Bildende Kunst
Feuerbachs Musen – Lagerfelds Models

„Geld ist schön, wenn man nicht darüber sprechen muss“, lautet ein Bonmot von Karl Lagerfeld.
Bei der Eröffnung der Doppelschau „Feuerbachs Musen – Lagerfelds Models“ in der Hamburger Kunsthalle musste der Modezar nicht über Geld sprechen. Es reichte, sich vor der mit Audi- und Deutsche-Bank-Logos übersäten Sponsorenwand fotografieren zu lassen, um klarzumachen, was Kunsthallen-Chef Hubertus Gassner wohl auf die Idee brachte, Lagerfelds prätentiös-kitschigen Fotozyklus „Moderne Mythologie“ (2013) den romantisch verklärten Frauenbildnissen Anselm Feuerbachs gegenüberzustellen. „Das Verhältnis von Kunst und Mode“, sowie den „Schönheitsbegriff zwischen Entertainment und individuellem Schöpfertum“ zu hinterfragen, wie der Direktor betonte, war es vermutlich nur am Rande.

Gemeinsamkeiten über Kunstgattungen und Epochen hinweg, die gibt es natürlich zwischen Modeschöpfer und Historienmaler. Beide sind dem Schönheitsbegriff der Antike verpflichtet. Der Deutsch-Römer Anselm Feuerbach (1829-1880) war geradezu besessen davon. Anna Risi, seine glutäugige „Nanna“, die er in 1856 in Italien kennen- und lieben lernte, war als „perfekte Inkarnation antiker Schönheit“ seine Muse und größte Inspirationsquelle. Er malte sie immer und immer wieder, vorwiegend im Halbprofil – als Bacchantin, als Blumenmädchen, als Iphigenie. Über 30 Porträts entstanden, die meisten sind in dieser Ausstellung zu sehen. Ebenso die Porträts von Lucia Brunacci, Nannas zum Verwechseln ähnlichen Nachfolgerin. Keine Frage: Maler und Muse gingen jeweils eine symbiotische Verbindung ein. Man spürt in den Bildern Feuerbachs tiefe und aufrichtige Verehrung für diese beiden Frauen.

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Auch Lagerfeld fand sicher Gefallen an seinen beiden makellos schönen Fotomodellen, Baptiste Giabiconi und Bianca Balti. Insbesondere an dem Franzosen, der 2009 sein ständiger Begleiter wurde und 2011 als erstes männliche Model in einem Pirelli-Kalender auftauchte (als Apollon und Narziss). Heute ist der Frauenschwarm übrigens ein erfolgreicher Musiker.

Im Sockelgeschoss der Galerie der Gegenwart trifft man gleich im ersten Raum auf den verführerischen Jüngling – aufreizend in Pose gestellt, mit gespreizten Beinen und freiem Blick auf das Gemächt. Diese Akte erinnern an die frühen Aufnahmen des Fotopioniers Wilhelm von Goeden (1856-1931), der seine homoerotischen Akte vornehmlich mit antikisierenden Kulissen und Kostümen in Szene setzte. Lagerfelds technisch brillanten und unerhört aufwendig auf silber- und goldfarbenen Leinwänden gedruckten 60 Fotografien gehen in die gleiche Richtung. „Daphnis und Chloe“ sind so trivial und seelenlos in Szene gesetzt – man spürt, dass es vor allem darum geht, Haut zu Markte zu tragen. Trotz des enormen Aufwandes (das Fotoshooting in Südfrankreich hat ein Vermögen gekostet) hat Lagerfeld leider nicht mehr als künstlerisch verbrämte, zuckrige Pin-Ups für die Upperclass zustande gebracht. Schade, die bezaubernde Liebesgeschichte des Dichters Longus aus dem 3. Jahrhundert um die beiden vermeintlichen Hirtenkinder hat es nicht verdient, zur bloßen Requisite zu verkommen.

