Jeff Cascaro - The Other Man
- Geschrieben von Claus Friede -
Auch wenn sein Name international klingt – was für einen Soul- und Jazzmusiker bestimmt kein Nachteil ist – Jeff Cascaro stammt aus Bochum.
„Er singt“, sagt er „seit er denken kann“. Den „Jugend jazzt“- Wettbewerb gewann er im Alter von 18 Jahren, das war der Start seiner Karriere. Erfahrungen sammelte er unter anderem als Backgroundsänger und Gastmusiker mit den Bigbands von NDR und SWR, mit Ute Lemper, den Fantastischen Vier, Sasha, Joe Sample von den Crusaders, Götz Alsmann, Klaus Doldinger's Passport und den Guano Apes. Daran erkennt man seine Bandbreite. Background das war einmal, längst hat er seine Solokarriere gestartet, arbeit als Professor für Jazz-Gesang an der Hochschule für Musik „Franz Liszt“ in Weimar und gibt Masterclasses.
Ende Februar erscheint sein neues Album „The Other Man“, ein Statement für den Soul. Kultur-Port.De-Chefredakteur Claus Friede traf Jeff Cascaro in Hamburg und sprach mit ihm über die neue CD, seine Inhalte und Texte, über Soul, Jazz, Studioarbeit und Konzerte.
Claus Friede (CF): Die neue CD, um es vorweg zu nehmen, gefällt mir gut.
Jeff Cascaro (JC): Warum?
CF: Weil sie einen originären Jeff Cascaro bietet und einen erweiterten als auf den ersten beiden Alben „Mother & Brother“ und „Soul Of A Singer“. Die Stücke machen somit auch etwas Neues hörbar, sie zeigen vor allem Deine stimmliche Bandbreite und Deine Gefühlswelt, aber in erster Linie finde ich sie gut, weil sie „back to the roots“ ist, klarer und härter. Ein Bekenntnis. Insbesondere die ersten Stücke...
JC: Ah, das ist interessant und super. Alle sagen etwas anderes. Das höre ich hierzu zum ersten Mal. Ich weiß genau, was Du meinst und dies war in der Tat unser Ziel.
Das Ergebnis hat mehrere Ursachen, jene bestimmte Art von Ulf Kleiner zu produzieren, die ganz anders war, als für die ersten beiden CDs. Wir haben uns bewusst bemüht, ein bisschen – sagen wir mal kantiger und eckiger zu sein. Bei den ersten beiden Alben wurde uns gesagt, alles sei super, alles super, alles super. Dieses Lob langweilte mich, weil das ein Hinweis darauf sein könnte, zu perfekt und zu glatt zu sein. Diesmal war es 'knarziger' und ohne sich anzubiedern an irgendein Retrozeug. Das war uns beiden sehr wichtig!
CF: Und wie erwähnt, deine Stimme ist noch variabler einsetzt. Es gibt auf „The Other Man“ ganz weiche Stellen, sehr melodisch und regelrecht gefühlvoll reif, und dann eben diese härteren Einsätze, wo die Stimmer schärfer und kantiger klingt...
JC: Durchaus. Meine Stimme ist nicht mehr die eines 30-Jährigen. Sie hat sich entwickelt und heute kann ich Sounds hervorbringen, die früher noch nicht möglich waren. Immer mehr Farben erklingen in meiner Stimme. Das hat auch etwas mit meiner Gesangslehrtätigkeit zu tun.
Ja, es ist wie Du es beschreibst: Die Stimme ist variabler. Wesentlich mehr hohe Töne und leichter gesungen.
Ich habe bei diesem Album gelernt, dass es nicht um Perfektion geht, sondern um natürliche Klänge, um bestimmte Sounds, die das Publikum berühren.
CF: Woran mag es liegen, dass Deutschland so wenig Soulsänger hervorbringt?
