Kultur Blog
- Geschrieben von Johannes Blum -
Die Auflehnung eines aufrechten berglerischen Volkes, das in inniger Verbundenheit mit der Natur seines nationalen Wertes gewiss war, mündete 1291 im schweizerischen Staatsgründungsmythos vom Rütli-Schwur. So geht die Sage, und so erzählt es uns Schiller in seinem Wilhelm Tell.
Der Feind war das österreichische Habsburg, in dem der unterdrückte Helvetier alles Üble versammelt sah: Verstädterung statt Natur, Intrige statt Aufrichtigkeit, Fremd- und Willkürherrschaft statt Freiheit. Doch genauso wenig wie Schiller zur offenen Rebellion aufstacheln wollte, sah sich Rossini in seiner Stoffauswahl für seine dritte französische Oper Guillaume Tell aufgerufen, der Herrschaft des französischen König Karls X. mit seinen Opernklängen den Kampf anzusagen.
- Geschrieben von Isabelle Hofmann -
Die Deichtorhallen Hamburg punkten derzeit mit zwei außerordentlich sehenswerten Ausstellungen: Während die Französin Sarah Moon in ihren faszinierenden, seltsam nostalgisch anmutenden Fotografien und Filmen archaische Ängste und das unterschwellig lauernde Grauen in der Ausstellung „Now and Then“ beschwört, tritt in der gegenüberliegenden Halle das reale Grauen in der aufklärerischen Schau „Streamlines – Ozeane, Welthandel und Migration“ offenkundig zu Tage. Poesie kontra Politik.
Ex-Model fotografiert Mode. Keine Ahnung, warum die Sarah-Moon-Schau auf diesen simplen Nenner gebracht wurde. Denn Mode ist in der ersten Retrospektive dieser großartigen Künstlerin nur ein Teilaspekt.
- Geschrieben von Hans-Juergen Fink und Claus Friede -
Der 1955 in Bonn geborene Publizist, Moderator und redegewandte Denker Roger Willemsen ist am vergangenen Sonntag in seiner Wentorfer Wohnung gestorben. Wie kaum ein anderer beherrschte Willemsen das virtuose Partiturspiel in Sachen Kultur, war universell interessiert, lernend und wissend. Ob Literatur, Musik oder Film, Ethnologie, Religion, Mode und Design – er war das, was man im traditionellen, positiv einen Feuilletonisten nennen kann, der bei vielen unterschiedlichen Dingen immer eine verbindende Brücke sah. Er war ein Erzähler, und seine Geschichten glichen sich nie, egal ob er als Autor, Vortragender oder Moderator unterwegs war.
- Geschrieben von Christel Busch -
Ein junges Mädchen in orangefarbener Kleidung räkelt sich lasziv auf dem Steinfußboden. Eine Tramperin steht verloren an einer einsamen nächtlichen Straße. Damen der Upperclass kaschieren ihr Alter mit dickem Make-Up, Schmuck und jugendlichem Outfit.
Seit über drei Jahrzehnten gehören Cindy Shermans fotografische Selbstinszenierungen zu den Meisterwerken zeitgenössischer Fotokunst, der inszenierten Fotografie. Die Amerikanerin gilt als fotografisches Chamäleon mit den 1000 Gesichtern, als Meisterin der Kostümierung und Maskerade. Bis zum 10. April 2016 sind Fotografien aus der privaten Sammlung von Thomas Olbricht im „me Collectors Room“ in Berlin zu sehen.
- Geschrieben von Hans-Juergen Fink, fotografiert von Klaus Frahm -
Noch kann der große Saal der Hamburger Elbphilharmonie nicht in seiner ganzen Pracht bewundert werden. Die Sitze fürs Publikum müssen noch ein wenig warten, auch die große Orgel der Firma Klais wird erst noch eingebaut, die Montage beginnt in zwei Wochen. Damit werden dann auch die letzten Lücken der „Weißen Haut“ geschlossen, die dem Konzertsaal die von Yasuhisa Toyota geplante Akustik der Welt-Spitzenklasse verpassen soll und die jetzt schon für seine ganze besondere Anmutung sorgt.
