Meinung
Richard Wagner - Lohengrin cd

Es gibt einen hochspannenden Lohengrin für die Ohren. Der kommt von den „neuen“ Wagner-Russen wie dem Dirigenten Seymon Bychkov aus St. Petersburg – von 1997 bis 2010 war er Leiter des WDR Sinfonie-Orchesters in Köln.
Sozusagen zum Abschied seiner Tätigkeit dort und im Anschluss an drei Live Konzerte, spielte er Wagners Lohengrin als CD neu ein.

Russland hat eine unterbrochene große Wagner-Tradition aus dem 19. Jahrhundert die künstlerisch heute wieder spannend aufflammt. Das lässt sich an nindestens zwei Gegebenheiten festmachen:
- Seymon Bychkov nimmt Wagner dramaturgisch ernst und geht zurück an dessen Quelle.
- Bei dieser Neueinspielung ist der Lohengrin als persönliches und psychologisches hochmodernes Drama wörtlich genommen.


Der Dirigent im Beiheft zur Aufnahme dazu:
"... (Beide) Projekt(e) ermöglichten es allen Beteiligten tief in die kollektiven Gedanken und Erfahrungen einzutauchen, die den Bau der „Kathedrale“ Lohengrin bestimmt haben. Am 2. Juli 1850 schrieb Wagner in einem Brief an Liszt: „Gieb die Oper wie sie ist – streiche nichts!“ Dementsprechend wurde das Werk in Gänze aufgeführt und aufgezeichnet...“

So hört man die Gralserzählung in voller Länge mit der zweiten Strophe. Wagner hatte zu Lebzeiten kaum Tenöre gefunden, die diese Mammutaufgabe bewältigen konnten. Bychkov hingegen – wie vorher schon Daniel Barenboim auf seiner Lohengrin Aufnahme mit Peter Seiffert – fand ebenfalls in Johan Bota einen (Helden)-Tenor der ersten Güte, der diese Gralserzählung zum neuen Gesamterlebnis macht.
Bota studierte in seiner Heimat Südafrika und stand bereits mit 24 Jahren als Max im Freischütz auf der Bühne. Er ist ein wirklich idealer Lohengrin sowohl vom Timbre als auch von der Ausstrahlung. Ich ziehe ihn jederzeit Klaus Florian Vogt vor.

Bota ist niemals weinerlich und trotzdem hat er den nötigen Schmelz der italienisch gefärbten Tenöre den Wagner für seinen Lohengrin, seine „italienischste“ Oper, wie er einst selber bemerkte, vorschrieb. Gleichzeitig hat Bota die stimmliche Kraft Lohengrin den Glanz des überirdischen Helden zu verleihen.

Diese Aufnahme präsentiert die Ortrud aus der Neuenfels-Inszenierung, Petra Lang, aber ganz anders und noch intensiver als in Bayreuth. Kwanchul Youn singt König Heinrich und Adrianne Pieczonke eine überzeugende Elsa von Brabant, die an Lieblichkeit und Zerbrechlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt. Noch ein Glanzpunkt: der berühmte Wagner Bassist Rene Pape in seiner Bestform als Telramund.

Ein weiteres Highlight der Aufnahme – Bychkov hat keine Angst vor Wagners „Pathos“. Er dirigiert eine Vollblutmusik die von der ersten Sekunde an mitreißt. Besonders die „Stretta“, die er da frech am Ende des ersten Aktes einbaut, als das Volk quasi in der Musik jauchzend aufspringt und dem siegreichen Schwanenritter zujubelt : „Heil Deiner Fahrt, Preis Deiner Art“ – da kann man im Orchester die Menge toben hören – schneller und schneller bis zum Bruchpunkt. Einfach toll.

Russen statt Ratten für den modernen, mitreißenden Wagner, sage ich.
Bayreuth scheint das wohl irgendwie auch gemerkt zu haben. Lud man doch den russischen Dirigenten Kirill Petrenko ein, 2013 musikalisch den Jubiläums Ring zu leiten. Mal sehen ob’s hilft. Bis dahin sei der enorme Lohengrin von Bychkov empfohlen.

Ihr Herby Neubacher


CD: Lohengrin
Dirigent: Seymon Bychkov
Koenig Heinrich: Kwangchul Youn
Lohengrin: Johan Botha
Elsa: Adrianne Pieczonka
Telramund: Falk Struckmann
Ortrud : Petra Lang
Heerrufer: Erik Wilm Schulte

WDR Symphonie Orchester Koeln
WDR Radio Chor Koeln
Prager Kammerchor
NDR Chor Hamburg

Haenssleer Verlag 3 SACD
Bestellnummer: PH09004

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