Ab 17. Juli wird nicht mehr verreist, dann ist ein Monat lang Kultur-Urlaub in Hamburg angesagt!
Niemand, aber auch wirklich niemand in dieser schönen Stadt soll in diesem Sommer an Kultur vorbeikommen! Das ist das erklärte Ziel von Carsten Brosda. Bei herrlichem Sonnenschein stellte der Kultursenator Hamburgs gestern im Oberhafen den „Kultur Sommer Hamburg“ vom 15. Juli bis 16. August vor: Über 700 Veranstaltungen – von Duvenstedt bis Wilhelmsburg, von Osdorf bis Bergedorf.
In 39 Stadtteilen werden mehr als 100 Orte bespielt, dennoch gibt es einige Kulturzenten, wie den Spielbudenplatz, das Gängeviertel, das Kraftwerk Bille, Planten und Blomen, Kampnagel. Und natürlich auch das Kreativquartier Oberhafen, das sich immer mehr als kreativer Motor der Stadt etabliert. Bald (leider) schon kein Geheimtipp mehr: Das Sonnendeck im Oberhafen. Hier werden „Hans Resonanz“, das Ensemble Resonanz unterstützt von der Hanseatischen Materialverwaltung, abendfüllende Konzerte mit Künstler*innen wie Jacques Palminger, Grup Simsek, oder Decoder Ensemble bieten (4. - 21. August).
Man kann nur staunen was die Kulturbehörde und die Kreativen der Stadt hier in kürzester Zeit an Programm aus dem Boden gestampft haben! Die Idee dazu entstand ja erst vor wenigen Wochen, dann gab es einen Aufruf, Projekte einzureichen - und alle, die monatelang unter dem Lockdown gelitten hatten, schüttelten den Mehlstaub von der Seele, schalteten ihre Screens aus und fingen an in Windeseile Ideen für den Neustart zu entwickeln. Alle Bereiche der Kultur sind dabei: Musik, Kunst, Film Literatur, Theater, Kinder- und Jugendkultur. Nicht alles wurde neu erfunden, etliche Veranstaltungen wie das Sommerfestival auf Kampnagel sind längst etabliert, aber in dieser Form und dieser Fülle ist der Kultursommer ein echter Meilenstein und setzt Maßstäbe für die Zukunft!
Die meisten Darbietungen finden unter freiem Himmel statt, das ist dann auch mit Corona verträglich. Und, nicht minder wichtig: Dies ist kein Festival mit internationalen Stars, die mal eben einfliegen. „Dieses Fest ist ein Fest von und für Hamburger und ihre Gäste“, betont Carsten Brosda. Mindestens 75 Prozent der Programmbeiträge, da haben sich die unterschiedlichen Veranstalter verpflichtet, müssen aus der regionalen Szene kommen, von Hanseatischen Künstlerinnen und Künstlern, die so lange Auftrittsmöglichkeiten ersehnt haben.
Die Eröffnung findet kommenden Donnerstag, den 15. Juli, ab 18 Uhr auf dem Spielbudenplatz statt. Unter dem Motto „Eine Bühne für St. Pauli“ wird der Platz zu einem riesigen Freilufttheater, das einen Monat lang die Diversität eines der lebendigsten Viertel Deutschlands gefeiert. Zudem startet Corny Littmann das 1. Internationale Spielbudenfestival (23. - 25. Juli 2021) mit Schaustellern und Kuriositätenkabinetten, die an die bewegte Geschichte des Platzes erinnern.
Ein echtes Highlight verspricht das spektakuläre Hochhauskonzert „Himmel über Hamburg“ der Dresdner Sinfoniker auf den Dächern der Lenzsiedlung und des SV Grün-Weiß Eimsbüttel in Eimsbüttel/Stellingen zu werden (17. Juli, 19 Uhr). In 40 Metern Höhe kommen u.a. 16 Alphörner, neuen Trombeten, vier tubas und ier chinesische Dà Gu-Trommeln zum Einsatz.
Die mehr als 700 Veranstaltungen aufzuzählen, die ab Mitte Juli bis Mitte August Hamburg in die heimliche Kulturhauptstadt Europas verwandeln, würde selbst digital den Rahmen des Zumutbaren sprengen. Also nur noch ein paar kleine Eindrücke zur Einstimmung:
Open-Air-Theater gibt es beispielsweise auf dem Hamburger Rathausmarkt, im Innenhof der WIESE an der Wiesenstraße, bei Planen und Blomen und von der Freien Volksbühne Rothenburgsort auf dem dortigen Marktplatz.
Musiktheater unter freiem Himmel bietet das Opernloft mit „Oper am Kai“ (da sollte man sich beeilen, die Karten sind heißbegehrt, der erste Abend ist schon ausgebucht), da Allee Theater mit seiner „Oper im (Hammer) Park“ und das Projekt „WELT.BÜHNE – Hamburger Barock mit verschiedenen Produktionen in Hamburger Parks.
