Musik
Klaus Florian Vogt Foto Harald Hoffmann

Klaus Florian Vogt steht als umjubelter Startenor auf den großen Bühnen der Welt im Mittelpunkt. In Hamburg singt er jetzt aus dem Halbdunkel am Bühnenrand – in Mahlers symphonischen Liederzyklus „Das Lied von der Erde“ zur Choreographie von John Neumeier und dem Hamburg Ballett. Ein Gespräch im Opern-Foyer.

Klaus Florian Vogt ist Tenor, genauer: einer der bedeutenden dramatischen Tenöre unserer Zeit und einem vollen Terminkalender auf Jahre hinaus. Mit seinen Rollen steht er im Mittelpunkt großer Opern: Er singt den Lohengrin in Bayreuth und Berlin, den Paul in „Die tote Stadt“ in Wien, den Florestan in „Fidelio“ in New York, ab kommendem Mai den Tannhäuser in München und im Herbst in Japan. Dazwischen, wenn es sich machen lässt, auch mal einen Brahms-Liederabend oder eine „Schöne Müllerin“, eine Operetten- oder eine Wagner-Gala.

Aktuell steht Vogt allerdings eher am Rand der Bühne der Staatsoper – mit der Tenorpartie in Gustav Mahlers „Das Lied von der Erde“, gesungen für die neue Choreographie von John Neumeier und dem Hamburg Ballett. Und freut sich über das Engagement in dem Haus, wo er bis vor 19 Jahren noch eine Etage tiefer engagiert war: im Orchestergraben beim Philharmonischen Staatsorchester – als Hornist. Im Norden hat er nebenbei auch seine Gesangsausbildung absolviert. Und im Norden hat der weltweit gefragt Startenor bis heute sein Homebase für sich und die Familie – in Brunsbüttel.

In der Mahler-Partie gehören ihm nur drei der sechs Orchesterlieder, aber sie reichen, um sein ganzes Können zu fordern und zu präsentieren: die schwertstarke strahlende Höhe, sein unschuldig schwebendes Pianissimo, die punktgenaue Gestaltungskraft, seine Eindringtiefe in die jeweilige Stimmungslage der Texte. Hans-Juergen Fink von KulturPort.de hat Klaus Florian Vogt getroffen – zu einem Gespräch kurz vor der Premiere.

Hans-Juergen Fink (HJF): Sie sind jetzt für Mahlers „Lied von der Erde“ in Hamburg, aber bevor wir dazu kommen, muss ich Sie fragen, wann Schuberts Liederzyklus „Die schöne Müllerin“ auf CD zu bekommen ist, den Sie in diesem Sommer zwischen Auftritten in Bayreuth beim Musikfestival im österreichischen Grafenegg so atemberaubend interpretiert haben.

Klaus Florian Vogt (KFV): Da kann ich Ihnen leider aktuell noch nichts versprechen – aber ich hoffe. Wir sind da dran, und ich hoffe, dass es was wird.

HJF: Wie kam es jetzt zu den Hamburger Auftritten als Sänger zu einer Neumeier-Choreographie?

KFV: Das war eine ganz normale Anfrage, aber sie passte perfekt in meinen Kalender – und Hamburg ist ja nicht so weit von Brunsbüttel. Für mich ist das ein Geschenk: in der Vorweihnachtszeit zuhause bei der Familie zu sein.

HJF: Kennen Sie noch Kollegen aus dem Orchester?

KFV: Dass ich Hornist im Philharmonischen Staatsorchester war, ist jetzt fast 19 Jahre her. Die Kollegen, die ich noch kenne, werden immer weniger, aber es gibt immer einige, die mit mir zusammen im Orchester angefangen. Da bleibt immer eine besondere Verbindung, und es ist immer wieder schön, hierher zu kommen.

HJF: Sonst stehen Sie selbst umjubelt im Mittelpunkt, jetzt singen Sie aus dem Halbdunkel am Bühnenrand und werden im Programmheft nicht einmal erwähnt, nur auf dem Besetzungszettel. Ist das eine Umstellung für Sie?

KFV: Das stört mich nicht, beim Ballett sollen ja die Tänzer im Zentrum stehen.

HJF: Gibt es da ein besonderes Zusammenspiel mit den Tänzern?

KFV: Ich kann ja nicht zuschauen, während ich singe. Aber ich konnte während der Proben ab und zu ein bisschen spicken, und das, was ich gesehen habe, macht für mich Sinn. Ich bin in diesen Aufführungen einfach ein Teil der Musik – und auf die Choreographie könnte und wollte ich sowieso keinen Einfluss nehmen. Es ist eine vertonte Darstellung, dabei spielt natürlich die Musik eine wichtige Rolle, aber sie ist nicht das Wichtigste.

