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Belmont-Preis für Komponistin Milica Djordjević. Flirt mit dem Extrovertierten

Die „Bodenhaftung geht verloren, die Klänge beginnen zu schweben“. Gemeint ist die Neue Musik im Allgemeinen.
Doch passten die Reflexionen von Gabriele Forberg-Schneider am Sonntag in Hitzacker auch auf einen besondere Fall: Auf die Musik der Komponistin Milica Djordjević, die im Rahmen der 70. Sommerlichen Musiktage Hitzacker am 26. Juli mit dem Belmont-Preis der Forberg-Schneider-Stiftung ausgezeichnet wurde.

Ihre Musik, das machten die Interpretationen, die Laudatio und Preisvergabe deutlich, verliert die Bodenhaftung und schwebt – und landet aus dem Schweben wieder auf dem Boden. Theodoro Anzelotti ließ dieses Oszillieren zwischen den beiden Polen, das schlichte, aber in jedem Moment artifizielle Fließen zwischen leiser Leichtigkeit und heftigem Affekt, im Akkordeonstück „...mislio bi covek zvezde...“ („... würde man denken: Sterne...“) in jeder Note leuchten, ein Streichquartett aus Mitgliedern des Ensemble Resonanz ließ Wechsel zwischen glissandirender Viertelton-Leichtigkeit und militant-expressivem Con forza in „The death of the Star-Knower“ zu einem verspielten Parforceritt werden

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„Ja“, hatte die mit dem Belmont-Preis geehrte Komponistin im Gespräch mit dem Musikjournalisten Anselm Cybinski gesagt, da seien durchaus Bezüge zur serbischen Folklore in ihrem Werk, einer Folklore, die Emotionalität und Mikrotonalität verbinde. Untergründig, kaum offensichtlich: Darin fühle sie sich dem Dichter Vasko Popa nahe, dessen Texte „sehr fein mit der Folklore“ verbunden seien und die „mit dem Surrealismus flirten“. Zwei seiner Gedichte hat sie für Sopran vertont, „Manje te u majke groze“ („Tochter der Unheilbrüterin verschwinde“) für Sopran und Ensemble, das uraufgeführte „I ti hoces da se volimo“ („Und du willst das wir uns lieben“) für Sopran und Akkordeon. Gesangsparts mit jähen Lagensprüngen und motivischer Rasanz melismatische Partikel wechseln mit deklamatorischen. Trotz und Wut, Trauer und Hingabe: Liebe (und ihr Ende) als Drama. Valentina Colodonato sang es mit ausdrucksreichen Schattierungen.

„Das Raue ist mein Temperament“. Sie fürchte nicht, sich den Konventionen der Neuen-Musik-Szene anzupassen: „Ich bin ganz schön halsstarrig“, sagte die 1984 in Belgrad geborene Komponistin. Sie denke kein „Stück weit daran, wie etwas aufgenommen wird“, meinte Milica Djordjević über die Reaktionen des Publikums – am Sonntag dominierte Begeisterung.

Vielleicht ist ja in Hitzacker in sieben Jahrzehnten die Liebe zur zeitgenössischen Musik in gleichem Maß gewachsen wie anderswo die bloße Toleranz ihr gegenüber. Dass deren Klangwelt für das Publikum oft nur „ein lästiger Obulus ist, mit dem die Passage von der Gegenwart in die Vergangenheit erworben wird“, mutmaßte Gabriele Forberg-Schneider in ihrer Laudatio. Die „reflexartige Ablehnung“ der Neuen Musik liege vielleicht daran, dass die den „lieb gewonnenen Mechanismus zwischen Erwartung und Erwiderung“ außer Kraft setze. Der mit 20 000 Euro dotierte Belmont-Preis ist ein Beitrag, dem „Biedermeier vertrauter Hörgewohnheiten“ zu begegnen. „Am Beginn steht das Verschenken“, so die Stifterin über ihre Motive.

Der Belmont-Preis
Mit dem Belmont-Preis werden Aufbruch, Wagnis, Mut gewürdigt, nicht aber Bewährtes fortgeschrieben. Aufbrüche gehen von den Künsten aus; der Bürger als Mäzen kann sie nur ein Stück vorwärts tragen helfen.
Shakespeares Belmont im „Kaufmann von Venedig“ ist ein Schicksalsort, an dem die Klugheit einer Portia zu Hause ist: "Who chooses me, must give and hazard all he hath" (Wer mich wählt, gibt und wagt, was er nur hat). Keine Losung kann Preiswürdigkeit treffender beschreiben. Shakespeare sieht das Risiko gleich verteilt auf Geber und Empfänger.
Belmont ist aber auch eine Bewunderungsadresse für Arnold Schönberg, der in seinen vielfältigen künstlerischen Erfindungen und Ausdrucksformen hohlem Pathos und peinlichen Konventionen den Kampf ansagte: „Das Herz muss innerhalb der Domäne des Kopfes liegen“.
Der mit 20.000 € dotierte Preis, der nach Möglichkeit alle zwei Jahre vergeben wird, zählt zu den höchst dotierten Preisen für künstlerisches Schaffen in Europa.


Weitere Informationen zur Preisträgerin des Belmont-Preises 2015
Weitere Informationen zu den Sommerlichen Musiktagen Hitzacker
Die Sommerlichen Musiktage Hitzacker finden noch bis zum 2. August 2015 statt.


Abbildungsnachweis: Alle Fotos Thomas Janssen
Header: „Am Beginn steht das Verschenken": Stifterin Gabriele Forberg-Schneider (links) überreichte Sommerlichen Musiktage in Hitzacker den Belmont-Preis 2015 für zeitgenössische Musik an die aus Serbien stammende Komponistin Milica Djordjević.
Galerie:
01. Akkordeonist Theodoro Anzelotti
02. Sopranistin Valentina Coladonato
03. Musiker des Ensemble Resonanz
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