Matthias Höfs und sein Trompetenklang der Luxusklasse
- Geschrieben von Hans-Juergen Fink -
Der Hamburger Trompetensolist Matthias Höfs spielt auf seiner neuesten CD Trompetenkonzerte von Georg Philipp Telemann – eine Würdigung zum 250. Todestag des Komponisten. Es sind virtuose barocke Ohrschmeichler auf der hohen Trompete und zwei Sonaten in Moll, die ganz andere Klänge fordern. Die Kunst, diese sie zu spielen, war schon einmal fast verloren gegangen.
Matthias Höfs, Jahrgang 1965, begann „als kleiner Knirps“ das Trompetespielen im Blasorchester des TuS Lübeck. „Sie hat mich einfach mehr angeglänzt als die Klarinette.“ Weitere Stationen auf dem Weg zum Trompeten-Star: Jugendsinfonieorchester, Aushilfe im Städtischen Orchester Lübeck, Solo-Trompeter der Philharmoniker in Hamburg. Damals kam auch schon der Anruf, ob er bei German Brass mitspielen wolle. Heute ist Höfs gefragter Trompetensolist, immer noch auch bei German Brass, er arrangiert für das Ensemble und er lehrt als Professor an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg.
Auf seiner neuen Telemann-CD kommt seine überragende Spielkultur bestens zur Geltung: Seine Trompeten kennen viele Klangfarben, sie bewegen sich hinauf zu engelgleichen Höhen, sind unprätentiös beweglich und verblüffend virtuos und überzeugen durch elegante Tonbildung. Ein Gespräch mit dem Hamburger Trompeten-Professor.
Hans-Juergen Fink (HJF): Herr Höfs, welche Trompeten haben Sie bei den Aufnahmen für die Telemann-Konzerte gespielt?
Matthias Höfs (MH): Moderne Instrumente von Thein in Bremen – das ist eine alteingesessene Blechblas-Instrumentenbaufirma, mit der ich schon lange bei der Entwicklung von Trompeten zusammenarbeite. Konkret gespielt habe ich auf einer Piccolo-Trompete in Hoch-A mit Pumpventilen und auf einer Es-Trompete mit Drehventilen. Sie sehen mich übrigens mit den beiden Trompeten auf dem Cover der CD – links Es und rechts Hoch-A.
HJF: Warum haben Sie gerade diese zwei ausgesucht?
MH: Die Hoch-A gibt eine strahlende Höhe, die Es-Trompete passt klanglich ideal zu der g-moll Sonate mit einem weichen warmen Klang.
HJF: Und warum spielen Sie überhaupt auf modernen Trompeten, wo es doch eine wachsende Bewegung hin zur perfekt gespielten Naturtrompete gibt? Geht es Ihnen wie Maurice André, der mir mal sagte: Warum soll ich 2CV fahren, wenn ich einen Ferrari haben kann?
MH: Meine beiden Sonaten-Bearbeitungen, die ja ganz andere Klangfarben des Instruments zeigen als die Stücke im ewigen D-Dur, wären auf einem Naturinstrument nicht machbar – sie wurden ja auch ursprünglich für andere Instrumente geschrieben. Da braucht man eine ganz andere Ansprache der Töne und einen ganz anderen Klangcharakter. Sie haben aber Recht, es gibt heutzutage wirklich eine große Fan-Gemeinde für die Oldtimer. Das ist nicht unproblematisch, denn den Höranspruch setzen die Ohren von heute, und die müssen da viele Kompromisse machen. Damalige Ohren kannten die heute mögliche Perfektion nicht, weil es die bautechnischen Vorteile noch nicht gab.
HJF: Warum haben eigentlich Bach oder Händel keine Trompetenkonzerte geschrieben?
MH: Gute Frage, aber da bin ich überfragt. Das Können der damaligen Kollegen hätte sicher gereicht, zumal Bach ja seinen Gottfried Reiche hatte, für den er in Kantaten und Oratorien höllisch schwierige Trompetenpartien geschrieben hat.
HJF: Hatte es etwas mit der sozialen Ansiedlung der damaligen Trompeter zu tun, die meist bei Adligen an den Höfen angestellt waren, wo dann auch konzertiert wurde?
MH: Das mag sein, Telemann schrieb seine Trompetenkonzerte in seiner Zeit für den Darmstädter Hof, dort liegen sie noch in der Bibliothek. Vielleicht entstanden solche Konzerte, wie auch die von Vivaldi, über die Bekanntschaft mit ganz herausragenden Solisten. Aber Telemann hat bei den Trompeten sowieso eine Ausnahmestellung.
HJF: War er weltoffener als Bach?
MH: Er war vor allem experimentierfreudig, das haben seine Zeitgenossen so nicht gemacht – er hat die Instrumente etwa bei einer Trauerode stopfen lassen, um einen anderen Klang zu erzielen, oder er hat in einem einzigen Stück Trompeten in drei verschiedenen Stimmungen verwendet, um unterschiedliche Tonpaletten verwenden zu können.
HJF: Wo wurden diese Trompeten-Konzerte aufgeführt, in welchem Rahmen?
MH: Das weiß man nicht genau – vermutlich in der Darmstädter Zeit. Telemann war ja ein Freund der kleinen Kammermusikbesetzungen. Vielleicht bei einer Tafelmusik oder zu einem Geburtstag.
HJF: Warum haben Sie die beiden Sonaten für die Trompete arrangiert? Welches Instrument spielte sie ursprünglich?
