöhnend den majestätischen Bauch.
Damit sich seine Übelkeit legt, muss er sich legen. Das tut er so gründlich, dass der Operndirektor und Max meinen, Merelli würde überhaupt nie wieder aufstehen, zumal sie den Abschiedsbrief missdeuten und annehmen, der Sänger sei freiwillig ins Jenseits verschwunden.
Und das, während inzwischen hundert enthusiastische Fans im Zuschauerraum warten!
Während Margret (Birte Kretschmer), die Tochter des Operndirektors, die doch eigentlich der arme Max gern heiraten würde, ganz wild darauf ist, sich von dem Italiener noch mal die Hände küssen zu lassen, wie er es schon einmal tat. Während Sängerin Diana (Tanja Rübcke), für diesen Abend Desdemona, sich von Merelli einen Anschub ihrer Karriere erhofft und auch sonst in jeder Beziehung offen für den Star ist.
Während Julia (Birthe Gerken) die Vorsitzende der Freunde der Oper, mindestens ein Autogramm vom bärtigen Idol ergattern will – ebenso wie der Hotelpage Franz (Michael Bernhard), der außerdem noch einige gelungene Fotos schießen möchte.
Max, der nicht nur ein tapferes Herz, sondern auch eine göttliche Stimme im schmalen Busen birgt, schlägt seinem Boss schüchtern vor, für diesen Abend, damit das Publikum nicht enttäuscht sein Geld zurück verlangt, einzuspringen und den Otello zu übernehmen.
Zuerst lacht der Direktor nur höhnisch. Ein Unbekannter, einer, der noch nie auf einer Bühne sang, soll also den Weltstar ersetzen! Doch dann überlegt er sich die Sache. Man muss das Publikum ja gar nicht mit der Information belästigen, wer da singt. Das Praktische am Mohren von Venedig ist seine Schwärze. Wenn einem Menschen das Gesicht dunkel zugeschminkt und mit einem Bart beklebt wird, erkennt man ihn nicht mehr besonders gut. Die Leibesfülle muss der Stellvertreter durch ein Kopfkissen ergänzen, die mangelnde Körpergröße durch pompöses Auftreten ersetzen.
Max ist zuerst dagegen. Zwar glaubt er selbst an seine Stimme, aber seine Statur ist doch so völlig, so dramatisch anders als die des riesigen, dicken Italieners…
Bis er bemerkt, wie alle, sogar seine Freundin Margret, sich auf der Stelle täuschen lassen von Maske und Kostüm. Und nun wird er wirklich zu Merelli, er spricht nicht mehr Platt, sondern etwas verqueres Hochdeutsch, zauberhaft akzenttriefend…
Wie es sich für eine Komödie gehört gibt es fünf Zimmertüren plus einer Schranktür zum auf- und zuknallen, hinaus und hinein rennen, dran klopfen und sich dahinter verstecken. Letzteres tut zum Beispiel die arme Margret und sie wird vom temperamentvollen Tenor, noch vor seinem vermeintlichen Ende, aus Versehen mitsamt der Tür an die Wand geklatscht, was ihrer Nase überhaupt nicht gut tut.
Das Stück ist temporeich inszeniert, ohne zu hasten und es behält seine schwebende Leichtigkeit, manchmal haarscharf am Rand der Klamotte, ohne je wirklich seicht zu werden.
Hotelpage Michael Bernhard macht das Beste aus seiner Rolle und die vier Damen wirken allesamt reizend und überzeugend.
Aber die Attraktionen des Abends sind nun mal Wilfried Dziallas, Horst Arenthold und vor allem Erkki Hopf. Das mag an ihren herrlichen Rollen liegen, aus denen sich viel herausholen lässt, es hat sicher mit der Regie von Frank Gruppe zu tun, der noch mehr aus ihnen herausholte. Es kommt aber auch daher, dass das Ohnsorg-Theater nun mal riesiges Glück mit seinen hervorragenden Darstellern hat.
Dziallas gibt den Operndirektor mit einem sympathisch-perfiden Egoismus, der an Walter Matthau erinnert, Arentholds Merelli tappst unwiderstehlich pavarottihaft-knuddelig umher.
Hopf vor allem verblüfft durch seine Verwandlungen. So wird aus dem von seinem Chef herum geschubsten Opern-Faktotum die zunächst unsichere und ängstliche Tenor-Kopie, die durch verschiedene Erlebnisse sehr an Selbstbewusstsein zulegt, was Max schließlich in seine echte Identität übernimmt. Diese Veränderungen entstehen keineswegs nur durch Schminke und Kostüm (was das Stück ja dem Zuschauer weismachen will) sondern vor allem durch Ausdruck, Körperhaltung und Stimme.
Und da wir gerade von Stimmen reden, Jutta Hohenstein hat mit den Schauspielern ihre Arien einstudiert, alle sangen tatsächlich selbst und das nicht gerade schlecht: es gab zu Recht Szenenapplaus.
Natürlich kümmerte sich Félicie Lavaulx-Vrécourt gewohnt souverän um Bühnenbild und Kostüme, beides in den 30er Jahren angesiedelt und stimmig bis zur kleinsten Haarspange.
Ein höchst erfreulicher Abend mit zufriedenem, heiser gelachtem Publikum.
So was lässt sich mit gutem Gewissen preisen.
"Otello dörf nich platzen"
Komödie von Ken Ludwig
Inszenierung: Frank Gruppe / Bühnenbild und Kostüme: Félicie Lavaulx-Vrécourt / Hartmut Cyriacks und Peter Nissen (Bearbeitung und Plattdeutsch)
Mit: Birte Kretschmer, Meike Meiners, Tanja Rübcke, Horst Arenthold, Wilfried Dziallas, Erkki Hopf u.a.
27. Februar bis 16. April 2011
Fotos: © J. Schübel
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