Literatur
Igiaba-Scego. Foto: Simona Filippini

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Ich fühle mich italienisch, wenn: 1) ich mir ein süßes Frühstück gönne, 2) ich Ausstellungen, Museen oder Denkmäler besuche und besichtige, 3) ich mit Freundinnen über Sex, Männer und Depression rede, 4) ich mir Filme mit diesen Schauspielern ansehe: Alberto Sordi, Nino Manfredi, Vittorio Gassman, Marcello Mastroianni, Monica Vitti, Totò, Anna Magnani, Giancarlo Giannini, Ugo Tognazzi, Roberto Benigni, Massimo Troisi, 5) ich ein Eis für 1,80 Euro mit Stracciatella, Pistazie und Kokosnuss ohne Sahne esse, 6) ich alle Worte vom Gedicht „Il cinque maggio“ von Alessandro Manzoni auswendig zusammenbekomme, 7) ich im Radio oder Fernsehen Gianni Morandi singen höre, 8) ich gerührt bin, wenn ich dem Mann, den ich liebe, in die Augen schaue, ihn in seinem heiteren südländischen Dialekt sprechen höre und weiß, dass wir keine gemeinsame Zukunft haben, 9) ich aus den unterschiedlichsten Gründen über den Premierminister, den Bürgermeister, den Stadtrat oder den, der gerade zufällig Präsident ist, schimpfe, 10) ich mit den Händen wild herum gestikuliere, 11) ich um die Partisanen weine, die man viel zu oft vergisst, 12) ich unter der Dusche „Un anno d’amore“ von Mina trällere, 13) oder ich hundert andere Dinge tue, aber wer kann sich die schon alle merken!
Ein ziemliches Problem, diese Identität. – Was, wenn wir sie einfach abschaffen würden? Und die Fingerabdrücke? Lasst uns die auch abschaffen! Ich fühle mich eigentlich ganz rund, aber manchmal fühle ich mich auch wie ein Nichts. Zum Beispiel bin ich ein Nichts, wenn ich im Bus jemanden sagen höre „Diese Ausländer richten Italien zugrunde“ – und dann spüre, wie die Augen aller Leute an mir wie Kaugummi kleben bleiben. Oder wenn eine somalische Frau (meist eine entfernte Verwandte) hört, dass mein Pipi dank seines kräftigeren Strahls lauter als ihres zu hören ist. Ich komme von der Toilette, ohne zu wissen, dass mein Pipi ausspioniert worden ist, und bemerke, wie sich ein böser Blick auf meine linke Schulter legt. Schließlich fällt der giftige Kommentar: „Du bist ja eine ‚nijas‘ (Unreine; A.d.A.), du hast ja noch den ‚kintir‘ (die Klitoris; A.d.A.). Du findest nie einen Mann!“. Sinnlos, der Frau erklären zu wollen, dass die Infibulation [(Teil-) Verschließung der weiblichen Genitalöffnung; A.d.R.] nichts mit Religion zu tun hat und in Wahrheit eine Form roher Gewalt gegen Frauen darstellt. Tja, leider sind es oft gerade stumpfsinnige Frauen, die gewalttätige Praktiken an anderen Frauen verüben, und dabei nicht verstehen, dass sie selbst sexuelle Instrumente in den Händen schwarzer Sklavenhalter sind.
Muss ich deshalb Italien dankbar sein, dass ich noch meine Klitoris habe? Und Somalia? Schulde ich meinen Respekt gegenüber dem Nächsten und der Umgebung um mich herum nicht vielmehr dem schönen Land Punt (Bezeichnung der Ureinwohner des alten Ägyptens für Somalia; A.d.A.)?
Was also bin ich?
Ach, zur Hölle – ich hab’ mich entschieden: Ich koche diese verdammten Würstchen jetzt!

