Copenhagen Jazz Festival - eine Stadt atmet Jazz
- Geschrieben von Claus Friede -
Hört man den ganzen Nachmittag, Abend und die Nacht durch Jazz, dann wirkt das morgendliche Glockenspiel der Kirchtürme Kopenhagens wie ein weiteres musikalisch-rhythmisches Angebot.
Das seit 1979 durchgehend und jährlich stattfindende Jazz-Festival der dänischen Hauptstadt ist nicht nur eines des ältesten in Europa, sondern mit seiner Anzahl von 1.200 Konzerten (kein Tippfehler!) in 9 Tagen für jeden Jazzfreund ein Superlativ der Auswahlmöglichkeiten und eine echte Herausforderung. Keine renommierte Institution, ob Museum, Theater, Konzerthaus oder Club, die nicht als Spielstätte dient. Dort treten noch bis zum 14. Juli ebenso renommierte Künstler auf wie Chick Corea, mit dem, in Begleitung von "The Virgil", das Festival eröffnet wurde. Ebenfalls mit von der Partie: Marcus Miller, Dianne Reeves, Palle Mikkelborg und Cassandra Wilson, die ein großartiges Konzert im königlichen Theater abliefert und zu Recht Standing Ovations erhält. In den kleineren Spielstätten sind die Newcomer, Nischenexperten, Experimentierenden und Rahmenprogrammler zu finden.
Kopenhagen ist von Hamburg kaum weiter entfernt als Berlin und so liegt eine Kooperation zwischen den beiden großen Nordmetropolen auf der Hand. Beim diesjährigen Elbjazz Festival kam Ende Mai eine Delegation von dänischen Musikern und die Copenhagen-Jazz-Festivalmacher (CJF) nach Hamburg – an diesem Wochenende hat Hamburg eine eigene Jazz-Bühne im "Skuespilhuset" dem Kopenhagener Sprechtheater. Quasi vis-à-vis des neuen, von Jean Nouvel gebauten Konzert- und Opernhauses, auf der anderen Seite des Hafens und umgeben von Baustellen wie in den Hafenstädten andernorts.
Wo man sonst Macbeth, Woyzeck oder Ophelia lauscht, stehen nun im lichtdurchfluteten, großzügig gebauten Königlichen Schauspielhaus-Foyer an der Wasserfront, Trompeter Nils Wülker mit Band, Sebastian Gille mit seinem Quartett, Pascal Schumacher – ein Dauergast bei Elbjazz – mit dem belgischen Pianisten Jef Neve und die Studentenband "Kehrwieder" auf den Bühne. Letztgenanntes Sextett setzt sich jeweils aus zwei exzellenten Studenten der Hochschulen Hamburg, Amsterdam und Kopenhagen zusammen. Kein Wunder also, dass eines der Stücke den wunderbaren Titel "Ham-ster-hagen" trägt.
Die Bestuhlung reicht bei keinem Konzert aus, die Stage-Managerinnen schleppen Stühle, um es allen Zuhören so angenehm wie möglich zu machen. Die Hamburger Jazzer und das Elbjazz Festival erreichen spielend die wippenden Körper und offenen Herzen des Publikums.
"We see each other - next year", versprechen Tina Heine (Elbjazz) und Christian Dalgas (Copenhagen Jazz Festival) zum Ende des Tagesprogramms. Auch ohne Nebel, Regen und Kälte kann man also Jazz genießen...
Im gesamten CJF-Spektrum ist der Hamburger Auftritt sicherlich nur ein kleiner Tropfen. New Orleans und der US-Bundesstaat Louisiana hat die gute Laune im "Politiken" gepachtet. Die "Soul Rebels" – mit ihrer Mixtur aus Brass, Hip-Hop, Blues und amerikanischem Südstaaten-Schlager, sind zwar gerade überall auf europäischen Festivals dabei (am nächsten Tag mit Auftritt in Roskilde), überzeugen aber nicht wirklich. Nicht alles was musikalisch machbar ist sollte durch den akustischen Fleischwolf gedreht werden. Der Gefahr der Beliebigkeit kann die Show-Truppe nichts entgegensetzen. Immer wieder merkt man die Absicht und ist enttäuscht. So kommt kaum eine unbeschwerte Stimmung im roh belassenen Untergeschoss auf.
Deutlich anders verhält es sich im Konzert mit dem Saxophonisten Charles Lloyd, der mit Schlagzeuger Eric Harland und dem Tabla-Spieler Zakir Hussein im "Statens Museum for Kunst", 90 Minuten eine echte Brücke zwischen Okzident und Orient zu bauen vermag. Feinfühlig, zwischen sonorem, indischen Gesang, Tabla- und Trommelgeschmeichel sowie luftigem Querflötenspiel gelingt den drei Musikern streckenweise hochkarätiges. Es ist anzunehmen, dass nach intensivem Proben das gesamte Konzert - es war erst das zweite mit dieser Formation - so gewesen wäre, denn nicht durchgängig halten die drei diese Qualität hoch. Die Musik ist das eine, die Atmosphäre der Räume das andere. Der neue Anbau des Kunstmuseums mit Glasfassade zum Botanischen Garten und Kaskaden-artig abfallenden Marmorblock-Sitzreihen mit Blick gen Westen, liefert eine nordisch lange Abendstimmung mit Sonnenuntergang direkt ins Haus.
Als ob es mit dem Dunkelwerden mehr auf sich hätte, endet das Konzert schlagartig mit Beginn der Nacht.
Aus jeder zweiten Bar, aus Sälen und von Plätzen tönt Jazzmusik, vieles kostenfrei und für die Besucher angenehm. Es ist ein Kommen und Gehen, ohne Störung – den meisten ungewollten Lärm machen die Ober, wenn sie leergetrunkene Gläser klirren lassen. Im Jazzhouse kann man die Musiker von der Straße aus schon sehen, die Eingangstür ist geöffnet und niemand stört sich an der experimentellen Musik, auch keine Anwohner. Oben Club und Bar, darunter ein Konzertraum mit Tischen wie in einem Varieteetheater. Abwechselnd wird oben und unten musiziert, die ganze Nacht durch, bis dann morgens die Kirchturmspiele läuten.
Diese Stadt atmet Jazz.
Copenhagen Jazz Festival 5.- 14. Juli 2013
Programm und weitere Informationen unter: www.jazz.dk
Fotonachweis:
Header: CJF Foto: Tina Heine
Galerie:
01. Plakat des Copenhagen Jazz Festivals 2013
02. Cassandra Wilson (USA). Foto: © CJF
03. Jean Nouvel: Konzert. und Opernhaus, Kopenhagen. Foto: Claus Friede
04. Nils Wülcker & Band (DE) on stage. Foto: Tina Heine
05. Pascal Schumacher (LUX) und Jef Neve (BE). Foto: Tina Heine
06. „Kehrwieder“-Band (DE/NL/DK), Foto: Tina Heine
07. The Sound of New Orleans. Foto: Claus Friede
08. Soul Rebels (USA). Foto: Tina Heine
09. Charles Lloyd, Zakir Hussain & Eric Harland "Sangam" (USA/IND) Foto: Jonas Pryner
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