Seit 70 Jahren bereichert staatlich beauftragte Kunst unser Leben und unseren Alltag. In nahezu allen Einrichtungen des Bundes, der Länder und Kommunen gibt es Kunst am Bau, gleichwohl sind nur die wenigsten Arbeiten allgemein bekannt.
Die Wanderausstellung „70 Jahre Kunst am Bau in Deutschland“ präsentiert im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg knapp 60 Arbeiten – darunter Skulpturen, Wandarbeiten, Installationen und Platzgestaltungen.
Die Werke stammen unter anderem von bekannten Künstlern wie Hans Haacke, Jenny Holzer, Rebecca Horn, Per Kirkeby, Sighard Gille und Walter Womacka. Sie wurden für Bundesbauten, Botschaften und Behörden, sowie Bildungs-, Forschungs- und Wissenschaftsinstitutionen in beiden Teilen der Republik geschaffen und spiegeln die historische und politische Entwicklung Deutschlands wider. Ergänzt wird die Auswahl durch eine Reihe von Hamburger Projekten, die in baubezogenen Kontexten entstanden sind, zum Beispiel Arbeiten von Barabara Haeger, François Morellet, A. R. Penck, Sigrid Sandmann und Gustav Seitz.
Die Ausstellung gliedert sich in zehn Kapitel: Drei Kapitel folgen einer chronologischen Dramaturgie, um die Kunst am Bau aus der Gründungsphase der beiden deutschen Staaten vorzustellen sowie die im Rahmen der Ausdifferenzierung des Staatswesens in West und Ost und des Ausbaus der gemeinsamen Hauptstadt Berlin nach der Wiedervereinigung entstandene Kunst zu beleuchten. Dazu gehören beispielsweise Max Lingners „Aufbau der Republik“ von 1953 am Haus der Ministerien in Berlin, Hannes Schulz-Tattenpachs „Aufsteigender Phönix“ von 1953 am Bundeshaus in Bonn, Walter Womackas „Aus der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung“ von 1964 am Staatsratsgebäude in Berlin, Henry Moores „Large Two Forms“ von 1966–69/1979 am Bundeskanzleramt in Bonn und Eduardo Chillidas „Berlin“ von 1999 am Bundeskanzleramt in Berlin.
Eduardo Chillida, Bundeskanzleramt, Berlin, 1999. Foto: Monika Fielietz
Die übrigen Kapitel fokussieren spezifische Aspekte des Genres, zum Beispiel Kunst am Bau an Botschaften und Auslandniederlassungen oder beim Militär. Unter anderem zählen dazu Renate Wolffs „Große Reise“ von 2006 für die Deutsche Botschaft in Mexico, J&Ks „Glory to the Unknown“ von 2016 für das Goethe-Institut in Kairo und François Morellets All-Over-Strukturen von 1976 für die Helmut- Schmidt-Universität in Hamburg.
Andere thematisieren die Vielfalt der Institutionen des Bundes oder vermitteln Kunst als inhaltlichen Kommentar zur Neuprogrammierung von historisch belasteten Gebäuden, zum Beispiel Via Lewandowskys „Roter Teppich“ von 2002 für das Bundesministerium der Verteidigung in Berlin und „EINGEGANGEN am...“ von 2011 am ehemaligen Ministerium für Staatssicherheit und heutigen Stasimuseum in Berlin von raumlaborberlin.
Ein weiteres Kapitel widmet sich der Entstehung von Kunst am Bau vom Wettbewerb bis zur Fertigstellung, ein anderer Abschnitt behandelt Pflege- und Unterhaltsfragen sowie den Verlust von Kunstwerken. Ergänzt wird die Ausstellung durch eine Medienstation, auf der Filmbeiträge und Interviews mit Kunst-am-Bau-Akteuren zur Entstehung von Kunstwerken gezeigt werden, sowie durch ein Kapitel mit Kunst am Bau und Kunst im öffentlichen Raum in Hamburg.
Die Hamburger Beispiele umfassen neben frühen Arbeiten zur Ausgestaltung der Hochschule für bildende Künste von Willy von Beckerath und Carl Otto Czeschka auch Fassadenarbeiten und Gedenkprojekte von A. R. Penck, Heiko Zahlmann, DAIM (Mirko Reisser) und missing icons im städtischen Raum sowie Kunst am Bau im Umfeld der Grindelhochhäuser der SAGA. Besonders hervorzuheben ist die Kunst am Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg von Gustav Seitz, die im Auftrag der damaligen Museumsdirektorin Lise Lotte Möller im Zuge des Umbaus des Museums Ende der 1960er Jahre entstand und wie kein zweites Werk im öffentlichen Raum Hamburgs das damals hochaktuelle Thema der sexuellen Revolution thematisiert. In seiner künstlerischen Qualität und Progressivität ist das „Portal d’Amore“ deutschlandweit einzigartig.
