Architektur

Eine kleine, aber feine Ausstellung ist im Lettischen Architekturmuseum in der Altstadt von Riga zu sehen. Gezeigt werden Arbeiten, Zeichnungen und Modelle des Architektenehepaars Edgars und Aina Šēnbergi (dt.: Edgar und Aina Schönberg) die Ende der 1950er- bis Ende der 1980er-Jahre, also während der Sowjetzeit, entstanden sind.


Mit dem italienischen Begriff „Modernisti“ (Modernisten) werden sie gebührend in der Riege der modernen Architekten des 20. Jahrhunderts gewürdigt. Der Titel mag merkwürdig anmuten, aber einen Bezugspunkt zum Westen hat es nicht nur im grundsätzlichen Interesse der beiden Baukünstler gegeben, sowohl sichtbar und ausgesprochen als auch unausgesprochen. Es sind viele kleine Details in den auf Transparente gedruckten Zeichnungen, Entwürfen und Fotografien zu sehen, die auf die Verbundenheit hinweisen: insbesondere auf die Idee der Funktionalität des Bauhauses in Verbindung mit der Innovation und dem Formgefühl der russischen Avantgarde. Zu finden ist darüber hinaus in einer der Bauzeichnungen von Aina Šēnberga ein Auto, das neben dem Gebäude ganz am Rand zu sehen ist. Keine Karosserieform, die man in der Sowjetunion vermuten würde, sondern eine des legendären „Citroën DS“ aus den 1970er-Jahren. Das dies unabsichtlich geschehen sein könnte, ist nicht vorstellbar.

 

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Aber zunächst zur Genese der beiden Architekten: geboren nach dem Ersten Weltkrieg, in einer Zeit als Lettland erstmalig unabhängig war und in den 1920er- und 30er-Jahren das Land als kulturelles Bindeglied zwischen Ost und West fungierte, erhielten sie ihre Ausbildung schließlich nach Ende des Zweiten Weltkriegs, zu Beginn der Sowjetzeit.
Obwohl Frauen in der Sowjetunion formal gleichberechtig im beruflichen Alltag behandelt werden sollten, erhielt Aina Šēnberga erst durch ihre Hochzeit mit Edgars interessante und wertige Aufträge.
Ab den 1960er-Jahren entstanden bereits eine ganze Reihe von konzeptuell und sozial wichtigen Objekten, sowohl gemeinsam als auch getrennt geplant. Das Restaurant „Schloss“ in Bauska war schon gleich nach Fertigstellung ein Kult-Ort, selbst für Architektur-Uninteressierte. Beiden Architekten gelang es – und das lässt sich in der Ausstellung mannigfaltig erkennen – nicht nur Vertreter ihrer Zeit und Generation zu sein, sondern auch individuell herauszuragen und durch persönliche Überzeugung etwas zu schaffen, was während der sowjetischen Besatzungszeit eher selten zu finden war. Die Šēnbergi (Schönbergs) haben demnach sorgfältig durchdachte und qualitativ hochwertige Baukörper mit eigener „Handschrift“ erstellt, die noch bis heute ästhetisch etwas Besonderes darstellen, wie das Kaufhaus „Banga“, mit seiner abknickenden Glasfront (fertiggestellt um 1963) und der Linienführung an der Fassade, beweist.


In sechs thematisch unterteilten Kapiteln vermittelt die Ausstellung den beruflichen Werdegang der beiden Architekten vom Modernismus, zum Regionalismus, zum Postmodernismus.


Die Wertigkeit der Architektur und der noch bestehenden Gebäude ist in Lettland nicht unumstritten – auch diese Thematik wird nicht ausgeklammert – denn sie wird negativ mit der Sowjetzeit konnotiert. Die Diskussion, ob die Architektur der „Modernisti“ nicht in einem europäischen Zusammenhang gesehen und möglichweise auch als Kristallisationspunkte erhalten werden sollten, muss noch final ausgefochten und entschieden werden. Die Beurteilung muss sich in Lettland allerdings nicht allein aus dem internationalen Vergleich heraus klären. Diese Ausstellung hilft jedenfalls dabei, ein Gespür für die Leistung der Architekten zu erhalten und die Anbindung an den gesamteuropäischen Geist und die Ideen der Moderne nachvollziehen zu können.


Edgars und Aina Šēnbergi. Modernisti"

 Zu sehen bis 15. Juni 2018

im Lettischen Architekturmuseum Riga, Mazā Pils iela 19, Riga/Lettland
Eintritt frei
Geöffnet: Mo. 9.00-18.00; Di.-Do. 9.00.-17.00; Fr. 9.00-16.00; Am Wochenende und feiertags geschlossen.
Weitere Informationen (english): www.archmuseum.lv
Informationen (deutsch)
Ausstellungskuratorin: Karīna Horsta, Designerin: Zane Kalnina.


Abbildungsnachweis Galerie:
Alle Fotos © Claus Friede

01. Blick in die Ausstellung
02. Blick in die Ausstellung; 3 Kapitel und das Modell eine Gedenkortes für gefallene Soldaten
03.
Edgars Šēnberg: Diverse Bauzeichnungen von Parkanlagen, 1959

04. Edgars Šēnberg: Entwurf für den Gedenkort sowjetischer Kriegsgefangener in Salaspils, Riga, 1959
05. Edgars Šēnberg: Mahnmal für Gefallene 1942-1944, Modell
06. Aina Šēnberga und Edgar Šēnberg: Modell eines Wohnhauses in Riga (undatiert)
07. Blick in die Ausstellung
08. Aina Šēnberga: Fotografie des Kaufhauses "Banga" von Zanis Lekdins, nach 1965
09. Fotografie des Ehepaars
10. Das Lettische Architekturmuseum in der Altstadt von Riga.
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