JC: Zunächst, ich würde mich nicht als reinen Soulsänger bezeichnen, bei mir sind viele Richtungen dabei, mit Soulfarbe. Strukturell ist das was ich mache Jazz. Aber zu Deiner Frage. Ich weiß es nicht – weil Soul nicht aus unserem Kulturkreis kommt?
Und es liegt bestimmt auch daran, dass dieser ganze musikalische Dreck ständig im Radio läuft und bei den Radiomachern keiner mehr dabei ist, der ideell arbeitet. Es wird nur Mainstream bedient, kein deutsches oder gar einmal ein chinesisches Thema, obwohl es da richtig gute Dinge gibt. Ich singe nur englische Texte. Wenn ich deutsch singen würde, wäre das vielleicht was anderes, aber das ist nichts für mich, das würde musikalisch nicht funktionieren.
CF: Auch wenn Soul nicht Teil unserer Kultur ist, hat es dich gepackt und zwar schon in sehr jungen Jahren.
JC: Ja, mit 13. Die Musik, dieser Blues und Jazz kam einfach über mich. Hört sich esoterisch an...
CF: Das klingt so als ob nicht Du die Musik gefunden hättest, sondern die Musik Dich.
JC: Ja, es gab keine Hinführung, auch keinen Soul oder Jazz bei uns zuhause. Mein Vater ist ein engagierter Hobbymusiker, der hat aber nie Jazz gehört oder sonst irgendwas. Ich kann es nicht wirklich ursächlich begründen.
CF: Hat das Ruhrgebiet der 1970er-Jahre vielleicht eine Rolle gespielt?
JC: Also musikalisch glaube ich eher weniger. Der Ruhrpott hat mich menschlich geprägt.
CF: Woher kommen die Musik und Deine Texte? Coverst Du?
JC: Nein, ich cover gar nicht. Es sind Originalstücke. Ich schreibe Texte durchaus auch mal selbst, aber ich bin kein ‚native speaker’ und dann kann ein Text komisch werden. Ich arbeite überwiegend mit zwei Textschreibern zusammen.
CF: In den Texten auf dem neuen Album geht es oftmals um ein Gefühl des Beheimatetseins. Es gibt klassische, sogar konservative Ansätze und Textstellen, die sich erst später auflösen...
JC: Ja, aber wie soll man seine Geschichten sonst erzählen? Ich sage Dir, was mein Ideal bei Texten ist: Ich liebe Texte aus dem „Great American Songbook“. Da sind unglaublich viele gute Schreiber versammelt, die so wahnsinnig schöne Zeilen geschrieben haben. Ich weiß nicht, ob Du Alan und Marilyn Bergman kennst, die Textschreiber von „The Shadow of your Smile“. Von den beiden sind die schönsten Texte, die es gibt. Mit geschlossenen Augen kreieren sich Bilder. Diese Texte sind mein Ideal. Einer meine Songschreiber ist männlich, die andere weiblich, so entstehen ganz unterschiedliche Bilder. Die beiden verstehen sehr genau was ich will und was ich empfinde.
CF: Gibt es eine Art empfundene Botschaft? Bist Du ein politischer Mensch?
JC: Nein, also das wäre verlogen zu behaupten.
CF: Soul, Blues und Jazz haben häufig textlich auch einen Bezug zur Politik oder Religion...
JC: Wenn Du Religion als Spiritualität ansiehst, dann trifft das auch für meine Songtexte zu. Aber nicht Politik. Ich frage mich übrigens manchmal, ob ich politische Texte schreiben lassen kann, aber es ergibt sich nicht, es fühlt sich künstlich an. Ich will mich auch nicht in eine Richtung verrennen, die nicht meine ist.
CF: Wenn Du im Studio an einem neuen Album arbeitest, kannst Du auf einen großen Fundus aus Deinem Repertoire zurückgreifen oder sitzt die Stückeauswahl choreographisch genau auf der Silberscheibe?
