Bildende Kunst

Im mecklenburgischen Schwaan wird das Werk Alfred Heinsohns vorgestellt.

Wer kennt Alfred Heinsohn? Nicht viele; oder doch nicht genug. Und wer kennt die „Kunstmühle“ in Schwaan? Wohl auch nicht sehr viele außerhalb von Mecklenburg-Vorpommern.

Die erste Ausstellung überhaupt, die das Gesamtwerk Heinsohns vorstellt, kann man sich jetzt in dem kurz vor Rostock gelegenen Schwaan anschauen. Der Besuch lohnt sich!

 

Schwaan ist nur eine kleine Stadt, und die Landschaft ist recht schön, aber nicht eben spektakulär – so ist es nicht der Ort, an dem man eine Künstlerkolonie vermuten würde. Trotz der zwar schmal dahinfließenden, sehr hübsch von Buschwerk gerahmten Warnow… Und doch; eine Künstlerkolonie hat es zu Beginn des 20. Jahrhunderts eben in Schwaan gegeben, und Alfred Heinsohn, 1875 in Hamburg geboren, war ihr vielleicht wichtigster Protagonist – neben Rudolf Bartels (1872-1943), Peter Paul Draewing (1876-1940) und Franz Bunke (1857-1939). Die jetzige Ausstellung – eine Kooperation des Landesmuseums mit dem Kunstmuseum Schwaan – gibt einen Überblick über sein äußerst vielgestaltiges und interessantes Werk.. Gezeigt werden insgesamt 112 Bilder von ganz klein bis hin zu großen Ölgemälden, von realistischen Naturgemälden aus seiner ersten Zeit bis hin zu Experimenten, die den Einfluss van Goghs nahelegen und sogar bis zur Abstraktion oder zum Expressionismus führten.

 

Die Ausstellung beginnt mit dem Spätwerk und geht dann in wenigen Schritten zum Ausgangspunkt zurück, seiner Ausbildung in Weimar, die er dort mit seinen späteren Kollegen und Freunden genossen hat. In Weimar wurde er zu dem Landschaftsmaler, der er immer geblieben ist, allen Veränderungen seines künstlerischen Profils zum Trotz. Seine Vielseitigkeit und sein großes technisches Können lassen sich unter anderem an einigen sehr eindrucksvollen Seestücken ablesen. Aber viel wichtiger für ihn war seine Vorliebe für den Wald, und nicht wenigen Besuchern scheinen seine noch vom Impressionismus geprägten Bilder eines hohen Buchenwaldes mit seinem von Lichtflecken gemusterten Bodens besonders zu gefallen. (Merkwürdigerweise spricht der Bildtitel von Linden.) Etwas ganz anderes sind dann seine auf grobe Leinwand gemalten, auf Stämme und runde Wipfel reduzierten Bäume, die er einfach nur noch »Wald« nannte – sie gehören zu seinem Spätwerk.

 

Bis zum Ende des 1. Weltkrieges, an dem er als Soldat teilnehmen musste, war er dank seiner gutsituierten Eltern und deren Geschäft, das sein Bruder weiterführte, finanziell abgesichert – so sehr, dass er sich sogar eine Villa nach eigenen Entwürfen am Ufer der Warnow leisten konnte. Später, als die väterliche Firma Konkurs anmelden musste, kam er schnell in finanzielle Schwierigkeiten und zog zurück nach Hamburg, wo er Künstlern des Expressionismus begegnete. In der Ausstellung kündet ein stark an Emil Noldes Blumenbilder erinnerndes, mit leuchtenden Farben prunkendes Gemälde von dieser Zeit. Daneben hängt ein, wie in Gift getauchtes Bild, das den wohl expressionistischen aller expressionistischen Titel trägt, nämlich einfach nur „Menschen“ heißt und eine sehr pessimistische Sicht demonstriert.

 

In Hamburg wurden auch Steinstraße und Mönckebergstraße porträtiert, und dazu entstand eine ganze Reihe von Bildern im Hafen (auch Nolde hat dort gemalt – allerdings 1910, also mehr als ein Jahrzehnt vorher) und dazu im Gängeviertel, das in Rudimenten noch vorhanden gewesen ist. Eines dieser Bilder zeigt den „Rademachergang“. Während viele Bilder seiner impressionistischen Phase das Licht zu sehr feiern – manche wirken fast überbelichtet wie schlechte Fotos, und ein weißer Rahmen betont noch zusätzlich das Übermaß an Licht –, übernimmt hier ein pessimistischer Blick auf die Welt das Kommando, denn nicht wenige Bilder zeigen das enge, verarmte und sehr dunkle Hamburg, das nach und nach abgerissen und ersetzt wurde. Sie wirken, als habe sie der Künstler als Illustrationen von Kafkas Romanen vorgesehen. Besonders gilt das für „Stadteinsamkeit“ mit seinem giftig-gelben Licht auf Treppenstufen – wäre „Das Kabinett des Doktor Caligari“ von 1920 nicht ein Schwarzweiß-Film, er hätte eben diese Farben in seinen berühmten Kulissen verwendet.

 

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Heinsohn muss ein außergewöhnlich experimentierfreudiger Künstler gewesen sein. Das gilt für den Stil seiner Bilder, aber auch für die technische Bewältigung seiner Motive. Unter anderem malte er auf grobem Sackleinen, auch, um die Struktur des Leinens in seine Bilder aufzunehmen. Vielleicht noch interessanter war seine Hinwendung zu kleinen und kleinsten Formaten – unter der Überschrift „Große Kunst im Kleinstformat“ wird eine ganze Reihe von geradezu winzigen Bildern (teils nur 5 x 7 cm) gezeigt, die er selbst gerahmt hat und die eventuell als Skizzen für geplante Ölgemälde gedacht waren. Oder war es der hohe Preis für Ölfarbe, der ihn den schweren Zeiten das Format seiner Bilder reduzieren ließ? Plausibel scheint das schon, aber vielleicht gibt es noch eine dritte Möglichkeit: Nicht allein der Maler hatte zu wenig Geld, auch seinen Kunden fehlte die Barschaft, und so könnte die Reduktion der Bildgröße und damit des Preises eine Spekulation auf die finanzielle Situation der Interessenten gewesen sein.

 

In dieser unbedingt empfehlenswerten Ausstellung findet man eine ganze Reihe teils außerordentlich schöner Bilder, die an dem technischen Können des Malers so wenig zweifeln lassen wie an seiner künstlerischen Phantasie. Wie kommt es, dass er so wenig Erfolg hatte? Nach entbehrungsreichen Jahren nach dem Krieg, die er in Hamburg verbrachte, schied der verarmte Heinsohn 1927 freiwillig aus dem Leben. Wer nur an den Bildern seines letzten Jahrzehnts vorbeigeht, der mag gar nicht glauben, dass ein einzelner Künstler so viele verschiedene Stile beherrschte und sich gegenüber so vielen Richtungen offen zeigte. Vielleicht war das ein Grund für seine Erfolglosigkeit: Es war und ist schwierig, die Bilder sogleich als Werke Alfred Heinsohns zu identifizieren, denn eine eigene Handschrift ist nicht immer erkennbar, so schön und interessant viele seiner Gemälde zweifellos sind.


„Alfred Heinsohn – Maler der Moderne”

Zu sehen bis zum 28. November 2021

Im Kunstmuseum Schwaan, Mühlenstraße 12, in 18258 Schwaan

Öffnungszeiten:

Montags geschlossen.

Dienstag bis Sonntag: 11 – 17 Uhr

Feiertags: 11 – 17 Uhr

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