MH: Bei der h-Moll-Sonate ließ Telemann das offen, bei der in g-Moll war es im Original eine Oboe. Ich will aufzeigen, was noch in der Trompete steckt jenseits des allgegenwärtigen D-Dur. Die Trompete bekommt in einer Moll-Tonart einen ganz anderen unerwarteten Ausdruck. Nur Hertel setzt das Instrument in seinen Trompetenkonzerten auch in moll-Tonarten ein. Der Effekt ist spektakulär, und man erkennt: Trompete steht nicht nur für den hellen, durchdringenden Strahl.
HJF: Telemann war Multiinstrumentalist, aber Trompete hat er nicht gespielt.
MH: Soweit ich weiß nicht. Aber immerhin Posaune – er hat aber auch keine aberwitzigen Schwierigkeiten in seine Konzerte hineingeschrieben, er wollte ja, dass es aufgeführt wird und hat deshalb praktikabel schrieben.
HJF: Trompeter standen auch noch zu seiner Zeit unter kaiserlichem Schutz – warum? Sie hatten kaiserliche Privilegien, 1623 war eine reichsweite Zunft gegründet worden. Ihr Schutzheiliger war der Erzengel Gabriel.
MH: Das hat etwas damit zu tun, dass sie ja ganz unterschiedliche Aufgaben wahrnehmen mussten. Und als Signaltrompeter hatten sie auch militärisch eine exponierte, wichtige Funktion bei der Koordinierung von Truppenbewegungen, damals gab es ja noch keine SMS.
HJF: Wie muss man denn das Können der frühen Trompeter beschreiben?
MH: Sie wurden innerhalb der Zunft gut ausgebildet. In den militärischen Signalen, aber auch in der Kunstmusik, der weltlichen und der geistlichen.
HJF: Mendelssohn hatte bei seiner Wiederentdeckung der Bachwerke keine Könner mehr für Bachs hohe und melodisch diffizile Trompetenstimmen. Er besetzte die Partien in der 3. Orchestersuite deshalb mit Klarinetten. Warum ist die alte Trompetenkunst, etwa zur Zeit Haydns, erst mal verloren gegangen?
MH: Die ging verloren mit Aufkommen der Klarinette, die war viel beweglicher und hatte einen größeren Tonvorrat und hat so ihren Vorgängern die größten Aufgaben wegstibitzt. Mit Ausnahme von Haydn und Hummel gibt es ja auch erstmal keine Trompetenkonzerte. Die Klassiker weisen der Trompete ein äußerst beschränktes Tonrepertoire zu. Dann kam kurz die Klappentrompete auf und zeitgleich begann es mit der Ventiltrompete, die wir bis heute haben.
HJF: Seit wann kann man Telemann wieder ‚anhörbar’ spielen?
MH: Das ging in den 1950er-Jahren los. Mit Adolf Scherbaum auf der modernen Trompete und mit einigen Engländern auf den historischen Instrumenten – was damals aber noch sehr experimentell klang.
HJF: Stimmt die Geschichte, dass man die Naturtrompeten erst über ein Gemälde von Bachs Trompeter Gottfried Reiche rekonstruieren konnte?
MH: Ich denke, das ist eine Legende, es sind ja durchaus Instrumente erhalten geblieben. Die sind aber eher lang gestreckt als rund gebogen.
HJF: Sie spielen manchmal selbst Naturtrompete – fordert die nicht eine ganz andere Denke und Spielkultur?
MH: Schon wegen der Rohrlänge. Die der Naturtrompete ist doppelt so lang wie die der modernen Trompete. Je länger aber das Rohr ist, desto dunkler und voller klingt das Instrument. Wenn das Rohr kürzer ist, klingt es brillanter. Außerdem liegen bei der Naturtrompete die Obertöne dichter beieinander, da ist es schwieriger, fehlerfrei und intonationsrein zu blasen.
HJF: Die Entwicklung der Trompete steht nicht still. Wohin geht die Reise in der Trompeten-Klangkultur?
MH: Es ist sehr interessant, besondere Instrumente wiederzuentdecken und wiederzubeleben. Vor 100, 120 Jahren gab es noch keine sehr großen Firmen, da wurde noch sehr individuell gebaut. In der Trompetenfamilie entstand eine große Palette an Instrumentarium – auch Besonderheiten wie eine Trompete mit zwei Schallbechern oder ein Kornett mit Echoventilen, die klingt wie mit Dämpfer gespielt. Außerdem arbeiten wir immer dran, mit modernsten Möglichkeiten auszuloten, wie wir die Physik austricksen können, etwa um die unreine Obertonreihe zu optimieren. Da wird sich noch viel tun im Trompetenbau.
Georg Philipp Telemann: Trompetenkonzerte
Matthias Höfs (Trompete) und die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen unter Leitung des Solisten.
CD
Berlin Classics
0300996BC
YouTube-Video:
Matthias Höfs – Telemann (Trailer), (3:47)
Hörbeispiele
Matthias Höfs ist – trompettissimo – auch zu hören auf „Brass Heralds“, dem neuen Doppelalbum von German Brass. Die hochvirtuose Bläsertruppe spielt, kunstvoll arrangiert, Werke von Bach, Händel, Baston, Telemann und Rameau.
2 CDs
Berlin Classics
0301005BC
Hörbeispiele
Konzerte:
- 04. November 2017, 20:00 Uhr, Matthias Höfs mit barocken Trompeten-Konzerten und der polnischen Kammerphilharmonie in der Hauptkirche St. Michaelis
19. Dezember 2017, 20:00 Uhr, “Christmas around the world”, German Brass in der Elbphilharmonie Hamburg.
Abbildungsnachweis:
Header: Matthias Höfs. Foto Bildstudio Ziesche
CD-Cover
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