Kunsthandwerk, Grafik & Design

„Frauen kommen langsam, aber gewaltig“. Der Spruch aus der Frauenbewegung der 70er Jahre hat nichts an Aktualität verloren.

Das beweist derzeit „The F* Word“ - die großartige Ausstellung über die Guerilla Girls und feministisches Grafikdesign im Museum für Kunst & Gewerbe.

 

Das riesige Franzbrötchen an der Fassade des Museums ist schon vom Hauptbahnhof aus zu sehen. Was es damit auf sich hat, wird klar, wenn man näherkommt. Das Franzbrötchen steht für die umfangreiche Plakat- und Grafiksammlung, mit rund 400.000 Arbeiten einem der größten Schätze des Hauses.

 

Der Krümel daneben, den man ohne Beschriftung kaum wahrnehmen würde, repräsentiert den Anteil der Künstlerinnen, deren Werke in dieser Sammlung gefunden haben: Ganze 1,5 Prozent! Dieses Ergebnis hat die Kuratorin und Sammlungsleiterin Julia Meer „schier fassungslos“ gemacht, wie sie sagt. Und dieser Prozentsatz ist nicht geschätzt! Ihr Team habe tatsächlich nachgezählt, betont Meer.

 

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In der Sammlung ein ausgewogenes Verhältnis zu schaffen, würde wohl noch einmal 150 Jahre dauern. Das jedenfalls ist der Zeitraum, in dem die Grafikkollektion des MK&G durch Sammlungspolitik und Schenkungen entstanden ist. Männliche Sammlungspolitik, wohlgemerkt. Denn seit der Eröffnung 1874 wurde das Museum 113 Jahre von Männern geleitet. Mit einer einzigen Dekade unter der Leitung von Lise Lotte Möller (1962-1972) haben im Haus am Steintorplatz bis 2008 „Männer die Geschichte geschrieben“, sagt Tulga Beyerle, nach Sabine Schulze (2008-2018) immerhin schon die zweite Direktorin in Folge.

 

Der auffällige Banner mit dem Franzbrötchen ist die jüngste Großtat der Guerilla Girls, einer nur mit Gorilla Maske auftretenden Aktivist*innengruppe aus den USA, die in der Öffentlichkeit anonym bleiben möchte. Gegründet 1985 als Reaktion auf eine internationale Überblicksschau über zeitgenössische Malerei und Skulptur im Museum of Modern Art. Unter den 165 Künstler*innen waren damals lediglich 13 Frauen vertreten - und noch weniger People of Colour. Seitdem kämpfen die „Guerilla Girls“ mit ebenso humorvollen wie aufklärenden und anklagenden Arbeiten gegen Sexismus, Rassismus und Machtmissbrauch und für Gleichberechtigung im Kunstbetrieb. Legendär ihr Poster von 1989, „Do women have to be naked to get into the Met. Museum?“ („Müssen Frauen nackt sein, um ins Metropolitan Museum zu kommen?“), das einen weiblichen Akt mit Gorilla-Kopf zeigt und darauf anspielt, dass Frauen zwar ein beliebtes Bildmotiv sind („85 % aller Akte sind weiblich“), aber in den Museen und Kunstinstitutionen weniger als 5 % weibliche Positionen ausgestellt werden.

 

Im Museum für Kunst und Gewerbe wird Kuratorin Julia Meer zweifellos dafür sorgen, dass sich das Verhältnis möglichst rasch ändert. Der erste Schritt war im vergangenen Jahr der Ankauf des Gesamtwerkes der Guerilla Girls, aus dem nun eine Auswahl von rund 100 Arbeiten die bislang größte Retrospektive in Deutschland präsentiert. Flankierend zeigt das Museum eine Fülle mutiger und inspirierender Arbeiten aus den vergangenen 150 Jahren. Und ein Spendenaufruf zum Erwerb feministischer Grafik ist auch erfolgt. Denn die Zukunft, das ist klar, gehört den Frauen – auch in der Kunst.


„The F*Word“ – Guerilla Girls und feministisches Grafikdesign

Zu sehen bis 17.9.2023 im Museum für Kunst und Gewerbe, Steintorplatz, Hamburg

Geöffnet: Di-So 10-18 Uhr, Do 10-21 Uhr, jeden ersten Donnerstag im Monat ab 17 Uhr frei.

Weitere Informationen (MK&G)

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