„Da diese Aufnahmen die unverfälschte Natur bringen, während durch zeichnerische Vergrößerungen stets etwas Persönliches hineinkommt, so dürften diese Vergrößerungen für die Schüler als anregendes Material zu empfehlen sein. Zum großen Teil sind diese Aufnahmen dadurch entstanden, daß ich ausnahmsweise kleine Formen, welche die Schüler bei Abendbeleuchtung schwer erkennen konnten, vergrößerte, wodurch das Arbeiten wesentlich erleichtert wurde. Ich habe wohl über tausend derartige Aufnahmen, wovon ich jedoch erst nach und nach Abzüge machen kann.“
Dies schrieb Karl Blossfeldt in einem Brief vom 11. April 1906 an die Direktion der Unterrichtsanstalt der Kunstanstalt, in der er von 1899 bis 1930 lehrte. Das Original ist in der aktuellen Ausstellung neben weiteren Dokumenten und Veröffentlichungen in einer Vitrine präsentiert. Das Zitat gibt Auskunft über Karl Blossfeldts pädagogische Praxis und verweist auf seine Wertschätzung der dokumentarischen Photographie und ihre Möglichkeit der Vergrößerung.
Die in der Ausstellung insbesondere präsentierten 271 Originalabzüge von Karl Blossfeldt und die dazugehörigen 13 Bronzen entstanden im Kontext der künstlerischen Lehre an der Unterrichtsanstalt des königlichen Kunstgewerbemuseums in Berlin. Sie entstammen einem Konvolut von unter anderem über 600 Originalphotographien aus dem Archivbestand der Universität der Künste Berlin, Vorgängerinstitution benannter Unterrichtsanstalt. Dort wurde Blossfeldt selbst als Bildhauer ausgebildet und unterrichtete später in dieser Schule das Fach „Modellieren nach lebenden Pflanzen“. Um seinen Studierenden die Formenvielfalt und Details der botanischen Welt nahezubringen, erarbeitete er kontinuierlich neue Pflanzenbilder. Seine Motive wählte er dabei vor dem Hintergrund seiner botanischen und kunsthistorischen Kenntnisse aus. Er durchstreifte das Berliner Umland und den dortigen botanischen Garten. Die genaue Beobachtung der vegetabilen Formen und die freie künstlerische Umsetzung sollten als Anregungen für Entwürfe im Bereich der angewandten Kunst und Architektur dienen.
Die Photographie entwickelte sich für Karl Blossfeldt als ein elementares Ausdrucksmittel, das er mit eigens gefertigter Apparatur gezielt für seine Zwecke einsetzte. Das von ihm vor der Aufnahme gelegentlich teils stark bearbeitete Pflanzenmaterial lichtet er in vielfacher Vergrößerung und vor neutralem hell- oder dunkeltonigem Hintergrund ab. Es entstanden Aufnahmen von großer formaler Kraft, die zudem den Variationsreichtum der Pflanzenwelt plastisch vor Augen führt. Entsprechend bewundernd war die scharfsinnige Reaktion von Walter Benjamin auf die Photographien des Lichtbildners: „Unendlich gross ist die Mannigfaltigkeit der Formen in der Natur. Von den rund zwei Milliarden Menschen, die auf der Erde leben, gibt es keine zwei, die einander völlig gleich sind. Dasselbe gilt auch für die gesamte Pflanzen- und Tierwelt. Überall Varianten, überall Abarten eines Grundtyps.“ (Walter Benjamin: „Neues von Blumen“, in: Die Literarische Welt, 23. November 1928)
Letztlich haben sich Blossfeldts Werke über ihre Funktion als Lehrstücke hinaus als eigenständige Kunstwerke behauptet. Sie gehen vom Gegenständlichen aus und führen in eine abstrahierend typisierende Bildsprache, die zu vielen Assoziationen einlädt. Insbesondere die noch zu Lebzeiten Blossfeldts erschienenen Publikationen „Urformen der Kunst“, 1928, und „Wundergarten der Natur“, 1932, zeigen, wie intensiv Karl Blossfeldt sein Themenfeld erforscht hatte und wie sehr er die ästhetischen Ausdrucksmöglichkeiten der Pflanze wie ihre rätselhaft magische Ausstrahlung wertschätzte.
Es erscheint ein umfangreicher, den Berliner Blossfeldt-Bestand vorstellender Katalog im Schirmer/Mosel Verlag (600 Seiten, 733 farbige Abb., € 98, d/e, Texte Gabriele Conrath-Scholl, Angela Lammert, Norbert Palz, Dietmar Schenk, Claudia Schubert), Publikation und Ausstellung basieren auf der langjährigen Kooperation der Universität der Künste, Berlin mit der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur, Köln.
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