Fotografie

Am Rande des Straßen- und Gässchengewirrs der Altstadt von Port Louis, der Hauptstadt Mauritius‘, liegen eine Reihe von Kolonialbauten der französischen und britischen Zeit.

Dort, wo vor dem großen Brand des Jahres 1816 der Markt beheimatet war, errichtete die englische Kolonialverwaltung von 1820 bis 1822 das Municipal Theatre. Die damals wichtigste Sprechbühne der Indischen Ozean Region ist heute geschlossen, das Erläuterungsschild davor verwittert und angerostet.

 

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Dreht sich der historisch und kulturinteressierte Besucher um 180°, schaut er in die schmale, nur für Fußgänger vorgesehene Kopfsteingasse, Rue du Vieux Conseil (Alte Ratsstraße) an dessen Ende unter einem Rundbogen ein Holzschild mit dem Wort Musée hängt. Geht man in die Gasse hinein und darauf zu, erkennt man bald auch zwei weitere kleine geschwungene, geritzte und farbig unterlegte Begriffe: Archives Photo.

Die Gasse und die meisten Gebäude stammen aus der französischen Kolonialzeit des 18. Jahrhunderts. In einem der eingeschossigen, langgestreckten Gebäude, in dem man eher historische Kutschen als fotografische Artefakte vermutet, liegt das Photographic Museum of Mauritius.

 

Gegründet wurde es vom Sammler, Fotografen und leidenschaftlichen Mauritier Tristan Bréville, zwei Jahre vor der Unabhängigkeit von der britischen Krone, im Jahr 1966 im Ort Quatre Bornes, südlich von Port Louis. Bréville und seine Frau Marie-Noelle wollten zunächst die Geschichte der Insel via Fotografie dokumentieren. Wie so viele Dinge, fangen Geschichten klein an und weder die Entwicklung noch ein Ende sind absehbar. Aus einer privaten Initiative entstand ein Museum, das nicht nur auf der südlichen Hemisphäre seines gleichen sucht.

 

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Betritt man das Museum ist man überwältigt und irritiert zugleich, denn es ist voll. Voll von Gerätschaften aus zwei Jahrhunderten: Projektoren, Stative, Kameragiganten der Frühzeit der Fotografie, Fotoapparate des 20. Jahrhunderts, Linsen, Zubehör in Glasvitrinen aufgereiht. Überall schwarz-weiß Fotos in alten Rahmen oder in Mappen gebündelt und lichtgeschützt, selbst die jeweils zwölf Fensterscheiben der Außentüren sind mit Portraits von jungen Mauritiern beklebt und wirken wie eine dauerhafte Diaschau, ein permanentes Publikum. Bücherschränke beherbergen mehrsprachige Bildbände, Fotografiezeitschriften, Sammelbände und Monografien.

 

Wie auf einem Flohmarkt sind hier und dort Schätze an den Trampelpfaden der Fotografiegeschichte zu entdecken: die erste Projektionslinse eines gewissen Brüderpaars namens Lumière. Ein wenig weiter stoppt eine verfärbte Daguerreotypie in einem mit Samt ausgelegten Metallrähmchen den Besucher, die auf einer Holzkommode liegt. In den darunter befindlichen Schubladen gibt es fünfzig weitere davon. Die Daguerreotypie ist ein 1835 von Louis Jacques Mandé Daguerre und Nicéphore Niépce – dem Erfinder der Fotografie – entwickeltes fotografisches Verfahren, mit dem Bilder auf einer silberbeschichteten Kupferplatte fixiert werden konnten. Anonyme Persönlichkeiten, adrett zurechtgemachten Männern und Frauen, Kindern und Zwillingen die ein Erinnerungsstück produzieren wollten und nun der Geschichte von Mauritius ein Gesicht geben.

 

Die Museumsgründer haben in ihrem Schauraum auch die älteste existierende Daguerreotypie Afrikas und der südlichen Erdkugel: Ein Portrait, aufgenommen von Jules Léger aus dem Jahr 1840. Léger zog zwar 1846 weiter nach Südafrika, seine Fotografie blieb aber auf der Insel. Auch gehört jene Kamera in die Bréville-Sammlung, mit denen seit dem 19. Jahrhundert Tag für Tag vornehmlich Einwanderer aus Indien portraitiert wurden, um sie zu registrieren.

 

Und auch eine andere Superlative ist im Fotoarchiv der Brévilles zu finden: das erste gedruckte Zeitungsblatt aus dem Jahr 1773, das für den Massenumlauf auf Mauritius und benachbarten Inseln bestimmt war. Es ist die Erstausgabe der Annonces, Affiches et Avis, deren Verbreitung in den zu der Zeit noch französischen Kolonien Iles de France (vorheriger Name von Mauritius) und der Ile de Bourbon (heute: Ile de la Réunion) diente.

Erst im Jahr 1800 erschien in Südafrika die erste Zeitung des Festlandkontinents.

 

In dieser Pioniertradition stand auch Tristan Bréville, er fotografierte die letzte Fahrt der Eisenbahn auf Mauritius, 1964, die Unabhängigkeitsfeierlichkeiten 1968 und deren Jahrestage. Er dokumentierte das einfache Leben auf dem Land und am Rande der Plantagen in den frühen 1980ern und das Leben in Chinatown. Er war beim Brand 1993 anwesend, der einen Teil des ca. 500 qm großen chinesischen Viertels zerstörte und das Archiv der chinesischen Handelskammer in Schutt und Asche legte. Er fotografierte die Entstehung der sogenannten Ebène CyberCity in den 2000er Jahren, die südlich der Hauptstadt hochgezogen wurde und von namhaften IT-Firmen genutzt wird.

 

Tristan Bréville verstarb 76-jährig vor über einem Jahr, im März 2022, in einer für das Museum schwierigen Zeit. Die Corona-Epidemie und die Einstellung des kompletten Reiseverkehrs für viele Monate setzten dem privatgeführten Museum zu. Marie-Noelle Bréville betont, dass sie dennoch und ohne staatliche Förderung überlebt hätten, aber nun das Geld an allen Ecken und Enden fehlt. Die wenigen Eintrittsgelder und der kleine Shop, in dem die Familie Postkarten, Fotografien und Bücher verkauft, können da kaum helfen. Viielleicht wäre die Gründung eines Freundeskreises hilfreich.

 

Den kulturellen Schatz, der im Fotomuseum versammelt ist, gilt es zu bewahren – es ist die Geschichte der Insel, die Geschichte der Fotografie und die Lebensgeschichte der Familie Bréville.


Fotografiemuseum Mauritius

Photographic Museum of Mauritius/Musée de la Photographie Ile Maurice, Rue du Vieux Conseil, Port Louis, Mauritius

Geöffnet: Mo.-Fr. 10-15 Uhr

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