Architektur

 

Der Name Elias Holl ist eng verbunden mit der alten Reichsstadt Augsburg. Kaum eine andere Person hat das Stadtbild bis heute derart geprägt wie der dort 1573 geborene und 1646 ebenfalls dort gestorbene Stadtwerkmeister.

Seit Generationen waren die Holls Maurer, Architekten, Ingenieure. Sie verstanden etwas vom Handwerk, von der Baukunst, von Material und Formen, vom jeweiligen Zeitgeist und vom Zeitgeschehen.

 

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Elias Holl war beeinflusst von der oberitalienischen Renaissance, der dortigen Architektur, der Formensprache sowie deren Proportionen. Aber auch die Malerei hatte eine bedeutsame Wirkung, besonders jene Bilder, die die Renaissance nach Süddeutschland trugen.[1]

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Er wurde zum bedeutsamen Architekten deutscher Spätrenaissance und des Frühbarocks. Die Betonung liegt auf dem Adjektiv, denn Holl verstand es – nicht epigonisch etwas Italienisches nachzubauen –, sondern eigene Maßstäbe zu etablieren und einen eigenen Stil zu finden. Seine Hauschronik[2] und die vielen schriftlichen Quellen, Zeichnungen, Skizzen und Drucke jener Zeit geben ein umfangreiches und feines Bild seines Lebens und seiner Tätigkeit.

 

Erst im nationalen und internationalen Vergleich wächst Elias Holl weit über die Stadt „Augspurg“[3] hinaus.

Das Phänomen, dass ein einzelner Architekt/Baumeister derartige Verantwortung übertragen bekommt und seine Handschrift hinterlässt, lässt sich neuzeitlich gegebenenfalls mit dem Einfluss des Architekten, Stadtplaners und Oberbaudirektors Fritz Schumacher (1869-1947) in Hamburg vergleichen, der die Moderne und neuzeitliche Backstein-Bauweise in Norddeutschland einführte.

Ebenso das Projekt Brasília der späten 1950er-Jahre ist vergleichbar. Der Architekt Oscar Niemeyer trug als Chef des staatlich-brasilianischen Bauamtes die Verantwortung für die neue Bundeshauptstadt Brasília und entwarf die öffentlichen Gebäude.

 

Die Fotodokumentationen vom Umbau von Paris zur 20. Jahrhundertwende durch den französischen Fotografen Eugène Atget (1857-1927) sowie der amerikanischen Fotografin Berenice Abbott (1898-1991) die den Bau der vielen Skyscraper im New York der 1930er und 40er ablichtete, können als Vergleich für die Erinnerung von Stadtbildveränderungen herangezogen werden.

Die Kupferstiche, Pläne, Ideenskizzen, Modelle und Zeichnungen des 17. Jahrhunderts tun dies für den Umbau Augsburg in gleicher Weise.

 

Wir können damit Veränderung memorieren und wir verstehen dadurch Zusammenhänge von damals und heute.

 

Im Amt des weisungsgebundenen Stadtwerkmeisters in den Jahren von 1602 bis 1630 und von 1632 bis 1635 war Elias Holl für die umfassende Umgestaltung und technische Erneuerung der 15 v.Chr. gegründeten „Augusta Vindelicum“[4] und spätmittelalterlichen, patrizisch dominierten und verwalteten Reichsstadt zuständig. Als Protestant wurde Holl 1630 seines Amtes enthoben, da er nicht den katholischen Glauben annahm, jedoch 1632, als die protestantischen Schweden unter Gustav Adolf vor den Toren standen, wieder eingesetzt.

Augsburg war in jener Epoche eine aufblühende, selbstbewusste Stadt –, eine Stadt des Handels und der Wirtschaft, der Kunst und Wissenschaft.