- Geschrieben von Anna Grillet -
In dem Politdrama „Suffragette” schildert Regisseurin Sarah Gavron den leidenschaftlichen militanten Kampf der britischen Aktivistinnen für das Frauenwahlrecht. Es geht um Ausbeutung, Armut, Gleichberechtigung und Freiheit. Und um Männer, die scheinbar nur die Sprache der Gewalt verstehen wollen.
London 1912, Maud Watts (Carey Mulligan) ist eine junge Frau aus dem Londoner East End. Schon als Siebenjährige arbeitete sie in den riesigen feuchtkalten Kellergewölben der Glashaus-Wäscherei. Hier wurde sie geboren, hier starb ihre Mutter. Maud war noch ein Kind, als der Boss sie missbraucht. Kein Einzelschicksal.
- Geschrieben von Isabelle Hofmann -
Bilder ohne Beschriftung, so etwas gab es wahrscheinlich noch nie in einem Hamburger Museum. Dafür Porträts über Porträts, bis unter die Decke. Die Wände sind regelrecht gepflastert mit Gemälden, Zeichnungen und Fotografien.
In der Ausstellung „Hamburg ins Gesicht geschaut“ hat das Hamburg Museum eine ganz neue Form der Präsentation gewagt. Doch um hier inhaltlich ein- und durchzusteigen, verlangt diese Bilder-Installation vom Publikum ungewöhnlich viel Mitarbeit. Im Vorübereilen werden sich die vielen Konterfeis kaum erschließen.
- Geschrieben von Anna Grillet -
Sein Vergnügen an schrägem perfiden Humor ist ungebrochen, aber Kult-Regisseur Quentin Tarantino präsentiert sich dieser Tage mit Vorliebe als radikaler Systemkritiker, nicht nur wenn er daheim in den USA gegen Polizeigewalt demonstriert sondern auch in dem monumentalen zynischen Leinwand-Epos „The Hateful Eight”: Der grandiose finstre Schnee-Western mutiert zum skurril bösartigen Kammerspiel um Justiz, Wahrheit, Willkür und Rassismus.
- Geschrieben von Hans-Juergen Fink -
Die Welt nach der Apokalypse. Zerstörte Landschaften. Zutiefst verstörte Menschen. Fünf Jahre nach den Katastrophen von Fukushima versucht Komponist Toshio Hosokawa in der Auftragsoper „Stilles Meer“ die unlösbaren Fragen, das Zittern der Seelen und das Bangen, wie es weitergeht, auf die Bühne der Hamburgischen Staatsoper zu bringen. Unter der Leitung von Kent Nagano wurde die Uraufführung ein bejubeltes Experiment, das lange nachklingt.
- Geschrieben von Christel Busch -
Zum Gedenktag der Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar: Jahrzehntelang standen die Gedenkstätten im Schatten der großen Konzentrations- und Vernichtungslager: Auschwitz, Bergen-Belsen, Dachau und Buchenwald sowie das KZ Neuengamme in Hamburg sorgten für internationale Rezeption und mediale Aufmerksamkeit.
Die schleswig-holsteinischen Gedenkorte verloren dagegen an Beachtung ihrer Historie. Erst langsam rücken die ehemaligen Konzentrationslager Husum-Schwesing, Kaltenkirchen, Ladelund und Ahrensbök in den Fokus der Öffentlichkeit. Am Beispiel der Gedenkstätte Ahrensbök wird die Geschichte des Konzentrationslagers aufgezeigt sowie die nationalsozialistische Vergangenheit einer Kleinstadt während des Dritten Reiches. Wer waren die Täter? Wer waren die Opfer?