Ein digitales Mitteilungsblatt, kurz Newsletter genannt, der sich in Massen und zumeist regelmäßig auf den Weg macht, um sich in den E-Mail-Konten seiner Abonnenten wiederzufinden, ist entweder schnöde Werbung, Marketing oder tatsächlich brauchbare Information.
In der Kultur ist dieser ein probates Mittel, um auf Neuigkeiten, Ausstellungen, Künstler, Konzerte, Veranstaltungen und Verkaufsangebote hinzuweisen.
Seit September 2021 gibt es für Hamburg und sein Umland einen neuen regelmäßigen und für die Abonnenten kostenfreien Kunst-Newsletter, der alle zwei Wochen über Ausstellungen informiert und darüber hinaus auch immer mindestens ein Sonderthema hat. Das kann mal Kunst im öffentlichen Raum betreffen oder einen Künstler vorstellen, dessen Werk oder Werke einen Hamburg-Bezug haben. „Kunstflâneur“ ist dieser Newsletter überschrieben. Ein Herumstreifen, Herumschlendern durch die Kunst – nicht ohne den Müßiggang und eine gewisse Eleganz außer Acht zu lassen.
Stimmt, die Begriffe wirken etwas veraltet, antiquiert und selten benutzt, aber die Reaktivierung ist durchaus sinnvoll und die Art und Weise gänzlich auf Höhe der Zeit. Im Zusatz heißt es dann zum Titel: „Das neue Online-Kunstmagazin für die Metropolregion Hamburg“.
Andere Newsletter heißen moderner oder sachlicher „ArtJunk“ – für Düsseldorf, Köln, und das umgebende Rheinland – und wird von Benny Höhne verantwortet, in Berlin gibt es „Index Berlin“ von Kirsa Geiser und „Kultur24 Berlin“ – dieser bezieht sich auf mehrere kulturelle Felder – von Holger Jacobs herausgegeben. Zumeist werden derlei Initiativen von Einzelpersonen oder kleinen Teams gegründet und geführt.
Für den „Kunstflâneur“ ist die in Hamburg ansässige Kulturwissenschaftlerin Andrea Möller verantwortlich. Sie sammelte viel Erfahrung in ihrer Agentur „Büro Möller“ in den Bereichen der Kommunikationsberatung und überhaupt dem Networking für Kultur, Design, Architektur und Stadtentwicklung. Und auch zuvor als Gründungsteam-Mitglied der Deutsche Guggenheim, Berlin, Projektkoordinatorin und zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit für Kunst-am-Bau-Wettbewerbe der Regierungsneubauen und des Bundesrats in Berlin sowie für das ARD-Hauptstadtstudio sammelte sie Know-How. Schließlich arbeitete sie parallel ab 1999 bis zu ihrer eigenen Agenturgründung 2005 als Pressesprecherin der drei „stilwerk“-Häuser Hamburg, Berlin und Düsseldorf.
Nach dem Grund gefragt, warum sie in einer Zeit der Newsletter-Schwemme einen solchen ins Leben ruft, antwortet Andrea Möller: „Nachdem ich für eine Galerie in der Öffentlichkeitsarbeit tätig war, ist mir immer deutlicher aufgefallen, dass es in den traditionellen Printmedien, aber auch in deren Online-Foren zu einem immensen Abbau von Kulturthemen und Hinweisen, insbesondere quantitativ kam. Viele Kultur-Journalisten schreiben und berichten nur noch über Ausstellungen in den großen Häusern, aber die kleineren Institutionen, wie Galerien, Show-Rooms und Off-Spaces tauchen kaum noch auf. Ich fragte mich also wie man die Fachleute und die interessierte Öffentlichkeit informieren könnte. Das, was ich über die aktuellen Geschehnisse wusste, wussten die meisten in meinem Freundes- und Bekanntenkreis nicht. Davon ausgehend entwickelte ich einen digitalen Informationsdienst, der mittlerweile immer mehr Menschen darüber in Kenntnis setzt, was an zeitgenössischen Ausstellungen in Hamburg los ist und welche nationalen und internationalen Newcomer relevant sind. Andererseits dient es auch eben den vorher genannten kleinen Ausstellungsräumen an die Öffentlichkeit zu gelangen. Ich habe lange auch mit den Ausstellungsmachern und Galeristen darüber gesprochen, was sie sich wünschen würden und welche „Storytellings“ sinnvoll wären – Länge von Texten und Abbildungen, ja oder nein – sowie in welchen Rhythmus der Newsletter erscheinen sollte. Dadurch dass die Texte von den Künstlern oder von den Institutionen direkt kommen, liest sich der Newsletter entsprechend vielfältig.