 

Augsburg 01 Merian Kupferstich

Matthäus Merian (1593-1650): Vogelschauansicht von Augsburg im Jahre 1643, Kupferstich. Gemeinfrei

 

Die Wirren des Dreißigjährigen Krieges –­ dessen Ende Elias Holl nicht mehr erlebte –, der Reformation und Gegenreformation bis hin zur Wiederherstellung des Augsburger Religionsfriedens von 1555 hatte die Stadt deutlich verändert. Die Bevölkerung war minimiert, Teile der Stadt waren zerstört, Macht-, Herrschafts- und Eigentumssysteme veränderten sich.

 

Zu Holls wohl bedeutendsten Werken gehören in Augsburg das Rathaus (1615-1620) und die Erhöhung der Perlachturms (1614-1616), der wie ein Campanile dem Ensemble der Bauten eine gewisse Balance und gleichzeitig Eigenheit gibt.

 

Augsburg 02 Elias Holl Perlachturm Rathaus F Joshua Golde

Augsburg, Rathausplatz mit Perlachturm und Rathaus. Foto: Joshua Golde

 

Außerdem das Zeughaus (1602-1607), die sogenannte Stadtmetzg[5] (1606-1608), der St.-Jakobs-Wasserturm (1604-1609), der Rote Turm (1622) und viele weitere. Auch außerhalb der Stadtmauern von Augsburg baute Holl die Dreifaltigkeitskirche in Haunsheim (Landkreis Dillingen) sowie 1608 die für den Gemmingenbau der Willibaldsburg zu Eichstätt. Die Entwürfe für Schloss Schwarzenberg (1608-1618) stammen von Holl, die Bauausführung jedoch lag bei den Nürnberger Baumeistern Jakob Wolff und Sohn.[6]

 

In diesem Jahr feiert die Stadt Augsburg den 450. Geburtstag des Stadtwerkmeisters Elias Holl. Das tut sie mit einem umfangreichen Programm. Darunter eine ausführliche und stattliche, aber leider recht didaktische und räumlich wenig gut choreografierte Ausstellung im Maximilianmuseum.[7] Komplex bis kompliziert –­ wie ein Roman von Fjodor Dostojewski, mit inhaltlichen Wiederholungen und Doppelerzählungen kann man dennoch ins Werk Holls und die Zeit des 17. Jahrhunderts eintauchen. Aus konservatorischen Gründen sind einige Räume verständlicher Weise abgedunkelt – material-, papier -und objektschonend. Allein weil einige Highlights und Informationen innerhalb der Schau von nachhaltiger Wichtigkeit sind, lohnt sich ein Besuch dennoch.

 

Augsburg 03 Ausstellungseingang F KMA Monika Harrer Elias Holl Stich

Links: Eingang zur Elias Holl-Ausstellung im Maximilianmuseum. Foto: Monika Harrer. Rechts: Lukas Kilian (1579-1637): Elias Holl, deutscher Renaissance-Architekt, Stich, 1619. Quelle: Maximilianmuseum, Augsburg. Gemeinfrei

 

Umfangreich und außerdem zeitgenössisch ist beispielsweise das Programm der Technischen Hochschule Augsburg, der Fakultät Architektur und Bauwesen. Studierende des Masterstudiengangs Architektur haben zu den 450 Jahre Stadtwerkmeister Elias Holl die Frage gestellt: Wie übersetzt man Elias Holl in das 21. Jahrhundert? Mit modernen, digitalen Medien wie Instagram. Die Instagram-Seite ich.bin.elias.holl[8] präsentiert sehenswert und spannend zahlreiche detaillierte Fakten. Und Elias Holl-Comics[9], die Studierende des Bachelorstudiengang Architektur entworfen haben, tun das als Grafic-Novel ebenfalls, in kleinen einzelnen Kurzgeschichten.

 

Augsburg 04 Elias Holl Plakate

Noch bis zum Sonntag, 20. August stellen im Innenhof des Maximilianmuseums Studierende ihre Ergebnisse und Sichtweisen zum Renaissancebaumeister Elias Holl aus. Foto: Homepage THA

 

Eine Ringvorlesung[10] führt von Augsburg sogar ins Deutsche Studienzentrum nach Venedig.