 

Wer weiß, ob sich meine Fingerabdrücke verändern. Vielleicht verändern sie sich, wenn ich ein Würstchen esse, und werden von neutralen Fingerabdrücken zu echten digitalen Fingerabdrücken „Made in Italy“, aber will ich das überhaupt?
Das Wasser kocht, ich werfe sie hinein und sehe, wie sie ihre Farbe verändern. Sie waren rot und jetzt sind sie hellrosa – meine Güte, wie die stinken! Ich weiß nicht, ob ich sie hinunterbekomme. Und schon sinkt mein Mut wieder.
Für diesen feierlichen Augenblick wähle ich einen Teller, der mir besonders gut gefällt. Er hat blaue Kringel am Rand und einen ebenfalls blauen Schmetterling in der Mitte. Ich liebe diesen Teller, weil er der letzte ist, der von einem Service übriggeblieben ist, das auf ein kurzes, aber leidvolles Leben zurückblickt. Ich habe ihn auch deshalb ausgesucht, weil es mir bei ihm umso schwerer fallen wird, ihn wegzuwerfen. Ich wünsche mir eine ewige Trophäe für dieses heldenhafte Unterfangen. Der blaue Teller wird meine „Rhapsody in blue“ sein [Komposition des US-Komponisten George Gershwin von 1924 mit weltberühmten Melodien, die Jazz und Konzertante Sinfonien verbanden und mit Hilfe grenzüberschreitender Musik den US-Amerikanern eine musikalische Identität verleihen sollten; A.d.R.].
Die Würstchen sehen furchtbar aus. Wie zum Teufel kann man so ein Zeug bloß essen? Im Übrigen bin ich mir auch unsicher, ob ich die richtige Zubereitungsart gewählt habe. Mir kommen schreckliche Zweifel. Was, wenn man sie gar nicht kocht? Vielleicht isst man sie roh, wie Kaviar. Aber nun habe ich sie schon einmal aufgebrüht und werde sie jetzt auch so zu mir nehmen.
Ohne sie anzuschauen, richte ich sie auf dem blauen Teller an. Die Schönheit des Tellers rückt die Hässlichkeit dieser nur halb gesottenen und gesiedeten Würstchen ins rechte Licht. Ich setze mich, stehe wieder auf, um ein Glas Wasser zu holen, und setze mich erneut hin. Die Beine hören nicht auf zu wippen, der Puls nicht auf zu zittern. Ich pikse das kleinste Würstchen auf eine Gabel und führe es zur Nase. Iiiieehh, stinkt! Ich schließe die Augen und führe das Widerwürstchen nah an meine Lippen heran. Ich beginne, einen sauren Geschmack wahrzunehmen, der an Erbrochenes erinnert. Das also ist der Geschmack eines Würstchens: Erbrochenes? Daraufhin nässt sich meine Brust irgendwie ein und in dem Moment öffne ich die Augen. Mit Erstaunen stelle ich fest, dass ich das Frühstück von heute früh erbrochen habe: eine Tasse Zerealien mit kalter Milch und einen Apfel. Und das Würstchen? Wohin mit dem Würstchen? Es ist immer noch in seiner vollen Gänze auf die Gabel gespießt. Ich habe es nicht mehr rechtzeitig in den Mund bekommen, das Erbrochene war schneller.
Das muss ein Zeichen sein!
Ich soll dieses Würstchen nicht essen.

 

