Die Fragen, die wir heute stellen, formen das Morgen mit. „Tomorrow is the Question“, so der eigenwillige Titel der Ausstellung in einem der größten Kunstmuseen Nordeuropas, dem ARoS, im dänischen Aarhus, geht mit der Ausstellung zumindest einigen Fragen nach, die unsere Zukunft im Visier haben.
Die Gruppenausstellung internationaler Gegenwartskunst mit 15 Künstlerinnen und Künstlern, soll dazu anregen, über gegenwärtige und zukünftige Probleme nachzudenken und zu diskutieren. Und das tut sie auf vielfältige Weise mit sehr unterschiedlichen Mitteln. Wie mittlerweile üblich, wird der Besucher nicht nur traditionell mit Kunstwerken konfrontiert, sondern auch partizipierend eingebunden. Zusammenfassend gesagt: die Ausstellung ist höchst politisch, beschäftigt sich mit teilweise brennenden Themen unserer Zeit, fordert Handeln und ist gesellschaftlich von hoher Relevanz, denn sie geht von den 17 Weltzielen für nachhaltige Entwicklung der UN aus.
Diese Inhaltlichkeit kommt nicht von ungefähr, wenn man weiß, wer hinter dieser Schau steckt: ART 2030. Dieses in Kopenhagen beheimatete Projekt arbeitet mit der Devise: „Connecting Art and the UN Global Goals“. Hintergrund: Im Jahr 2015 haben die führenden Politiker der Vereinten Nationen die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung und ihre 17 globalen Ziele verabschiedet. Sie fokussieren hierin einen ehrgeizigen und transformativen Plan für den Planeten, die Menschen und das Wohlergehen. Gründerin und Direktorin von Art 2030 ist Luise Faurschou, die „Tomorrow is the Question“ auch in Zusammenarbeit mit dem ARoS-Direktor Erlend G. Høyersten kuratiert hat.
Gleich zu Beginn des Ausstellungsbereiches, einem langgestreckten Foyer-Raum im untersten Stockwerk des Museums, der kaum mit einem Mal zu überblicken ist, finden sich u.a. die großen Silberballons von Tomás Saraceno „Aeroke 5.3: towards an Aerocene epoch (2019), die vom RAQS MEDIA COLLECTIVE erarbeitete Neon-Installation „Revoltage“ (2011), Julian Charrières „Future Fossil Spaces“ (2017) sowie Tischtennis-Platten von Rirkrit Tiravanija, unbetitelt (2019), auf denen man auch aktiv spielen kann. Auf den Platten steht in großen Lettern und jeweils verschiedenen Sprachen: (غداً هو السؤال) (明天才是問題) (tomorrow is the question) (morgen ist die frage) (завтра это вопрос).
Durch einen rotglühenden Raum, der durch Mona Hatoums „Hot Spot“ (2013), einem scheinbar überheizten Neonglobus, geprägt ist, in dem einerseits eine wohltuende Ästhetik, andererseits auf das Klima Desaster aufmerksam gemacht wird. Sie schreibt dazu: „Hot Spot is a very beautiful, delicate aspect to it because the neon is very fragile but at the same time it feel dangerous…” (dt.: „Hot Spot wohnt ein sehr schöner, aber heikler Aspekt inne, denn Neon ist sehr zerbrechlich, fühlt sich aber gleichzeitig gefährlich an…“).
Ein ganz eigenes Mapping, eine im Zwischenraum von europäischer und chinesischer Tusch-Tradition gemalte Kartographie von Qiu Zhijie „Maps of Technological Ethics“ (2017) zeigt wie in einem aus dem Weltall erstellten Atlas, Inseln von Technologien, Biologie, militärischen, medizinischen und wissenschaftlichen Entwicklungen. So heißt ein Gebirge auf der Insel im Meer, das „Sea of Risks“ heißt „Genetic Engineering“ (Gentechnik), ein See daneben „Lake of Pandoras Box“ und die Meeresbucht „Bay of Euthanasia“. Der Name eines Küstenstreifens auf einer anderen Insel, die zur Gruppe der „Islands of New Energy“ gehört, heißt „Nature‘s Revenge“. Zhijie nennt seine Werke „Psychogeographie", Topologien unserer geistigen Realitäten.
Bei der beeindruckenden Installation aus Videoprojektion und Spiegelwänden von Doug Aitken „New Era“ (2018) dreht sich um die Forschung des heute 89-jährigen Martin Coopers, die den Weg für die weltweit verbreitete Mobilfunktechnik ebnete. Seine Sätze: "Hello, my name is Martin Cooper. In 1973, I invented the very first mobile phone. I made a call on 6th Avenue in New York City near the Hilton Hotel. This was the very first public mobile phone call. " („Hallo, mein Name ist Martin Cooper. 1973 habe ich das allererste Mobiltelefon erfunden. Auf der 6th Avenue in New York City in Nähe des Hilton Hotel tätigte ich den ersten Anruf. Dies war das allererste öffentliche mobile Telefonat.“) dienen als Ausgangspunkt.
Das Werk stellt die Frage nach unserer Zukunft in absoluter Konnektivität und Abhängigkeit.
Die in Winkeln zu den Projektionsleinwänden montierten Spiegelflächen vermehren nicht nur die Videosequenzen zu psychodelischen Mustern, sondern auch die Besucher, die sich selbst in der Installation sehen und somit Teil des Werks werden.
Eine kritische Arbeit, wie wir mit unserer Umwelt umgehen, zeigt der Kanadier Edward Burtynsky. Seine Fotoserie von scheinbar ästhetisch wunderschönen Landschaften entpuppt sich als Desaster von Zerstörung, Vergiftung und Gefährdung jedweden Lebensraums. Im kanadischen Norden, dem Land des Öls, der Pumpen und des Geldverdienens startete er seine Fotokarriere.
