Buch Druck Kunst
- Geschrieben von Isabelle Hofmann -
Zu Rosenblättern gefaltete Liebesbriefe, geritzte Gedichte auf transparentem Acrylglas, Porträts aus Textbausteinen und Schriftzeichen.
Die Rede ist von der zeitgenössischen Buchkunst, Nischen-Sparte im weiten Feld zwischen angewandter und freier Kunst. Noch, muss man dazu sagen, denn die Objekte im Taschenformat erfreuen sich wachsender Beliebtheit. In Hamburg, der heimlichen Hauptstadt der Buchkunst, findet am 19. und 20. Januar die 8. Norddeutsche Handpressenmesse statt – ein Pflichttermin für alle Liebhaber außergewöhnlicher Bücher.
Einen Tag ungestört in Muße zu verleben, heißt einen Tag lang ein Unsterblicher zu sein. Wenn diese chinesische Weisheit zutrifft, haben Wibke und Stefan Bartkowiak viele unsterbliche Tage hinter sich. Seit rund 30 Jahren beschäftigt sich das Ehepaar aus Hamburg-Winterhude mit Dingen, für die man wirklich Muße braucht: Mit handgemachten Büchern. Ihre umfangreiche Sammlung bibliophiler Kostbarkeiten haben die Bartkowiaks vor zwei Jahren der Hamburger Staatsbibliothek vermacht – ihr Engagement für die Buchkunst haben sie jedoch nicht aufgegeben. Im Gegenteil. Mehr denn je kümmern sie sich darum, der Buchkunst ein Forum zu verschaffen. Die Norddeutsche Handpressenmesse „BUCH DRUCK KUNST, die sie 1999 ins Leben riefen, gehört mittlerweile auch international zu den wichtigsten Ereignissen in der Branche.
50 ausgezeichnete Buchkünstler und -künstlerinnen aus dem In- und Ausland werden am 19. und 20. Januar im Hamburger Museum der Arbeit ihre Werke präsentieren. Der Andrang war in diesem Jahr so groß, erzählt Messe-Chefin Wibke Bartkowiak, dass die 50 Standplätze verlost werden mussten. Geschafft haben es unter anderem die Ascona Presse aus der Schweiz, die Associacion Cultural ILDE aus Spanien und die Nomad Letter Press/Whittington Press aus England. Zum ersten Mal dabei ist auch die Internationale Vereinigung der Meister der Einbandkunst mit einem eigenen Stand. Auch aus Hamburg und Schleswig-Holstein sind in diesem Jahr wieder viele Künstler und Handpressen-Editionen vertreten. Beispielsweise die Edition Eichthal aus Eckernförde, die (u.a.) mit dem ausgezeichneten Uhren-Buchobjekt von Andreas Töpfer aufwartet. Die Officina Ludi aus Großhansdorf, bekannt für ihre literarischen Tischsets und typographische Dichterporträts. Das Buchwerk aus Holtsee, spezialisiert auf hochwertige Buch-Einbände, -Schatullen und Leporellos. Oder der Kieler Künstler und Hochschuldozent Vladimir Sitnikow, dessen wunderbar doppelbödige Künstlerbücher und kongenialen Illustrationen zu grotesken Texten von Daniil Charms, Michail Bulgakow und anderen russischen Literaten bereits in vielen internationalen Sammlungen vertreten sind.
Schon die wenigen Beispiele zeigen, wie unerhört breit das Spektrum zeitgenössischer Buchkunst ist. Die meisten Künstler, Setzer und Drucker sind Einzelkämpfer, erst Wibke und Stefan Bartkowiak bauten das Netzwerk der Buchkunst in Deutschland auf und gründeten 1998 einen Dachverband für alles, was mit Kunst und Schrift zu tun hat, den Verein „BuchDruckKunst e.V.“, dessen Vorsitzende Wibke Bartkowiak ist.
Den Grundstein für ihr unermüdliches Engagement legte übrigens der Schwiegervater, Heinz Bartkowiak (1913-1981), Dozent für Typografie in Berlin und leidenschaftlicher Sammler schöner Bücher und Grafiken. Um den schier unüberschaubaren Nachlass nach seinem frühen Tod zu bewältigen, stellte die Witwe Hedwig Bartkowiak (1910-2007) erst einmal einen Antiquariatskatalog zusammen. Sohn und Schwiegertochter wurden in die Fleißarbeit eingebunden und schon bald entwickelte das kleine Familienunternehmen die Idee, ihr Home-Antiquariat um ein Forum für zeitgenössische Buchkunst zu erweitern. In Winterhunde gründeten die Bartkowiaks das „Haus der Buchkunst“, das seither in unregelmäßigen Abständen Ausstellungen und Lesungen präsentiert – und gaben im Herbst 1988 die erste Ausgabe des „Kompendiums zeitgenössischer Handpressendrucke, Künstlerbücher und Buchobjekte“ heraus. Zehn Jahre später hieß der jährliche Katalog über Buchkünstler, Ausstellungen, Messen und Museen „Bartkowiaks forum book art“ – und war so umfangreich und arbeitsintensiv geworden, dass die Gründung eines gemeinnützigen Vereins notwendig wurde. „Buchkunst wird immer noch viel zu wenig geschätzt“, sagt Wibke Bartkowiak, die sich lächelnd als „Büroklammer der Buchkünstler“ bezeichnet, da sie die vielen unterschiedlichen Künstler der Szene vernetzt bzw. „zusammenklammert“. Eine glatte Untertreibung, denn ihre Bedeutung für die zeitgenössische deutsche Buchkunst kann nicht hoch genug geschätzt werden. Wibke und Stefan Bartkowiak, soviel ist klar, haben die erste Plattform für Buchkunst in Deutschland ins Leben gerufen. Ohne sie gäbe es nicht die Messe im Museum der Arbeit und ohne sie hätte es auch auf der Frankfurter Buchmesse über zehn Jahre hinweg keinen festen Platz für die Buchkunst gegeben. Frankfurt hat sich von der Buchkunst jetzt zwar vorläufig verabschiedet, aber dafür entstehen in anderen Städten neue Initiativen. „Allmählich geht unsere Saat auf“, sagt Wibke Bartkowiak und die Freude darüber ist offensichtlich. „Ob Erlangen, München oder Pforzheim – überall entstehen kleine Messen, die Buchkünstler für sich und andere organisieren“. Auch die Hamburger Messe wächst: War die BuchDruckKunst bislang eine Biennale, so findet sie künftig jedes Jahr im Hamburger Museum der Arbeit statt. Dort wird übrigens nicht nur verkauft, sondern auch vorgeführt: Ob Kalligrafie auf Stein, Papierschöpfen oder Schriftguss – wer wissen möchte, wie ein Buch von Hand entsteht, braucht nur vorbeizuschauen.
BuchDruckKunst, 19.1. 10-19 Uhr und 20.1. 10-17 Uhr. Museum der Arbeit, Wiesendamm 3, in 22305 Hamburg; direkt am Bahnhof Barmbek (Ausgang Süd). Eintritt 10 Euro, erm. 8 Euro.
Bildnachweise:
Rosarium, geliebte Rose, Rosenromane (Foto: Astrid Haas)
Porträt MannH (Foto: Claus Lornzen, Officina Ludi)
Charms, "Der alte Mann", "Bulgakow" (Foto: Vladimir Sitnikow)
"Uhr" (Foto: Jens Uwe Jess, Edition Eichthal)
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