Zum ersten Mal beginnt mein Kopf bewusste Gedanken zu fassen. „Und wenn alles ein Fehler wäre?“. Das Ganze war doch ohnehin das Ergebnis einer nur wenige, hektische Sekunden währenden Übergeschäftigkeit. Klar, sollte ich jetzt dieses Pseudo-Würstchen, bedeckt von kanariengelben Bröckchen meines Erbrochenen, essen, dann bin ich (vielleicht) eher italienisch, aber was ist dann andererseits mit Somalia? Was mache ich dann mit Somalia – aussondern?
Und meine Fingerabdrücke – was mache ich dann mit meinen Fingerabdrücken?
Ich brauche eine Pause. Ich lege die Gabel mit dem darauf kümmerlich gekrümmten Rest in einer Ecke ab, atme tief durch und strecke die Beine lang. Ich schnappe mir die Zeitung, die traurig auf dem Tisch hingeworfen neben dem Erbrochenen liegt (ich habe noch nicht den Mut, sauber zu machen, ich will einfach nur einen Moment mal abschalten) und blättere sie träge durch. Nichts Interessantes, die üblichen Aufmacher – lauter Unsinn – wie immer, immer der gleiche Sermon. Die Terroristen drohen damit, die halbe Zivilisation in die Luft zu jagen, während die zivilisierte Welt keine Zeit damit verliert, selbst dafür zu sorgen: Jugendliche, die sich gegenseitig in Brooklyn abmurksen. Ein superreicher Kerl, der seiner Verlobten den Bauch aufschlitzt und ihre Leber in den Vorgarten wirft. Die politischen Parteien, die – aus welchen Gründen auch immer – aufeinander losgehen. Das neueste Starlet, das es mit dem aufsteigenden Stern der globalen, milliardenschweren, ständig krisengeschüttelten Fußballwelt treibt. Das übliche aufgewärmte Menü mit einer kandierten Kirsche auf der Tortenspitze: Die Welt wird in fünfzig Jahren untergehen! – Uih, Wahnsinn! Wer hätte das gedacht!
Ich lese weiter und was erblicken meine Augen? Einen Kurzartikel: „Aufstand der afroamerikanischen Community: Weiße Polizisten prügeln schwarzen Minderjährigen“.
Ich bin es so leid, solche Nachrichten zu lesen! Warum um alles in der Welt prügelt man immer auf uns ein? Außerdem hilft mir das herzlich wenig dabei, die Würstchen zu vergessen! Vor allem hilft es mir nicht dabei, die Fingerabdrücke von Menschen, die anders sind, zu vergessen!


Ich fühle mich wie die bestgeeignetste Kandidatin, um Prügel zu kassieren! Ich wäre doch perfekt – niemand an meiner Seite, der mich verteidigt. Ein perfektes Opfer – die perfekte „Negerin“, die man zusammenschlagen kann. Komisch, dass noch keiner draufgekommen ist. Ich bin schwarz und glaube, dass schwarz zu sein ein Totalreinfall ist: garantiert eine Niete. Da gibt es kein Pardon. Da bist du dazu verdammt, Opfer schiefer Blicke zu sein – im besten Fall – oder von Fußtritten, Scheiterhaufen, Steinigungen, Vergewaltigungen, Kreuzigungen und Ermordungen – im schlimmsten Fall.
Und es gibt auch kein Pardon, wenn du in einem Land geboren bist, in dem alle deine gleiche Hautfarbe haben – das kann sogar noch schlechter ausgehen! Denn zunächst einmal riskierst du, dass du nach langer, unermesslicher Qual einen entbehrungsreichen Tod erleidest. Dann hast du die neunzigprozentige Chance, dass du AIDS bekommst, wobei du von Medikamenten in dem Fall natürlich auch nur träumen kannst. Denn davon zu träumen, ist womöglich die einzige Art, ihrer je habhaft zu werden. Wenn du aus purem Glück diesen zwei Geiseln entkommst, tja, dann kannst du sicher sein, dass dich irgendein Bürgerkrieg erwischt. Und wenn du dann immer noch nicht zufrieden bist, dann kannst du dich noch mit irgendeiner Naturkatastrophe trösten, die bestimmt nicht lange auf sich warten lässt und genau das Land der Schwarzen heimsuchen wird, wo du „schwarze Niete“ am Ende hinzuziehen beschlossen hast, weil du die Beschimpfungen der Weißen satt bist.
Zudem, mein Freund, musst du wissen, dass wir Schwarzen mit dem Verdacht leben, dass uns jeder nach unserer Hautfarbe beurteilt. In Wahrheit ist es genau so, aber wir bilden uns ein, dem sei nicht so! Man unterstellt uns, überempfindlich zu sein und wegen jeder Kleinigkeit rassistisches Benehmen heraufzubeschwören, aber soll ich dir etwas sagen? Rassismus ist – leider – alles andere als ein schlechter Scherz. Verdammt, ich wünschte, es wäre ein Super-Ober-globaler Scherz, eine Internet-Ente, aber die Wahrheit ist, dass du, wenn du schwarz bist, mit eben diesem Verdacht nun einmal leben musst.


