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CF: Max Windmüller stammt aus einer jüdischen Familie aus Emden, und da in der Stadt die Nationalsozialisten genauso gewütet haben wie anderenorts auch, war es möglicherweise ein Glück, so grenznah zu sein. Hatte das irgendeinen Einfluss auf die frühe Flucht?

 

EB: Max Windmüllers Mutter hatte eine Schwester in Groningen, die Familie lebte also in Ost- und Westfriesland. Das war die altevidenteste Möglichkeit, Deutschland zu verlassen. Die ganze Familie konnte ins Ausland und blieb aber in der Familie. Wenig später zogen Windmüllers nach Assen und die Kinder gingen wie erwähnt auf die Bauernhöfe. Auch noch nach 1939 und nach dem deutschen Einmarsch im Mai 1940 blieb die Familie in Holland, wurde dann aber verhaftet. Max’ Eltern und der älteste Bruder Salomon wurden in Auschwitz ermordet, Isaak schaffte es nach Palästina und Max selbst ging in den Widerstand. Aber auch er war ein paar Tage im Durchgangslager Westerbork, konnte aber fliehen, was symptomatisch für ihn war, denn er kam wohl öfters in Situationen, in denen er schnell reagieren musste. Ich glaube alle sind da eher in den Widerstand reingerutscht, als das sie dies strategisch geplant hätten. Und entsprechend unprofessionell bis naiv haben die auch angefangen – und nicht nur angefangen, eigentlich auch im weiteren Verlauf so naiv weitergeführt. Das zeigt sich auch in der Tatsache, und das ist nicht im Film zu sehen, dass sie sich nach der Verhaftung von Joop Westerweel zu Ostern 1944 alle getroffen haben. Ein Verräter, und alle wären sofort verhaftet worden, auf einen Schlag. Doch sie haben sich getroffen, geredet und getanzt und ein wenig Palästina gespielt, in einer fast unglaublichen Naivität.

 

CF: Vielleicht verständlich, fast alle waren noch Jugendliche oder junge Erwachsene und Widerstand hatte sicherlich auch mit Angst, Flucht und Herzklopfen zu tun und da ist die Sehnsucht nach ein wenig normalen Leben in manchen Momenten übergroß...

 

EB: Viele bescheinigen Max Windmüller, dass er ein cooler Typ gewesen ist. Allein, dass er sich in Verkleidung und mit Ausweispapieren eines deutschen Sicherheitsdienst-Mannes durch Holland, Belgien und Frankreich bewegt. Ihm halfen seine Statur und sein nicht-jüdisches Aussehen, sein fast blondes Haar. Und im Ledermantel erweckte er dann einen Eindruck, dass er gar nicht nach seinem Ausweis gefragt wird.
Wenn Windmüller nicht in Paris an das Doppelagenten-Ehepaar geraten wäre, hätte alles gut ausgehen können.

 

CF: Sie haben für den Film, wie anfangs erwähnt, Interviews mit Überlebenden und Mitstreitern von Max Windmüller in ganz Israel geführt. War es einfach, mit denen über deren Erinnerungen zu sprechen?

 

EB: Mit fast allen war es einfach, ins Gespräch zu kommen und an die, die gar nicht sprechen wollten kommt man auch gar nicht ran. Fast alle sprechen gerne über die Zeit und da ich die meisten schon vor zehn Jahren getroffen hatte, waren die Interviews kein Problem. Ein wenig heikel waren die Gespräche mit Windmüllers damaliger Freundin Metta Lande. Sie stellte mir schließlich ihre Tagebücher zur Verfügung und das war dann die geöffnete Tür. Für mich war es nicht ganz einfach damit umzugehen. Ich wollte niemanden verletzen, vielmehr respektvoll mit dem Material umgehen. Keiner meiner Interviewpartner hat allerdings den Film vorweg gesehen.

 

CF: Und alle haben deutsch im Interview gesprochen!

 

EB: Sie sprechen noch viel deutsch miteinander, es sei denn, die Kinder und Enkel sind dabei, dann sprechen sie hebräisch. Bei den Gedenktreffen, in einem Wäldchen südlich von Haifa, wird althebräisch gesprochen – viele der Widerständler hatten nach ihrer Emigration nach Israel zunächst dort in einem Kibbuz gearbeitet und bereits in den 1950er Jahren einen Gedenkort im angrenzenden Wäldchen eingerichtet, den es bis heute gibt. Dort steht ein Gedenkstein mit den eingravierten Namen der Westerweel-Gruppe.

 

 


"Deckname Cor – Die dramatische Geschichte des Max Windmüller". D 2010. Regie, Buch: Eike Besuden. Kamera: André Krüger. Musik: Fabian Teichmann. Redaktion: Angela Sonntag (NDR).
Mit: Marcus Seuß, Pegah Kazemi, Sonja Dengler, Lena Klinder, Christoph Jacobi u.a. Farbe 90 Min. DigiBeta. Prod.: Pinguin Film in Ko-Produktion mit NDR und arte. / Eike Besuden, Rolf Wappenschmitt. DF/GermV.


Eike Besuden wurde 1948 in Wildeshausen bei Bremen geboren. Als Kleinkind kam er gemeinsam mit seinen Eltern nach Ostfriesland. Er machte sein Abitur in Emden und studierte anschließend Soziologie und Germanistik.


Fotonachweis: Alle Headerfotos Rieko Bordeaux, (c) Pinguin Film sowie Gedenkstätte bei Haifa
Portraitfoto Max Windmüller, Quelle: Archiv Arbeitskreis Juden in Emden

 

alt

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