Trennung auf Wunsch - Jürgen Fitschen verließ Schloss Gottorf
- Geschrieben von Isabelle Hofmann -
Die Pressemeldung war mehr als dürftig: „Die Wege von Dr. Jürgen Fitschen und dem Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte haben sich getrennt“, ließ Peter Harry Carstensen, Schleswig-Holsteins Ministerpräsident und Stiftungsratsvorsitzender der Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf am 23. November 2011 mitteilen – mit dem Zusatz, dass dies „auf Wunsch von Dr. Fitschen“ geschah.
Seitdem scheinen die Mauern auf der Schleswiger Museumsinsel noch dicker geworden zu sein, als sie ohnehin schon waren. Kein Kommentar, nirgendwo. Im Auflösungsvertrag wurde offenbar Stillschweigen vereinbart und das wiederrum legt nahe, dass Fitschens „fluchtartiger Abgang“ nach knapp zwei (von vertraglich auf fünf befristeten) Jahren doch nicht ganz so freiwillig war, wie allseits beteuert. Dafür spricht zum Beispiel, dass es seitens Fitschens keinerlei Vorwarnung gab.
Thomas Gädeke, Fitschens Stellvertreter und nunmehr kommissarischer Leiter des Museums, betonte gegenüber dem Informationsdienst Kunst, dass der Schritt des 46-jährigen Kunsthistorikers „für uns alle völlig überraschend kam“. Und Martin Schulte, der Kollege von Schleswig-Holstein am Sonntag, schrieb: „Wer Fitschen noch vor kurzem reden hörte, wäre nicht darauf gekommen, dass dort jemand an seinem Abschied arbeitet“. Die einhellige Verwunderung sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es bereits lange in Gottorfs Getriebe knirschte. Die Erwartungen waren auf beiden Seiten groß, als der Niedersachse und langjährige Leiter des Bremer Gerhard-Marcks-Hauses 2009 zum Nachfolger von Herwig Guratzsch gekürt wurde – die Enttäuschungen nach kurzer Zeit umso heftiger. Gründe waren zum einen verfehlte Ausstellungspolitik des neuen Direktors, zum anderen Fitschens Frust über die vertrackte Stiftungskonstruktion. Dazu muss man Folgendes wissen: Jürgen Fitschen war zwar Direktor des Landesmuseums für Kunst und Kultur, aber nicht erster Mann auf Schloss Gottorf. Die Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen vereint unter ihrem Dach das Museum für Kunst und Kultur und das Archäologie-Museum. Beide haben ihre Direktoren, aber leitender Direktor der Stiftung ist nur einer. Bis 2009 war das Guratzsch. Seitdem ist es der Chef der Archäologie, Prähistoriker Claus von Carnap-Bornheim. Zwei Direktoren mit unterschiedlichen Fachbereichen, der eine weisungsbefugt gegenüber dem anderen, dazu noch fünf Außenstellen (Cismar, Haitabu, Büdelsdorf , Rendsburg, Schleswig) und ein ambitioniertes Forschungszentrum für Archäologie), das ist ein schwer zu durchschauender Apparat. Oder einfach „Chaos und Provinzialismus“, wie es Ex-Chef Heinz Spielmann formulierte. Auf jeden Fall birgt die Stiftungskonstruktion Konfliktpotential en masse. Jürgen Fitschen machte das in einem Interview mit dem Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag vor einem Jahr sehr deutlich. Das Stiftungsmodell sei „keine gute Konstruktion“, es gäbe „naturgemäß dramatische Unterschiede bei der Bewertung von Archäologie und Kunst und Kultur“. Man hätte sich „mehr Zeit nehmen müssen, die Zuständigkeiten so zu klären, dass man sich nicht dauernd ins Gehege kommt“.
Damit waren die Fronten klar und obwohl öffentlich bald wieder Friede, Freude, Eierkuchen herrschte, brodelte es unter der Oberfläche, wie sich jetzt erwies, gewaltig weiter. Doch das Kompetenzen-Gerangel und die fehlende Chemie zwischen den beiden Direktoren ist sicherlich nur ein Akt im Drama um Fischens Abgang. Ein weiterer und vielleicht der ausschlaggebende war das offensichtliche Missverständnis über den Stellenwert des Hauses. Zwar hört es sich erst einmal ganz mutig und überzeugend an, wenn ein neuer Mann auf „Blockbuster-Ausstellungen“ verzichten will und selbstbewusst verkündet, nicht nach Besucherzahlen zu schielen. Doch wenn dann zum Auftakt eine Werkschau von Klaus Kütemeier kommt und die Ausstellungsreihe das „kleine Format“ als große Neuerung verkauft wird - ja, dann muss man sich schon fragen, ob Jürgen Fitschen mit seinen Gedanken nicht noch im Bremer Gerhard-Marcks-Museum war. Mit kaum bekannten Lokalmatadoren lässt sich jedenfalls nicht die „einzigartige Position dieses Hauses in Norddeutschland und dem südlichen Nordeuropa weiter fördern, sichern und weiterentwickeln“, wie es der Stiftungsratsvorsitzende Harry Carstensen vor zwei Jahren versprach. Dazu muss aber auch Geld vorhanden sein. Das strukturelle Defizit raubte auch Fitschen jeden Atem. Unter den Lasten von 800 000 Euro Miesen jährlich, macht man keine großen Sprünge. Aber die Brötchen, die Fitschen buk, waren vielen Beobachtern zu klein. Gottorf, das Highlight im Norden? Nein. Es zehrt zwar noch von seinem guten Ruf, aber in den vergangenen Jahren - und damit sind nicht nur 2010 und 2011 gemeint – ist aus dem strahlenden Licht eine müde Funzel geworden.
Nun ist die Politik am Zug: Mit der Novellierung des Stiftungsgesetzes, auf die Fitschen hingewirkt hat, soll künftig alles besser werden. Der Gesetzesentwurf wurde bereits im Landtag gelesen, der Beschluss wird noch in dieser Legislaturperiode erwartet. Demnach wird es künftig eine Doppelspitze nach Hamburger Vorbild aus „museologischem Direktor und kaufmännischer Geschäftsführung geben“, so Frank Zarp. Der Stiftungssprecher geht davon aus, dass die Ausschreibung der vakanten Stelle von Jürgen Fitschen ebenfalls im kommenden Halbjahr stattfindet. Wenn Claus von Carnap-Bornheim General auf Gottorf bleibt (und dafür spricht einiges), wird der künftige Direktor des Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte nur mehr eine Art Abteilungsleiter. Das aber, und darüber muss sich Schleswig-Holsteinen im Klaren sein, hat weitreichende Konsequenzen. Eine erstklassige Besetzung für eine zweitklassige Stelle wird man jedenfalls schwerlich finden. Und damit sind die Weichen für Gottorf gestellt.
Ihre Isabelle Hofmann
Bildnachweis:
Quelle: www.anjasworld.de
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