Am Ende des „Kunstflâneurs“ gibt es im Teil „Last Chance“, eine Erinnerung, wenn man noch schnell eine Ausstellung sehen möchte, die kurz vor dem Ende ihrer Laufzeit steht.
„Die Auswahl, welche Ausstellungen aufgenommen werden“, erläutert Möller weiter „obliegt mir. Bei der immensen Auswahl an Ausstellungen muss ich als Katalysator dienen.“
Nun denkt die Newsletter-Herausgeberin räumlich über die Stadtgrenzen hinaus und spricht von der Metropolregion – wie auch immer man diesen Begriff abgrenzen kann. Sie tut es, indem sie sagt: „Alles was man mit dem HVV noch erreichen kann liegt innerhalb meiner Sphäre. Das kommt gut an, denn ich bekam beispielsweise nach meinen Tipps mit dem „Camp Reinsehlen“ in Schneverdingen und den Skulpturen von Jeppe Hein viel positives Feedback: „die Heide blühte“, „ein toller Ausflug“, „inspirierend“ oder „das kannte ich noch gar nicht“. Mittelfristig plane ich allerdings dies auszubauen, sodass Bremen, Lübeck und Kiel ebenfalls im Fokus stehen und dann auch im wöchentlichen Erscheinen. Dazu bedarf es aber unter anderem noch Kapital.“
2.000 Abonnenten – mit einer Öffnungsrate von 48% – erreicht Andrea Möller mit dem „Kunstflâneur“ – das ist ausbaufähig. Im Vergleich zum „Kultur24 Berlin“-Newsletter mit 12.000 bei einer Öffnungsrate von 25% nach acht Jahren sieht man, was möglich ist. „Im Moment habe ich täglich Zuwachs an Neuanmeldungen. Man erkennt zwar an der E-Mail-Adresse nicht eine Altersstruktur, aber meine erste Recherche ergab, dass die Abonnenten zwischen 17 und 77 Jahre alt sind. Es sind Kuratoren, Künstler und Designer, Sammler, Kunstinteressierte und regelmäßige Besucher der Stadt, um nur einige zu nennen…“
Finanziert wird der „Kunstflâneur“ über vier Werbebannerplätze – auch hier muss die Verhältnismäßigkeit zwischen redaktioneller Arbeit und finanziellem Ausgleich gegeben sein.
Auf die Frage, ob es ein Netzwerk oder eine Art Dachverband solcher Kunst-Newsletter-Herausgeber gibt, sagt die Kulturwissenschaftlerin: „Soweit ich weiß, gibt es kein Netzwerk, allerdings erfuhr ich aus einem Telefonat mit einem Kollegen, dass so etwas in Planung ist. Zu bedenken ist jedoch, dass jeglicher Aufwandsfaktor berücksichtig werden muss, ich glaube, da haben wir alle unsere Begrenzungen. Zurzeit arbeite ich volle anderthalb Tage am Newsletter und mehr Zeit kann ich nicht aufbringen neben all den anderen Aufgaben.“
„Kunstflâneur“
Newsletter für zeitgenössische Kunst
Weitere Informationen und Anmeldung zum Newsletter (Homepage)
Instagram @kunstflaneur_hamburg
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