Oft sind wir allerdings auch ein bisschen sehr streitlustig. Ich glaube, das Leben mit diesen ständigen Zweifeln klopft uns gewissermaßen weich. Dann bringt uns einfach alles auf die Palme, und wenn du dann auch noch anfängst uns zu beschimpfen, tja, dann beschuldigen wir Gott und die Welt des Rassismus, auch wenn wir ursprünglich wegen etwas vollkommen anderem gestritten hatten, wie zum Beispiel wegen eines Mega-Auffahrunfalls, den wir ganz und gar selbst verschuldet haben!
Allerdings sind wir auch nicht die einzigen Streitsüchtigen. Da gibt es noch andere: die Araber, die Juden, die australischen Aborigines, die amerikanischen Ureinwohner, die Kurden und einfach alle Stämme und Nationalitäten, die es je auf Pangäa [großer einheitlicher, zusammenhängender Urkontinent der Erde in der Zeit vor dem Jura; A.d.R.] d.h. rund um den Erdball gegeben hat.
Also: Was soll ich tun? Soll ich jetzt wirklich das Würstchen mit dem Erbrochenem essen, nur um zu beweisen, dass ich kein sensibler Angsthase bin? Um zu zeigen, dass auch ich eine waschechte ordnungsgemäße Vollblutitalienerin bin? Dass meine Fingerabdrücke das Gütesiegel „Made in Italy“ tragen?

 

Ich schalte den Fernseher ein. Ich will die Würstchen vergessen. Noch habe ich nicht entschieden, was aus ihnen werden soll. Noch habe ich nicht entschieden, ob ich sie esse. Ich weiß zwar nicht, was ich tun soll, aber ich bin versucht zu „sündigen“. Ob es sich lohnt?
Ettore-Scola_1983.jpg Ich zappe vor mich hin. Ich will den Geruch, der mir in die Nasenflügel steigt, vergessen. Mein Erbrochenes verbreitet einen üblen Mief: Ob das an den Zerealien liegt? Eine Filmszene zieht mich in ihren Bann. Die kenne ich genau: Es ist Ettore Scolas [italienischer Regisseur und Drehbuchautor, 1931-2016; A.d.R.] „Wird es unseren Helden gelingen, den in Afrika auf mysteriöse Weise verschwundenen Freund wiederzufinden?“ [eine in Angola gedrehte Abenteuerkomödie gegen den Glauben an die Überlegenheit der Weißen über die Schwarzen unter dem italienischen Originalfilmtitel: „Riusciranno i nostri eroi a ritrovare l’amico misteriosamente scomparso in Africa?“, 1968; A.d.R.]. Das ist ein schöner Film, und er sagt viel über die Italiener aus. Es geht darin um eine spannende Story: Alberto Sordi und sein Buchhalter suchen halb Afrika nach Sordis Schwager ab. Schließlich, nachdem sie alle möglichen Abenteuer durchlebt haben, finden sie ihn: Der Schwager, gespielt von Manfredi [Nino Manfredi, italienischer Schauspieler, 1921-2004; A.d.R.] mit künstlichen (sehr trendigen) Rastalocken, ist Sektenführer geworden, eine Art „pae de santo“ (Medizinmann der Macumba; A.d.A.) eines primitiven Stamms. Manfredi, wenngleich zögerlich, entschließt sich (aus eigenem Antrieb) dazu, den Stamm zu verlassen, um dem bürgerlichen Sordi nach Rom zu folgen. Und genau in diesen Moment habe ich hineingezappt. Manfredi ist gerührt, als er das eindringliche Flehen seines Stammes vernimmt: „Titì, verlass uns nicht!“ rufen sie ihm im römischen Dialekt nach; und er knickt ein. Mich überkommt die Rührung in dem Moment, als er auf die Reling des Schiffs klettert und ins Wasser springt, um zurück zu denen zu schwimmen, die inzwischen seine Leute geworden sind. Aber noch mehr berührt mich Sordis überwältigtes Gesicht, in dem sich ein seltsames Gefühlsgemisch aus Bitterkeit, Erstaunen und Neid widerspiegelt. Er scheint zunächst, seinem Schwager folgen und sich ebenfalls in die Fluten stürzen zu wollen, aber der Buchhalter hält ihn zu Recht davon ab und bringt ihn wieder zur Vernunft. Er, Sordi, hat keine Wahl. Er ist nicht so frei wie sein Schwager, sondern vielmehr dazu verdammt, auf ewig ein Bürgerlicher zu bleiben, der hinter den Zaun eines entfremdeten Lebens zurückzukehren hat. Er hat keine Wahl. Diese Szene nimmt mich total mit. Ich breche in Tränen aus. Beim Anblick dieser zwei Männer wird mir klar, dass ich immerhin noch eine Wahl habe und mir immerhin auch noch selbst gehöre. Jedenfalls kann ich noch wie der Manfredi-Titì ins Meer springen.