Das Literaturhaus und insgesamt 16 Autor*innen zieht es aufs Wasser: „Auf Kurzreise mit…“ (u.a.) Regula Venske und Till Hein, Nora Luttmer und Till Raeter, Simone Buchholz und Bernd Begemann, startet der historische Alsterdampfer „St. Georg“ zur spanenden, besinnlichen oder vergnüglichen Lesefahrt auf die Außenalster. (3. und 4. August.).
Der Kunstverein Hamburg veranstaltet ein „Easterfield Festival“ in der Osterfeldstraße – auf dem Geländer der ehemaligen Galerie Levy – mit einem Mix aus Installationen, Performances, Musik, Film und Vorträgen. Während der gesamten Laufzeit ist ein Skulpturenpark tagsüber kostenlos zugänglich.
ART OFF HAMBURG, eine Initiative freier Kunstorte, bietet vom 30. Juli bis 5. September kostenlose Spaziergänge zu rund 20 Ausstellungsorten in verschiedenen Stadtteilen an. An den Rundgängen sind über 400 Kunstschaffende beteiligt, die ihre Besucher u.a. mit Konzerten, Performances, Tanz und Literatur unterhalten. Für Kinder und Jugendliche gibt es besondere Ausflüge.
Spannend sind auch die Orte, die man sonst kaum auf dem Schirm hat, wie die Elbinsel Kaltehofe, die zu einem Open-Air-Fahrradkino lädt (19. Juli.-1.August). Oder das Gelände des Rudervereins Bille. Hier baut die Galerie Oel-Fruehl eine alte DDR-Datscha, das „Haus Seepferdchen“ auf. Sie tourt als mobile künstlerische Plattform durch die Lande und wird unter dem Titel „Hippocampus“ ein interdisziplinäres Kunstprogramm bieten.
Kampnagel verlässt seine angestammten Barmbeker Hallen und erweitert das Programm des Internationalen Sommerfestivals auf die ganze Stadt. So bespielt etwa der Hamburger Performance-Spezialist LINGNA das ehemalige Kaufhof-Gebäude in der Mönckebergstraße: „Die Gespenster des Konsumismus“ heißt seine performative Reise in die Zukunft der Innenstädte. (4.8.-15.8.) Und die sieht in der Tat wenig rosig aus. Aber noch lange nicht so schlimm, wie die Gegenwart in anderen Ländern. Am Alsterufer Schwanenwik empfindet die Künstlerin Razan Sabbagh die Haftbedingungen in syrischen Gefängnissen nach. Ein Beitrag, der nachdenklich stimmt und gleichzeitig dankbar. Dankbar dafür, wie gut es uns hier geht und dass wir solche Gefängnisse nur als Kunstprojekt erleben. Sabbaghs „Performance 30x30“ ist ein Beitrag des Ausstellungsprojektes „Designed for Protest“, eines von zwei Projekten, mit denen sich das Museums für Kunst und Gewerbe an zwei Festival-Wochenende einbringt (23. Und 24. Juli).
Wer übrigens gar nicht zum Kultursommer kommen kann, der bekommt Besuch: Das Team des Schrødingers schickt einen umgebauten Musik-Truck durch Hamburg und bringt Musik gezielt in Seniorenheime, aber auch zu Kindern und Jugendlichen, die ansonsten wenig Berührung mit Kultur haben.
Kurz, der Kultursommer Hamburg ist eine „Explosion an Kreativität nach dem Lockdown“, wie Corinne Eichner, Geschäftsführerin von Stadtkultur Hamburg, sagte. Es sei „ein Rausch, ein Glücksgefühl“, die ganze Vielfalt und Lebendigkeit der Kreativen Szene Hamburgs wieder ganz analog und in Farbe erleben zu dürfen. Wohl wahr! Und bei einem Projekt wird der Kultursenator nicht nur Reden schwingen, sondern künstlerische involviert sein – und zwar beim „Knust2Go“ auf der Rollschuhbahn Planten un Blomen, dem „neuen Ort für Hamburger Livekultur“, wie der legendäre Musikclub ankündigt. Was Carsten Brosda da allerdings macht, das hat er noch nicht verraten. Es hilft nix, da muss man einfach hin und selbst gucken. (14. und 15. August)
Kultursommer Hamburg
Veranstaltungen und Tickets
Der Veranstaltungskalender für den Kultursommer steht online unter www.kultursommer.hamburg. Die Veranstalter*innen stellen dort nach und nach ihre Projekte ein. Der Kalender wird täglich aktualisiert. Eine Vorbuchung von Eintrittskarten ist bei vielen Veranstaltungen online möglich und wird für eine bessere Planung empfohlen. Dafür sind die Websites der Veranstaltenden im Veranstaltungskalender direkt verlinkt. Für die Buchung wird eine Bearbeitungsgebühr berechnet, die je nach Veranstaltung variiert.
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