Kultur Blog
- Geschrieben von Stefan Diebitz -
Wie sieht es aus, wenn sich eine ganze Stadt in ein Gesamtkunstwerk verwandelt? Wenn ganz große Kunst sich über alles legt? Wenn die Sonne eines einsamen Geistes über dem grauen Alltag einer Provinzstadt aufgeht? Genau in diesen Tagen kann man das erfahren, denn Jonathan Meese, der weltberühmte Künstler aus Ahrensburg, hat sich aufgemacht, die Stadt Lübeck mit fünf Ausstellungen an fünf verschiedenen Orten zu bespielen.
Und danach wird nichts so sein wie vorher.
- Geschrieben von Isabelle Hofmann -
Es gibt Momente, da vergessen auch JournalistInnen ihre kritische Distanz und werden zu grölenden Fans. Die Medienpremiere von „TINA – Das Tina Turner Musical“ im Stage Operettenhaus in Hamburg war so ein Moment. Der Jubel über die großartige Protagonistin Kristina Love war noch nicht verklungen, da stand SIE auf der Bühne, „Simply the Best“ und der Saal geriet völlig aus dem Häuschen: Tina, die Große – mit 79 Jahren.
Tina, die Unverwüstliche, hat es sich einen Tag vor der offiziellen Deutschlandpremiere nicht nehmen lassen, für ihr Musical zu werben.
- Geschrieben von Frauke Hartmann -
Diese Familie ist ein Schlachtfeld. In dieser Familie wird gelogen und gestritten was das Zeug hält, in dieser Familie haut man sich als Wahrheiten daherkommende Beleidigungen so gnadenlos und konsequent um die Ohren, dass am Ende jede und jeder schwer verwundet in die Flucht geschlagen ist.
Wer kennt den Horror nicht, den eine Familie, wenn nicht die eigene und nur sie, auszulösen vermag? Ist sie nicht die Lehrstube, in der wir die Bigotterie der Welt, die falschen Zungen, den vermeintlichen Trost und hinter allem die unendliche Sehnsucht nach Geborgenheit und bedingungsloser Liebe kennenlernen? Unsere Illusionen, die wir immer wieder zerstören müssen?
- Geschrieben von Frauke Hartmann -
Zum zweiten Mal wagt sich das Altonaer Theater in Hamburg an ein Buch von Joachim Meyerhoff. Frei nach dem Motto „Bestseller auf die Bühne“. Wie das Buch, so heißt auch der Abend: „Ach diese Lücke, diese entsetzlichen Lücke“. Er scheint noch besser ins Theater zu passen als die in Altona bereits gefeierte Bühnenadaption von Meyerhoffs Roman „Wann wird es endlich wieder so wie es nie war“, in der er seine Kindheit auf dem Gelände einer psychiatrischen Klinik bei Schleswig wiederbelebt.
Denn hinter dem Goethe-Zitat verbirgt sich ein zugleich liebevoller, schmerzvoller und urkomischer Rückblick auf den Beginn seiner Theaterkarriere an der Otto-Falckenberg-Schule in München und vor allem auf seine Großeltern, in deren großbürgerliche Villa am Schloss Nymphenburg der junge Mann aus Schleswig vorübergehend einzieht.
- Geschrieben von Dagmar Reichardt -
Sie sagt Dinge, die keiner hören will, und Männer und Frauen lieben sie dafür. Denn die Art, wie Dacia Maraini ihren Lesern etwa beibringt, dass weltweit jedes Jahr geschätzte 50.000 Frauen durch die Hand eines Mannes – sehr oft der eigene – umkommen und wie vielen Kindern rund um den Globus täglich Gewalt angetan wird, ist poetisch. Und ja, kaum zu glauben, sehr schön zu lesen und anzuhören. Das beweist nicht nur Marainis deutschsprachige Neuerscheinung “Drei Frauen”. Vielmehr hat die italienische Kultautorin auch live in Deutschland Aktuelles zum Reizthema “Mafia” beizutragen.
In ihrem neuesten Roman “Drei Frauen”, der seit dem 21. Februar im Buchhandel in der deutschen Übersetzung von Ingrid Ickler (Folio-Verlag) erhältlich ist, stehen gesellschaftliche und emotional hoch brisante Fragen im Mittelpunkt.