 

Ich schaue mir die Würstchen an und werfe sie in den Abfalleimer. Wie war ich bloß je auf den Gedanken gekommen, die zu essen? Wieso verleugne ich mich selbst: Um einer narbigen Frau, die die Stimme eines Transvestiten hat, Recht zu geben? Oder um die Sadisten, die diese demütigenden Abnahmen von Fingerabdrücken eingeführt haben, zufriedenzustellen? Wäre ich etwa italienischer mit einem Würstchen im Magen? Und wäre ich dadurch vielleicht weniger somalisch? Oder genau andersherum?
Nein, ich wäre doch die Gleiche, der gleiche Mix. Und wenn das dann jemanden stört, kann der mich in Zukunft einmal gernhaben!

 

Das Telefon klingelt. Es ist meine Freundin Valentina. „Hallo!“, schreit sie in den Hörer. „Hallo! Hast du heute schon die ‚Gazette‘ gelesen?“. „Nein“, antworte ich. „Du hast es geschafft!“. Ich verstehe nur Bahnhof. Ich bitte sie, den Satz ein zweites und drittes Mal zu wiederholen. Dann noch ein viertes und fünftes Mal. Ich habe die Ausschreibung gewonnen. Und das ganz ohne Empfehlung! Ohne Überempfindlichkeiten! Und ohne einen einzigen Fingerabdruck abgegeben zu haben!
Langsam finde ich Gefallen an Bruchzahlen. Zum ersten Mal blicke ich an diesem warmen Augustmorgen aufmerksam um mich herum und denke beklommen: „Was für ein Dreck!“.
Dann kremple ich mir die Ärmel hoch. Ich muss das Erbrochene in der Küche wegwischen.

