Seit Generationen werden die Hamburger als „Pfeffersäcke“ gescholten, dabei gibt es keine Stadt in Deutschland, die es in Punkto Bürgersinn mit den Hanseaten aufnehmen könnte.
Schließlich ist Hamburg „Stifterhauptstadt“ - mehr als tausend Stiftungen für Bildung, Kunst und Kultur sind zwischen Alster und Elbe ansässig und die Reihe großzügiger Unternehmerpersönlichkeiten ist lang: Kurt A. Körber ließ die Deichtorhallen zum Kunstzentrum umbauen. Helmut und Hannelore Greve schenkten der Stadt einen Universitätsanbau und Verleger Gerd Bucerius das Kunstforum am Rathausmarkt. Keine Stiftung, aber eine ganz ungewöhnliche Partnerschaft zwischen einem Unternehmer und dem Archäologischen Museum ist im Falle der „Bischofsburg“ zustande gekommen.
Gleich hinter der Mönckebergstraße, zu Füßen der Hauptkirche St. Petri am Speersort, liegt das Fundament des ältesten Steinhauses Hamburgs. Heinz Bräuer, Chef der Bäckereikette Dat Backhus, hat seine jüngste Filiale auf dem Denkmal eröffnet – und es damit seinem jahrzehntelangen Schattendasein entrissen.
In unmittelbarer Nähe von St. Petri ließen sich vor über 1000 Jahren die ersten Bauern, Handwerker und Händler nieder. Hier stand vermutlich um 817 die Hammaburg, die Keimzelle Hamburgs. Und hier entdeckte man 1962 einen gewaltigen Steinring von 19 Metern Durchmesser, der ausnahmsweise einmal nicht gleich beseitigt wurde (wie so vieles in der „Freien- und Abrissstadt Hamburg), sondern erhalten blieb und als „Schauraum Bischofsburg“ zur Außenstelle des Archäologischen Museums in Harburg erklärt wurde.
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Für den Direktor des Archäologischen Museums ist die Zusammenarbeit mit Dat Backhus „ein echter Glücksfall“. Weiss hat noch gut die unwirtliche Situation im ehemaligen Gemeindehaus St. Petri vor Augen: „Der Schauraum Bischofsburg hatte den Charakter eines Kellers, schwer zu finden und nur über eine schmale Stiege zu erreichen“. Deshalb war Hamburgs Chefarchäologe auch nicht traurig über den Verkauf und Abbruch des Gebäudes, in dem sich u.a. das gläserne Studio von Radio Hamburg befand: „Das war kein großer Verlust. Meine einzige Sorge galt dem Denkmal. Es sollte auf keinen Fall im Heizungskeller eines Bürogebäudes verschwinden“. Damit das nicht passiert, wurden dem Investor drei Auflagen erteilt: 1. Das Denkmal darf nicht beschädigt werden. 2. Es muss öffentlich zugänglich bleiben. Und 3. Die Öffnungszeiten dürfen nicht eingeschränkt werden. Weiss strahlt: „Durch Dat Backhus werden unsere Vorgaben sogar noch übertroffen – die Bäckerei öffnet bereits um 7 Uhr morgens“.
Die größten Schwierigkeiten, die es zu meistern galt, boten jedoch die Bauarbeiten selbst. „Jeder Schüler, der es wagte, auf die Steine zu klettern, wurde früher zusammengestaucht - und jetzt wurde darüber ein achtstöckiges Gebäude abgerissen.“ Allein die Vorstellung trieb dem Museumsmann „Schweißperlen auf die Stirn“. Was Wunder, dass er auf maximale Schutzmaßnahmen bestand. Zuerst wurde das Denkmal mit einer Plane zugedeckt, danach der gesamte Kellerraum mit Sand zugeschüttet. Um die Lasten der Bagger und Baufahrzeuge besser zu verteilen, kamen zwei Zentimeter dicke Stahlplatten auf die Sandschicht. Eine Konstruktion, die sich bewährte. Als das neue Gebäude stand und der Sand wieder abgesaugt wurde, stellte Weiss erleichtert fest, dass lediglich „ein paar Steine heruntergekullert waren“.
Die bisherige Deutung des Turmfundaments als Überrest des steinernen Hauses von Erzbischof Bezelin-Alebrand (1035-1043), wie sie die Analen der Hamburger Kirchengeschichte nahelegen, ließ sich jedoch nicht beweisen. Ganz im Gegenteil: Die These ist widerlegt. „Bei den umfassenden Ausgrabungen im Vorfeld des benachbarten Kita-Neubaus von St. Petri konnten wir 2008 endlich größere Flächen öffnen und mit modernen Untersuchungsmethoden die zum Bischofsturm zugehörigen Schicht-Pakete sauber datieren und dokumentieren“, erzählt der Altertumsforscher. Demnach stammen die Findlinge nicht aus der Zeit des Bischofs, sondern aus dem späten 12. Jahrhundert und könnten Teile der Stadtbefestigung oder ein Stadttor gewesen sein. „Wir sitzen hier unmittelbar neben der Steinstraße, der ältesten, mit Steinen gepflasterten Straße Hamburgs und dem Heidenwall, der alten Stadtbefestigung. Da liegt die Interpretation als Stadttor oder Torbefestigung sehr nahe“.
Eines hat sich allerdings nicht geändert der „Bischofsturm“ bleibt nach wie vor das älteste Steingebäude Hamburgs und Dat Backhus kann mit Fug und Recht werben: „Beginnen Sie ihren Tag, wo Hamburg begann“.
Bischofsturm in Dat Backhus
Speersort 10, 20095 Hamburg Mo-Fr. 7-19 Uhr, Sa 7-18 Uhr. Telefon: (040) 3037 4063Jeden ersten Montag im Monat findet von 16.30 -18 Uhr ein Rundgang statt, der Einblicke in die Zeit mittelalterlicher Burganlagen zwischen Rathaus, Nikolaikirche und Domplatz gibt.
Treffpunkt: Dat Backhus, Speersort 10. Kosten: 3 Euro pro Person
Abbildungsnachweis:
Header: Fundamentreste Bischofsturm, 1962
Galerie: Innenraumaufnahmen "Bischofsturm" am Speersort. Fotos: Helms-Museum, alle anderen Isabelle Hofmann.
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