Kultur Blog
- Geschrieben von Dirk C. Fleck -
Andrew Blair musste sich eingestehen, dass er nervöser war, als gedacht. Zwar hatte er die Gepflogenheiten der Zielperson in den letzten Wochen genauestens studiert, aber jetzt, da es zum Showdown kam, schien ihm die Entschlossenheit auf mysteriöse Weise abhandengekommen zu sein. Zum wiederholten Male putzte er den Lauf seiner Beretta, als wollte er sich die Waffe zum Freund machen. Schließlich setzte er ihr den Schalldämpfer auf und verstaute sie in dem Trenchcoat, der griffbereit über der Stuhllehne lag. Aufbrechen aber mochte er noch nicht. Er legte sich aufs Bett und lauschte dem Straßenlärm, der durch das geöffnete Kippfenster ins Zimmer drang.
- Geschrieben von Dirk C. Fleck -
Rudolf flog den Tepual International Airport von Süden an. Zur Rechten konnte Steve die Hafenstadt Puerto Montt erkennen, die in Chile das „Tor zum letzten Drittel” genannt wurde. Das letzte Drittel dieses schmalen Handtuchstaates an der Westküste Südamerikas war dem Rest der Welt als Patagonien bekannt, wobei die Anden das Gebiet in einen chilenischen und einen argentinischen Teil trennten. Der Name Patagonien, das hatte Steve in der Vorbereitung auf sein Treffen mit Malcolm Double U herausgefunden, ging auf den portugiesischen Entdecker Ferdinand Magellan zurück, der den einheimischen Tehuelche-Indianern, denen er 1520 in Feuerland begegnet war, aufgrund ihrer großen Statur den Namen patagones gegeben hatte.
- Geschrieben von Dagmar Seifert -
Bevor es losgeht, hat es schon angefangen. Im Foyer des Theaters, zwischen den festlich gekleideten Zuschauern, die sich noch gegenseitig begrüßen oder ein Programmheft kaufen oder irgendwie den Freitagnachmittag abschütteln, um im entspannten Kulturabend anzukommen, steht ein Mann und singt, sich selbst auf der Gitarre begleitend.
Rein vom Outfit passt er nicht an diesen Platz und unter diese Menschen.
Ein Penner offensichtlich mit langem grauen Fusselbart und langen grauen Filzlocken unter der Mütze. Allerdings singt und spielt er höchst professionell – und wer sich informiert hat oder auch nur einen kurzen Blick auf das Programm wirft, erkennt ihn natürlich. Das ist also bereits Daniel Morgenroth im Kostüm des Clochard Michel.
- Geschrieben von Dirk C. Fleck -
Detroit, 5. Juni 2035
Das Interview ist geschrieben und bereits übermittelt. Mike konnte sein Glück kaum fassen. Aus seiner Sicht ist die Freude verständlich. Eine Todesliste mit hundert prominenten Namen aus Wirtschaft und Politik bekommt man nicht alle Tage frei Haus. Auf Befehl des Verlegers wurde der Erscheinungstermin sogar um vierzehn Tage vorverlegt.
- Geschrieben von Hans-Juergen Fink -
Mozarts „Le nozze di Figaro“ an der Hamburgischen Staatsoper – optisch bietet das Hamburger Regiedebüt von Stefan Herheim ein hinreißendes Spektakel, musikalisch ist noch Luft nach oben.
Der Premierenabend begann mit wenigen, aber notwendigen Worten von Intendant Georges Delnon. Am zweiten Abend nach den mörderischen Anschlägen in Paris sprach er davon, dass man unsere Kultur verteidigen müsse. Und im Theater bedeute das vor allem spielen, spielen, spielen. Worte, die der auch hier im Raum liegenden Verunsicherung Ausdruck verliehen und dankbar mit Applaus quittiert wurden.
- Geschrieben von Dirk C. Fleck -
Rajani Bala wohnte bei Maeva im Gästehaus. Maeva war überrascht, wie problemlos die ältere Freundin auf ihr tätowiertes Gesicht reagierte. Rajani schob die irritierende Fassade wie einen Vorhang beiseite und schaute direkt in ihre Seele. Das war noch niemandem so gut gelungen. Rauura vielleicht, dem solche Zeichnungen nicht die Sicht versperren konnten.
Die Frauen plauderten und lachten bis spät in die Nacht. Am nächsten Morgen, beim Frühstück auf der Terrasse, äußerte Rajani die Bitte, das Elternhaus sehen zu dürfen, in dem die „regierenden Geschwister”, wie sie Maeva und Omai nannte, aufgewachsen waren. „Außerdem, sagte sie, „hätte ich gerne deinen Lieblingsplatz auf der Insel kennengelernt. Jeder Mensch hat doch einen Lieblingsplatz…”
- Geschrieben von Thomas Janssen -
Eine verträumt dasitzende junge Frau, deren Begleiter dabei ist, aufzustehen. Ein anderes Paar, dass sich zum gehen wendet – sie schaut zurück. Weitere Paare, die ein Boot besteigen. Das Boot, das sie nach Cythère bringen soll, dem antiken Kythera. „Auf seinem Bild“, schreibt der Soziologe Norbert Elias in seiner Monographie über Antoine Watteaus Gemälde „L'embarquement pour l'isle de Cythère“, „sieht man den Zug der Liebespaare, der sich gerade zu ordnen beginnt auf dem Weg zum Wasser hinunter.“ Zur „Pilgerfahrt zur Insel der Liebe“, so der Titel von Elias' Text über das Gemälde, von dessen drei Fassungen eine im Schloss Charlottenburg hängt.
- Geschrieben von Mirjam Kappes -
Das diesjährige Hamburger „CineFest“ betrachtet das Hotel als filmischen Erzählraum: An so einem Transit-Ort, wo verschiedenste Menschen temporär zusammentreffen, ist längst nicht immer alles, wie es scheint. Gezeigt werden Filme aus den Anfängen des Kinos bis hin zur Gegenwart.
- Geschrieben von Dirk C. Fleck -
Eric Becher las das Schreiben des tahitianischen Präsidenten Omai aufmerksam durch. Er rief bei seinem Freund und Kollegen Max Malin in Berlin an, um ihn zu fragen, ob er ebenfalls Post aus Polynesien erhalten habe. Malin war nicht da, also nahm er den Brief erneut zur Hand:
- Geschrieben von Anna Grillet -
Genie oder Tyrann? Offensichtlich beides. Der Film „Steve Jobs” ist wie sein Protagonist: brillant, frappierend, suggestiv. Grandios Michael Fassbender als kühner Visionär, Apple-Ikone aber auch unerträgliches Ekel.
Regisseur Danny Boyle und Drehbuchautor Aaron Sorkin stilisieren den Blick hinter die Kulisse zum aberwitzigen Kunstwerk. Eine Absage an das traditionelle Geschichtenerzählen.