„Als ich in den 1980er Jahren anfing, Industrielandschaften zu fotografieren, war das aus Ehrfurcht vor dem, was wir als Spezies vorhatten. Unsere Errungenschaften wurden zu einer Quelle unendlicher Möglichkeiten. Aber die Zeit läuft weiter, und der anfängliche Rausch des Wunders begann sich zu drehen. Ich fing an, über die Ölförderung nachzudenken: sowohl als Energiequelle, die alles möglich macht, als auch als Quelle der Angst für die fortwährende Gefährdung unseres Lebensraums.
Wenn wir Natur zerstören, zerstören wir uns selbst!“ beschreibt der Künstler sein Tun.
Ein anderes beeindruckendes Werk ist von dem in Tokio ansässigen Künstlerkollektiv teamLab zu sehen. Die 2001 gegründete interdisziplinär arbeitende Kunstkollektivgruppe bestehend aus „Ultratechnologen“, deren kollaborative Praxis die Zusammenarbeit von Kunst, Wissenschaft, Technologie, Design und Natur zum Ziel hat. Verschiedene Spezialisten aus der Kunstwelt, Programmierer, Ingenieure, CG-Animatoren, Mathematiker und Architekten bilden teamLab.
„Universe of Water Particles, Transcending Boundaries, 2017 / Flowers and People, Cannot be Controlled but Live Together, Transcending Boundaries - A Whole Year per Hour” (2017) ist in der Tat auch deswegen faszinierend weil Raum, Technologie,
künstlerische Aussage und Partizipation eine ganz homogene und natürliche Ausstrahlung verbreiten. Keiner der Einzelbereiche ist dominant, sondern bilden eine gleichwertige Einheit. Die Interaktion ist natürlich von den Besuchern abhängig, ihre Betrachterrolle verlassen müssen und Agierende werden, um das Werk zu beeinflussen, es mit zu kommunizieren, im besten Sinn Verantwortung zu übernehmen.
Verantwortung sollen und müssen wir alle unternehmen, nicht nur bei der partizipativen Kunst, sondern auch bei den Weltzielen der UN und nachhaltigen Entwicklungen, denn nur die positivieren unsere Gesellschaften. In diesem Zusammenhang beschreibt ARoS-Museumsdirektor Erlend G. Høyersten die Zielsetzung: „Es ist für ARoS sehr wichtig, diese Ausstellung in einer Zeit zu zeigen, in der beinahe täglich neue Technologien und Erfindungen entstehen und die Welt zahlreichen Herausforderungen und Problemen gegenübersteht. Wir hoffen, dass diese Ausstellung die Besucher dazu veranlasst, zu träumen, zu diskutieren und Möglichkeiten für eine bessere Zukunft zu entdecken”, beschreibt .
Tomorrow is the Question
Zu sehen bis 4. August 2019Im ARoS, Aros Allé 2, DK-8000 Aarhus, Dänemark
Geöffnet: Di-So 10-17h, Mi 10-22h, Mogeschlossen
Künstlerinnen und Künstler: Alfredo Jaar, Allora & Calzadilla, Cao Fei, Doug Aitken, Edward Burtynsky, Hito Steyerl, Julian Charrière, Mona Hatoum, Olafur Eliasson, Qiu Zhijie, RAQS MEDIA COLLECTIVE, Rirkrit Tiravanija, Simon Denny, teamLab, Tomás Saraceno.
Weitere Informationen
Abbildungsnachweis: ARoS; Tomorrow ist he Question. Alle Fotos: Anders Sune Berg
Header: Universe of Water Particles, Transcending Boundaries, 2017, Interactive Digital Installation, Sound: Hideaki Takahashi. Flowers and People, Cannot be Controlled but Live Together, Transcending Boundaries – A Whole Year per Hour, 2017, Interactive Digital Installation, Sound: Hideaki Takahashi.
Galerie:
01. Alfredo Jaar “Be Afraid of the Enormity of the Possible” (2019)und Mona Hatoum “Hot Spot” (2013).
02. Tomás Saraceno „Aeroke 5.3: towards an Aerocene epoch (2019), im Hintergrund: Rirkrit Tiravanija, unbetitelt (2019)
03. Rirkrit Tiravanija,unbetitelt (2019)
04. Julian Charrières „Future Fossil Spaces“ (2017).
05. Mona Hatoum “Hot Spot” (2013)
06. Qiu Zhijie „Maps of Technological Ethics“ (2017);im Vordergrund: Allora & Calzadilla “2 hose petrified Petrol Pump” (2012)
07. Doug Aitken „New Era“ (2018)
08. Simon Denny “Crypto Futures Game of Life Overprint Collage: 1976 Vintage” (2018)
09. Hito Steyerl „The Tower“ (2015)
10.und 11. Universe of Water Particles, Transcending Boundaries, 2017, Interactive Digital Installation, Sound: Hideaki Takahashi. Flowers and People, Cannot be Controlled but Live Together, Transcending Boundaries – A Whole Year per Hour, 2017, Interactive Digital Installation, Sound: Hideaki Takahashi.
12. Diverse Fotowerke von Edward Burtynsky (2007-2016)
13.und 14. RAQS MEDIA COLLECTIVE „Revoltage” (2011)
Kommentar verfassen
(Ich bin damit einverstanden, dass mein Beitrag veröffentlicht wird. Mein Name und Text werden mit Datum/Uhrzeit für jeden lesbar. Mehr Infos: Datenschutz)
Kommentare powered by CComment