- Geschrieben von Anna Grillet -
„Der Goldene Handschuh”, jenes Hybrid aus Charakterstudie und Horrorfilm, polarisiert Kritiker wie Zuschauer: Regisseur Fatih Akin inszeniert wagemutig Heinz Strunks gleichnamigen Bestsellerroman als Plädoyer für den Voyeurismus, gibt Ekel und Würde eine neue tiefere Bedeutung.
Das klaustrophobische Kammerspiel über den Serienmörder Fritz Honka (grandios Jonas Dassler) entwickelt sich in seiner Radikalität zum ästhetisch atemberaubenden ungeschönten Gesellschaftspanorama der 70er Jahre, deutlich spürbar der Einfluss von Charles Bukowski und Rainer Werner Fassbinder.
- Geschrieben von Sergio Morabito -
Am 22. August 2017 lässt das Ermittlungskomitee der Russischen Föderation den Theater-, Kino-, Opern- und Ballettregisseur Kirill Serebrennikov wegen des „Verdachts auf die Organisation von Unterschlagung“ in Petersburg am Set seines neuesten Films festnehmen und nach Moskau transportieren. Seither steht er unter Hausarrest.
Die fragliche Summe wird zunächst auf „nicht weniger als 68 Millionen Rubel“ (nach heutigem Wechselkurs etwa eine Million Euro) beziffert, sie sei für das Projekt Platforma zur Popularisierung zeitgenössischer Kunst bestimmt gewesen.
- Geschrieben von Anna Grillet -
Er war Schriftsteller, Kampfflieger für die Luftwaffe der France libre, Generalkonsul in Los Angeles, Filmregisseur und Ehemann von Jean Seberg: Romain Gary (1914–1980). Mit „Frühes Versprechen” verwandelt Eric Barbier den gleichnamigen autobiographischen Roman des genialen Autors und zweifachen Prix-Goncourt-Trägers in eine schillernde bildgewaltige manchmal fast groteske Tragikkomödie.
Das opulente Leinwand-Epos ist zugleich zornige Anklage wie auch verzweifelte Liebeserklärung an jene wilde, verrückte Mutter, Nina Owczinski, die von ihrem achtjährigen Sohn unerbittlich zukünftige Heldentaten einfordert, Künstlerruhm und politische Erfolge. Die Welt soll ihrem Jungen zu Füßen liegen, Nina schreit, schmeichelt, beschwört, treibt ihn an, erstickt jede Freiheit im Keim. Eine Traumrolle und Herausforderung für Charlotte Gainsbourg.
- Geschrieben von Isabelle Hofmann -
Es mag am Geist dieser Zeit liegen, dass wir uns wieder verstärkt dem Biedermeier zuwenden. Die Sehnsucht nach Frieden und Besinnlichkeit nimmt Allerortens zu, nach stillem Verweilen in unberührter Natur. Dieser Gedanke hat auch Heinrich Reinhold beseelt, den kaum bekannten Deutschrömer, dessen Schaffensperioden die Hamburger Kunsthalle nun in Kooperation mit der Klassik Stiftung Weimar in einer großangelegten Ausstellung vorstellt.
- Geschrieben von Anna Grillet -
Das schillernde Spiel mit Rollenklischees und Diskriminierungsmechanismen, mit Komik und Tragik ist riskant, Bruchlandungen oft vorprogrammiert, aber US-Regisseur Peter Farrelly gelingt der Balanceakt: Sein Roadmovie „Green Book” über die Rassentrennung im Süden Amerikas Anfang der Sechziger Jahre entwickelt sich zum verblüffenden Konstrukt zwischen Identitätskrise und Selbstfindung: lakonisch, klug, anrührend, süffisant ironisch, bodenständig witzig, scharfsinnig, dreist, dann wieder melancholisch oder gar sentimental, den permanent wechselnden Ton bestimmen die beiden Protagonisten.
Der Film, für fünf Oscars nominiert, basiert auf wahren Begebenheiten und ist vor allem ein Revival des genialen schwarzen Jazz-Pianisten Don Shirley (1927- 2013), seine Kompositionen spiegeln als Subtext die Konflikte jener Zeit.