 

Wer Elias Holl im Stadtraum Augsburgs erleben möchte, kann zu den noch existierenden Gebäuden gehen und den Goldenen Saal[11] des Rathauses besuchen. In einer Kassette der Deckengemälde ist Holl ebenfalls verewigt, als Meister erläutert er mit einem Zirkel und einem Maßband in den Händen und anhand eines Grundrisses der Muse für Architektur sein Bauvorhaben.

Schaut man aus einem Fenster der Ostfassade liegt unten der Elias Holl-Platz, die Namensgebung und ein kleiner Obelisk gedenken ihm.

 

Bis ins 19. Jahrhundert standen an dieser Stelle der „Eisenhof“, in dem Gefängnis und Stadtarchiv untergebracht waren, sowie der „Trabantenhof“, in dem vor allem Wohnungen lagen. Durch eine frühe Bürgerinitiative in den 1880er-Jahren wurde der Ort nicht mehr hoch bebaut, sondern zum Platz und die Ostfassade weithin sichtbar. Auch das kann als Reminiszenz an Holl gewertet werden. Mehrfache Umgestaltung – 1938 etwa erhielt das Rathaus eine Terrasse an der Ostseite, 1957 wurden Baumreihen auf der Nord- und Ostseite gepflanzt und 1968 der Obelisk für Elias Holl aufgestellt. 2013/14 wurden der Platzbelag erneuert sowie eine Rampe zum Verwaltungsgebäude und zur Rathausterrasse gebaut[12].


450 Jahre Elias Holl – Jubiläumsjahr 2023

Stadt Augsburg

Weitere Informationen (Stadt Augsburg)

Das Maximilianmuseum Augsburg zeigt bis 17. September 2023 die Ausstellung „Elias Holl (1573–1646). Meister Werk Stadt“

 

Fußnoten:

[1] Bilder des Schweizer Malers Joseph Heintz d. Ä. (seit 1597 sporadisch in Augsburg) und Matthias Kager (seit 1603 in Augsburg).

[2] Die Hauschronik der Familie Holl begann 1487 und wurde mit dem Tod von Elias Holl 1646 beendet.

[3] Schreibweise während der Lebzeit von Elias Holl.

[4] Auf dem Gebiet des heutigen Stadtteils Oberhausen wurde 15 v.Chr. ein Legionslager, das später auch als Nachschubdepot diente, errichtet. Kaiser Augustus hatte seinen beiden Stiefsöhnen Drusus und Tiberius den Auftrag dazu erteilt. Gesichert ist, dass Augsburg nach Augusta Treverorum, dem heutigen Trier, eine der größten römischen Siedlungen nördlich der Alpen war.

[5] Ehemalige Stadtmetzgerei, heute Verwaltung.

[6] Vater Jakob Wolff (* 1546 in Bamberg; † 16. Juli 1612 in Nürnberg) und Sohn Jakob (* 1571 in Bamberg; † 24. Februar 1620 in Nürnberg)

[7] Detaillierte Informationen: https://kunstsammlungen-museen.augsburg.de/holl

[8] Vergl.: https://www.instagram.com/ich.bin.elias.holl

[9] Vergl.: https://www.hs-augsburg.de/Architektur-und-Bauwesen/Graphic-Novels-Elias-Holl.html

[10] https://www.hs-augsburg.de/Geistes-und-Naturwissenschaften/Ringvorlesung-Elias-Holl-und-Augsburg.html und https://www.hs-augsburg.de/Binaries/Binary_65676/Elias-Holl-Ringvorlesung-THA-Programm-Web.pdf

[11] Vimeo-Video: Vom Rathausmodell in den Goldenen Saal https://vimeo.com/836161187

[12] Elias Holl-Platz (Neugestaltung ab 2009) https://atelier-pk.com/projekte/1-preis-neugestaltung-elias-holl-platz-augsburg/


 

 

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