Eines der Highlights des Kapitels „Sakraler Raum“, den der Hamburger Architektur Sommer 2009 offeriert, führt die Interessierten nach Schleswig-Holstein.
Mit einer Doppelausstellung eröffnete das Wenzel-Hablik-Museum in Itzehoe seinen Beitrag mit „Mimar Sinan – Meister islamischer Sakralbaukunst“ sowie „Moscheen in Deutschland“.
Mimar Sinan, von dem man die genauen Geburts- und Todesdaten nicht kennt, jedoch anhand von Dokumenten schätzen kann, dass er von ca. 1489 bis 1588 im Osmanischen Reich lebte, gilt als der bedeutendste Baumeister islamischer Architektur. Mit gut 100 gebauten Moscheen wurde er als „Michelangelo des Orients“ bezeichnet und dies, wie man in der Ausstellung sehen kann, zu Recht. Das Deutsche Architekturmuseum (DAM) in Frankfurt/M. stellte die Exponate, die Auskunft über vier der wichtigsten Moscheebauten Sinans geben, zur Verfügung. Wolfgang Voigt, Vizedirektor des DAM bezeichnete diese Präsentation dann auch als beispielgebend, weil die italienischen Professoren Augusto Romano Burelli und Paola Gennaros, die über viele Jahre hinweg sich mit den Bauten Sinans beschäftigt haben und auf deren Zeichnungen die Ausstellung basiert, verdienstvoll die „Loslösung von der seit dem 19. Jahrhundert üblichen abendländisch-eurozentristischen Sehweise“ gelungen sei.
Die farbigen und unterschiedlichen sowie großformatigen Zeichnungen filtern das architektonische Destillat des islamischen Baukünstlers und weisen deutlich nach, dass Sinan keine Kopien der byzantinischen Architektur herstellte, vielmehr verfeinerte er diese. Ihm gelang es, jene Fehler zu vermeiden, die noch heute an der Hagia Sophia evident sind: klobige Stützkörper, verbaute Fassaden, um einen (erneuten) Zusammensturz der großen Kuppel zu vermeiden. Mehr noch schaffte es Mirmar Sinan, eine unglaubliche bauästhetische Harmonie zu verwirklichen, indem er die Verteilung der Lasten verschleierte. Kuppel auf Rechteck - Kreis auf Quadratur gehörten zu den schwierigsten Aufgaben die es damals in der Architektur und dem Ingenieurwesen gab. Seine Bauwerke sowie deren architektonische Details enthalten immer wieder Paradoxien, Überschreitungen klassischer Kodices und wirken als ob sie sich gegen jedwede euklidische Geometrieauffassung behaupten könnten. Ganz deutlich zu sehen ist dies bei seinem Meisterwerk, der „Selimiye-Moschee“ in Edirne, der ehemaligen Hauptstadt des Osmanischen Reichs, dicht an der griechischen Grenze gelegen. Die mächtige und von vier Minaretten umgebene Moschee ist der Höhepunkt im Schaffen: das Testament Sinans.
Wie ein Kontrapunkt dazu steht die zweite Ausstellung „Moscheen in Deutschland“. Zwar bildet sie einem inhaltlichen Zusammenhang, letztendlich greift sie aber die kontrovers geführten Diskussionen in Deutschland auf: Dürfen Moscheen gebaut werden? Und die Antwort der moslemischen Bevölkerung folgt postwendend: „Wir bauen, weil wir hier leben wollen!“.
Aber die Fragen gehen weiter und wollen diskutiert werden: Wie darf eine Moschee aussehen, wo darf sie gebaut werden, wie hoch dürfen die Minarette sein, Kuppel ja oder nein?
Der Architekturfotograf Wilfried Dechau reist seit Mai 2008 durch die Republik und fotografierte bislang acht Moscheen, Innenräume, Besucher, Imame und Betende. Mittlerweile gibt es rund 2.600 Moscheen in Deutschland von äußerst unterschiedlicher Architektur. Den exemplarisch acht islamischen Gebäuden sieht man teilweise gar nicht an, dass sie Häuser des Gebetes und des religiösen Studiums sind - alte Fabrikbauten oder umfunktionierte Gewerbeetagen, die dem Charme einer ungenießbaren Vorstadtarchitektur genügen (Stuttgart, Karlsruhe). Wie selbstbewusst aber auch einige Moscheen dem mitteleuropäischen Kulturkreis entgegentrotzen zeigt sich in Mannheim oder Pforzheim. Dechau bezeichnet diesen Architekturstil als „Heimweh-Moscheen“ und plädiert für die Erfindung einer neuartigen mitteleuropäischen Moscheeform mit neuem Ausdruck und selbstredend nicht minder religiös, denn nur so könne etwas dagegen getan werden, dass weitere Ab- und Ausgrenzungen entstehen und keine Parallelgesellschaft gefördert wird. So verweist der Fotograf auch auf eine fehlende feste Bezeichnung im Islam, wie eine Moschee auszusehen habe. Lediglich die Ausrichtung nach Mekka und die Welt der Ornamentik durch das Abbildungsverbot sind fixe Vorgaben. Weder Kuppel, noch Minarett seien Vorschriften. Und auch dafür, wie diese gelungene neue Moscheenarchitektur aussehen kann, findet er Beispiele: Wolfsburg und die neue Moschee in Penzberg in Bayern. Der Baukörper ist sensibel und unaufdringlich. Auf eine Kuppel hat der Bauherr und Architekt verzichtet und das Minarett besteht aus silberfarbenem Text, wahrscheinlich Koransuren.
„Mimar Sinan – Meister islamischer Sakralbaukunst“ sowie „Moscheen in Deutschland“
Die Ausstellungen sind noch bis zum 23. August 2009 im Wenzel-Hablik-Museum in Itzehoe zu sehen.
Zu beiden Ausstellungen ist jeweils ein Katalog erschienen:
Die Moschee von Sinan – Augusto Romano Burelli und Paola Sonia Gennaro, Hrsg. Wolfgang Voigt
Ernst Wasmuth Verlag, Tübingen/Berlin 2008
Moscheen, in Deutschland, fotografiert von Wilfried Dechau,
Ernst Wasmuth Verlag, Tübingen/Berlin 2009
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