HJF: Die Texte und Mahlers Musik dazu sind ja über weite Strecken schwer melancholiegetränkt. Wie weit muss man sich auf diese Grundstimmung einlassen, um das singen zu können?

KFV: Soweit wie möglich. Die Schwierigkeit ist ja bei meinen Stücken, dass ich mich gleichzeitig mit der Stimme gegen das groß besetzte Orchester durchsetzen muss. Da geht kaum etwas unter forte.

HJF: Am Ende sind Sie doch wieder der Opern- und nicht der Liedsänger.

KFV: Ja, Lied ist in dem Fall nicht ganz der richtige Begriff, das ist schon eine ausgewachsene Partie. Und es liegt alles relativ hoch, dazu kommt die Lautstärke, mit der man sich gegen das Orchester behaupten muss, und dann geht es ja auch darum, den Charakter des Trunkenen im Frühling lebendig werden zu lassen. Im Gegensatz dazu steht dann das dritte Lied, das nur ein Bild, eine beschwingte kleine Miniatur beschreibt. Hier muss ich mich wieder ein bisschen zurückziehen...

HJF: Mahlers Musik besitzt eine hochkomplexe Struktur; Mahler selbst sagte mal darüber: Wissen Sie, wie man das dirigieren soll?

KFV: Darin liegt gerade der Reiz: die Bögen so zu finden, wie sie hoffentlich von Mahler gedacht sind.

HJF: Haben Sie ein Lieblingsstück unter den dreien, die Sie singen?

KFV: Nummer fünf, der Trunkene im Frühling. Das hat so einen seltsamen melancholischen Überschwang mit dem harten Abschluss: Was geht mich denn der Frühling an?

HJF: Etwas ganz Anderes: Haben Sie die Elbphilharmonie schon mal von innen gesehen?

KFV: Ja, das konnte ich schon.

HJF: Juckt es da einen Sänger wie Sie nicht, im Saal drin auch einen Ton zu singen, um die Akustik zu testen?

KFV: Nein, das habe ich mir für den Januar aufgespart – da erhalte ich mir lieber die Spannung bis zum 17. Januar...

HJF: ...wo Sie mit dem Hamburger Symphonikern unter Jeffrey Tate in Beethovens „Missa Solemnis“ singen. Was halten Sie von dem Bau?

KFV: Gigantisch!

HJF: Im Juni 2017 stehen Sie dort dann selbst im Mittelpunkt.

KFV: Dann singe ich am 11. Juni im Kleinen Saal in einem Kammerkonzert der Philharmoniker wieder Mahler, die „Lieder eines fahrenden Gesellen“. Das ist dann gegenüber dem „Lied von der Erde“ sehr viel reduzierter.

HJF: Das Umschalten zwischen einem solch reduzierten Auftritt oder einem Schubert-Liederabend und den ganz großen Bühnen...?

KFV: Das fällt mir nicht schwer. In der Oper steckt für mich der Liedgesang mit drinnen...

HJF: ...bei Ihnen ja...

KFV: ...und die lauten, dramatischen Stellen haben ihren Ausgangspunkt immer in diesen kleinen Stellen, insofern ist es nicht so schwierig, vom Großen wieder in das Kleine zurückzukommen, wenn dieses sowieso mitschwingt. Das ist ja auch bei einer Oper wie „Lohengrin“ andauernd gefordert. Ich glaube, dass in der Oper viel Liedgesang enthalten ist.

Das Lied von der Erde.
Live zu erleben mit dem Hamburg Ballett. Weitere Vorstellungen: 9., 13., 15., 17. Dezember 2016, jeweils 19:30 Uhr und 15. Juli 2017 um 20:00 Uhr. Karten im Internet unter www.staatsoper-hamburg.de und unter (040) 3568 68

CDs:
- Mahler: Das Lied von der Erde. Klaus Florian Vogt und Christian Gerarher, Orchestre Symphonique de Montréal unter Kent Nagano, CD Sony Classical
- Tonight: Welthits von Berlin bis Broadway. Renée Fleming, Klaus Florian Vogt, Staatskapelle Dresden unter Christian Thielemann, CD Deutsche Grammophon.
- Klaus Florian Vogt: Wagner. Mit den Bamberger Symphonikern unter Jonathan Nott. CD Sony classical 8876 5445 152
- Klaus Florian Vogt: Helden – Heroes. Mit dem Orchester der Deutschen Oper Berlin unter Peter Schneider. CD Sony classical 88697988 642


Abbildungsnachweis:
Header: Portrait Klaus Florian Vogt. Foto: Harald Hoffmann

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