Andrea Knobloch, Ute Vorkoerper: missing icons, Stigma, 2022. Bodenskulptur: Granit, Recyclinggranulat, Split-Granulat-Gemisch, 60 x 7 x 0,08 m, ca. 420 qm, Stadthöfe Hamburg
Foto: missing icons
Kunst am Bau hat in Deutschland eine lange Tradition, die bis in die 1910er Jahre zurückreicht. Insbesondere in Hamburg war Fritz Schumacher mit seinem ganzheitlichen Gestaltungsansatz einer der Pioniere der baubezogenen Kunst. Nach dem Zweiten Weltkrieg gehörte die Förderung der Kunst in beiden deutschen Staaten zur Kulturpolitik der ersten Stunde, so dass 1950 sowohl der Deutsche Bundestag als auch die Volkskammer der DDR beschlossen, bildende Künstler bei staatlichen Baumaßnahmen zu beteiligen. Seitdem wird in der Bundesrepublik auf allen Ebenen des Staates Kunst am Bau realisiert: bei Bauten des Bundes für gesamtstaatlich wichtige Institutionen wie Regierungs- und Bundesbehörden, Botschaften und Auslandsschulen, Bundeswehr und Bundespolizei sowie für national bedeutende Kultur- und Wissenschaftsinstitutionen, aber auch bei den Bauten von Ländern und Kommunen nach jeweils eigenen Regularien. In der DDR wurde ähnlich verfahren, allerdings galt nach der Auflösung der Länder sowohl auf der Staatsebene als auch auf der bezirklichen Ebene ein einheitliches Regelwerk für die architekturbezogene Kunst, das auch an Orten der Arbeit, der Freizeit und des Wohnens künstlerische Gestaltungen ermöglichte.
70 Jahre Kunst am Bau in Deutschland
29. Februar bis 14. April 2024 im Museum für Kunst & Gewerbe, Steintorplatz, in 20099 Hamburg
Geöffnet: Di-So 10–18 Uhr. Do 10-21 Uhr
Die Ausstellung „70 Jahre Kunst am Bau in Deutschland“ wurde im Auftrag des Bundesbauministeriums vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung in Zusammenarbeit mit dem Büro schmedding.vonmarlin und Studio Krimm erarbeitet. Sie tourt seit 2021 als Wanderausstellung durch Deutschland und war inzwischen in elf Bundesländern zu sehen.
- Weitere Informationen (Museum)
- Aktuelle Informationen zu den Ausstellungsstatione .
- Weitere Informationen über Kunst am Bau im Auftrag des Bundes finden Sie unter www.Museum-der-1000-Orte.de
Begleitend zur Ausstellung ist ein umfangreicher Katalog erschienen, der über die in der Ausstellung präsentierten Projekte und Texte hinaus die baugebundenen Kunstwerke in die historische und politische Entwicklung Deutschlands einbettet und übergreifende Beiträge zur Kunst am Bau im Kontext der Kunstgeschichte und des deutsch-deutschen Austausches beinhaltet. Der reich bebilderte Katalog ist im Deutschen Kunstverlag in Deutsch und Englisch erschienen und umfasst Beiträge von Horst Bredekamp, Sigrid Hofer, Beate Hückelheim-Kaune, Anna-Sophie Laug, Constanze von Marlin und Martin Seidel.
Rahmenprogramm
In Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung und dem Berufsverband bildender Künstler*innen Hamburg wurde ein reiches Begleitprogramm entwickelt, das mit Veranstaltungen und Führungen die Augen für Qualität und Vielfalt von Kunst im baulichen Kontext öffnen soll.
Podiumsgespräch „Mehr Kunst“ eine kurze Bestandsaufname und ein vielschichtiger Zukunftsausblick, mit Vertreter*innen aus Kultur(behörde), Bürgerschaft, Künstler*innenschaft und Architektenkammer Donnerstag, 21. März 2024, 18.30 Uhr im Freiraum
Vortrag und Diskussion „Nicht nur Konzepte“ von und mit Hamburger Künstler*innen über ihre Erfahrungen mit der Realisation von Kunst am Bau in Hamburg (Moderation BBK Hamburg)
Samstag, 13. April 2024, 15 Uhr im Freiraum
Führungen
Freitag, 8. März 2024, 15 Uhr
Kunst und Architektur des Internationalen Seegerichtshofs Hamburg mit Herrn Rob Steenkamp, ITLOS (in englischer Sprache)
Treffpunkt: Am Internationalen Seegerichtshof Hamburg 2, 22609 Hamburg.
Freitag, 22. März 2024, 15 Uhr
Kunst auf dem Campus der Universität Hamburg mit Dr. Christina Kuhli, Martina Schrei und Antje Nagel
Treffpunkt: Universitätsbibliothek, Von-Melle-Park 3, 20146 Hamburg.
Sonntag, 24. März 2024, 15 Uhr
Kunst auf dem Campus der Universität Hamburg mit Dr. Christina Kuhli
Treffpunkt: Universitätsbibliothek, Von-Melle-Park 3, 20146 Hamburg.
Freitag, 12. April 2024, 15 Uhr
Kunst und Architektur des Internationalen Seegerichtshofs Hamburg mit Herrn Rob Steenkamp, ITLOS (in englischer Sprache)
Treffpunkt: Am Internationalen Seegerichtshof Hamburg 2, 22609 Hamburg.
Sonntag, 14. April 2024, 15 Uhr
Kunst und Architektur der Helmut-Schmidt-Universität mit Tobias Römer (Amt für Bauordnung und Hochbau)
Treffpunkt: Haupteingang/Wache, Holstenhofweg 85, 22043 Hamburg. Für den Zutritt zum Gelände ist ein Personalausweis erforderlich.
Sonntag, 10. März 2024, 15 Uhr
Kunst und Architektur bei den Grindelhofhochhäusern der SAGA mit Dr. Friederike Weimer und Sigrid Sandmann
Treffpunkt: Bezirksamt Grindelberg 66, 20144 Hamburg
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