Anselm Feuerbach aber hat den großen Auftritt. Wer diesen bedeutenden und lange Zeit kaum beachteten Künstler bislang als süßlich-pathetischen Salonmaler abgetan hatte, wird ihn im Kontrast zu Lagerfelds Antiken-Adaption in völlig neuem Licht sehen. Man atmet geradezu auf, wenn man den Raum wechselt und „Das Urteil des Paris“ (1870), Feuerbachs großformatiges Hauptwerk aus der Kunsthallen-Sammlung erblickt. Wer hätte das gedacht? Nach Lagerfelds Fotokitsch ist Feuerbachs Malerei ein Labsal.

Nein, Hubertus Gassner hat sich mit dieser Ausstellung sicher keinen Gefallen getan. Und Karl Lagerfeld? Der eigentlich auch nicht, aber das wird ihn nicht weiter stören. Ihm ging es um den großen Auftritt und den hat er gehabt. Alles andere schert den nunmehr geschätzt 80jährigen Modezar, der um sein Alter ebenso ein Geheimnis macht wie um sein Privatleben, sicher wenig. Als Couturier hat „König Karl“ längst Geschichte geschrieben, davon zeugt derzeit die hervorragend inszenierte Ausstellung „Mythos Chanel“ im benachbarten Museum für Kunst und Gewerbe. Seit 1983 ist der gebürtige Hamburger künstlerischer Direktor des Hauses Chanel, schaffte es nach dem Tod von „Mademoiselle“, wie sich Coco Chanel (1883-1971) zeitlebens nennen ließ, das angestaubte „Flaggschiff“ wieder auf Erfolgskurs zu steuern und über 30 Jahre als Top-Marke zu halten. Unter dem Titel „Chanel nach Chanel“ sind Karl Lagerfelds Modekreationen im MKG ein eigener Raum gewidmet. Und die sind wirklich Kunst.


„Feuerbachs Musen – Lagerfelds Models“, bis 15. Juni 2014,
in der Hamburger Kunsthalle, Glockengießerwall, 20095 Hamburg.
Weitere Informationen


Abbildungsnachweis:
Header: Ausstellungseingang Feuerbach Musen - Lagerfeld Models, Foto: © Franziska Krug
Galerie
01. Anselm Feuerbach : Lucrezia Borgia, Bildnis einer Römerin in weißer Tunika und rotem Mantel, 1864/65, Öl auf Leinwand, 98 x 81cm. © Städel Museum, Frankfurt a. M. Foto: Städel Museum – ARTOTHEK
02. Karl Lagerfeld : Moderne Mythologie, 2013. © 2013 Karl Lagerfeld
03. Anselm Feuerbach: Studienkopf zur Stuttgarter Iphigenie, 1870, Öl auf Leinwand, 62,5 x 49,5 cm. © Museum Oskar Reinhart, Winterthur. Foto: SIK-ISEA (Philipp Hitz)
04. Anselm Feuerbach: Am Strande, Fischermädchen in Antium, 1870. Öl auf Leinwand, 192 x 126,5 cm. © Kunstmuseum Basel. Foto: ARTOTHEK (Martin P. Bühler)
05. und 6. Karl Lagerfeld : Moderne Mythologie, 2013. © 2013 Karl Lagerfeld
07. Blick in die Ausstellung Feuerbach Musen - Lagerfeld Models, Foto: © Franziska Krug
08. Anselm Feuerbach: Das Urteil des Paris, 1870, Öl auf Leinwand, 228 x 443 cm. © Hamburger Kunsthalle / bpk. Foto: Elke Walford (Ausschnitt/Detail)
09. Anselm Feuerbach: Ruhende Nymphe, 1870, Öl auf Leinwand, 112 x 190 cm. © Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Leihgabe Privatbesitz. Foto: Monika Runge
10. und 11. Karl Lagerfeld : Moderne Mythologie, 2013. © 2013 Karl Lagerfeld
12. Blick in die Ausstellung Feuerbach Musen - Lagerfeld Models, Foto: © Franziska Krug

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