Aus dem Italienischen übersetzt und kommentiert von Dagmar Reichardt

Igiaba Scego: „Wuerstchen“ kurzgeschichteDas dieser Übersetzung zugrunde gelegte italienische Original ist 2005 im Kurzgeschichtenband „Pecore nere. Racconti“ (dt. wörtlich: „Schwarze Schafe. Erzählungen“), herausgegeben von Flavia Capitani und Emanuele Coen (Bari, Laterza, 2005, S. 23-36) erstmals in Italien erschienen (Leseprobe, Italienische Lektüre, Niveau B2, DE) und seit zwei Jahren in Deutschland, Österreich und der Schweiz als gleichnamiges Reclam-Heft erhältlich (Reihe „Fremdsprachentexte – Italienisch“, Reclams Universal-Bibliothek Nr. 19943, Ditzingen, Reclam, 2018, S. 34-53). Das Buch, das vor fünfzehn Jahren in Italien medial für viel Aufsehen gesorgt hat, stellt italienischsprachige Texte von vier italophonen, dunkelhäutigen und perfektes Italienisch sprechenden und schreibenden Migrationsautorinnen vor: Igiaba Scego (geb. 1974), Laila Wadia (geb. 1966), Gabriella Kuruvilla (geb. 1969) und Ingy Mubiayi (geb. 1973). Diese Italienerinnen sind in der zweiten Generation von (somalisch-ägyptisch-afrikanischen und indischen) Einwanderern abstammend z.T. in Italien, z.T. außerhalb Italiens, aber dann entweder von einem italienischen Elternteil geboren worden oder sie sind in Italien aufgewachsen bzw. dort seit langem ansässig. Sie beschäftigen sich erzählerisch mit Mehrfachidentitäten, denen ein Einwanderungsland wie Italien – ebenso wie Deutschland und viele andere europäische (und nicht europäische) Staaten auch – oft transkulturell noch nicht gewachsen zu sein scheinen.
Am 12. Februar 2020 kommt beim Mailänder Bompiani-Verlag Igiaba Scegos neuester, im 19. Jahrhundert angesiedelter historischer Bildungsroman über die Grand Tour der farbigen Protagonistin Lafanu Brown unter dem Titel „La linea del colore“ (dt. etwa: „Die Linie der Farbe“) in Italien heraus, der dort bereits für die hochkarätigsten Literaturpreise des Landes im Gespräch ist und mit Spannung erwartet wird.

Abkürzungen:
A.d.R. = Anmerkung der Redaktion in eckigen Klammern [verfasst von Dagmar Reichardt]
A.d.A. = Anmerkung der Autorin in runden Klammern (verfasst von Igiaba Scego). – Igiaba Scego hat ihrem Originaltext insg. 7 kurze, erklärende Anmerkungen hinzugefügt, die für die vorliegende deutschsprachige Fassung von Dagmar Reichardt aus dem Italienischen übersetzt und aus typographischen Gründen in Igiaba Scegos integralen Text direkt, in runde Klammern gesetzt, eingearbeitet worden sind (im Original sind es mit Asterisken gekennzeichnete Fußnoten).


Igiaba Scego

Weitere Informationen finden Sie im Interview, das Dagmar Reichardt mit der Autorin am 29. Juli 2019 unter dem Titel „Intellektuelle Inkarnation der ‚Neuen Italienerin‘: Igiaba Scego“ für KulturPort.De geführt hat.

Igiaba Scego diskutierte am 18.10.2019 am Rotteck-Gymnasium in Freiburg i.Br. mit deutschen Schülerinnen und Schülern. Außerdem nahm sie bereits 2010 am Internationalen Literaturfestival Berlin teil.
Im März 2020 erscheint im Non-Solo Verlag (Freiburg i.Br.) – nach der Erzählung „Die Ikone“ (2018) im zweisprachigen Sammelband „Spiegelungen. Zehn neue literarische Stimmen aus Italien“ (Deutsch-Italienisch) – eine deutschsprachige Mini-Anthologie von Igiaba Scego unter dem Titel „Dismatria und weitere Texte“.


Abbildungsnachweis:
- Alberto Sordi, 1962. Quelle: The Brazilian National Archives. (Gemeinfrei)

- Jean Gabin, 1958. Quelle: Wikipedia (Gemeinfrei)

- Ettore Scola, 1983. Quelle: Nationaal Archief Nederland. Foto: Rob Bogaerts / Anefo (Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license).
- Buchumschlag der jeweils italienischen (links) und fremdsprachigen Ausgabe für den deutschsprachigen Raum (rechts).

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