JC: Eigentlich passgenau. Viele Stücke sind vorkomponiert. Da werden schon im Vorfeld Daten digital hin und her geschickt, die Stücke ausprobiert und verändert. Im Studio nehmen wir dann 12 bis 13 Nummern auf und dann ist meistens auch fast alles drauf.
CF: Arbeitest Du gerne im Studio? Es gibt viele Musiker, die sagen „Nur live auf der Bühne ist wahrhaftig.“
JC: Live ist das Schönste. Ich mag aber beides gerne. Denn im Studio hat man Ruhe, entwickelt seine Sachen und tauscht sich gleich untereinander aus. Im Studio habe ich mehr Tiefgang. Das kannst Du live nicht haben. Es ist aber von Sänger zu Sänger verschieden.
CF: Ich erinnere mich an ein Interview mit Manu Katché. Er sagte, dass die Bühne für ihn immens wichtig sei, weil er die Energie des Publikums auf sein Spiel übertragen kann.
JC: Aber Manu Katché ist natürlich kein Sänger.
CF: Schlagzeuger.
JC: Also, das kann ich für ihn durchaus verstehen. Ich bin aber Sänger. Das Studio ist für mich energetischer.
CF: Nach welchen Kriterien suchst Du Dir Deine Musiker aus?
JC: Nach Loyalität! Unbedingte Liebe zur Musik. Generell heißt Loyalität, dass wir alle der Musik verpflichtet sind, keinem Markt, keiner Plattenfirma, keinem Business Plan oder sonst irgend einem Mist, keiner Bank, keiner riesigen Company.
Nur dann ist es richtig. Was nicht heißt, dass es hierarchisch zugeht und nur einer den Ton angibt. Es soll musikalisch erforscht und ergründet werden und es darf auch verrückt sein. Das sind ja alles sowieso Verrückte, verstehst Du? Das sind Egozentriker, die aber trotzdem gemeinschaftlich Musik machen wollen.
CF: Und wenn Du das Forschen und Ergründen erwähnst, benötigt das nicht viel Zeit?
JC: Absolut. Bestimmt Bereiche laufen automatisch, wegen der Routine und darüber muss man sich nicht stundenlang unterhalten. Aber ich glaube auch, dass es bestimmte Momente gibt, für die man sich Zeit nehmen muss. Manchmal sind es nur ein paar Akkorde, bei denen wir merken, es muss sich etwas verändern und dann muss daran garbeitet werden.
CF: Brauchst Du Reibung für ein gutes Ergebnis?
JC: Oh ja, wenn irgend jemand was sagt, was ich falsch finde, dann kann es schon mal harsch werden. Na klar. Also ich kann mich an eine Sache erinnern, wo der Kaphengst an irgendeiner Stelle stundenlang rummachen wollte und ich sollte das dann so oder so singen. Ich sagte „Du kannst mich mal...“. Das sagt man dann so in seiner Emotion... Weil wir uns aber nah sind, nimmt niemand die Emotionen dem anderen übel. Dafür sind wir befreundet.
CF: Macht es für Dich ein Unterschied in einem kleinen Club oder auf einem großen Festival zu spielen?
JC: Es kommt immer darauf an. Ich glaube, für mich ist immer wichtig, wie fühlt es sich auf der Bühne an. Ich habe ja auch schon mit Fanta Vier oder Sasha oder mit solchen Kollegen vor 40 oder 50.000 Leuten gespielt. Also ich weiß schon wie das ist, vor so einer ganz großen Menge zu stehen. Aber das ist mir letztlich egal.
Jeff Cascaro „The Other Man“
Label: Herzog Records
Vertrieb: Edel/finetunes
Kat.-Nr.: 901026 HER
Veröffentlichung: 24.02.2012
Live zu hören ist Jeff Cascaro am 23. März um 20 Uhr im Domicil in Dortmund und auf dem ELBJAZZ Festival im Hamburger Hafen am 25. und 26. Mai 2012.
Header-Foto: Thomas Schloemann
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