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Gambenmusik mit Hille und Marthe Perl: Musikalische Kontemplation

„Die Gambe ist das wichtigste Instrument des 21. Jahrhunderts“, hat die Gambenistin Hille Perl mal in einem Gespräch gesagt, „sie klingt warm und sandig.“ Sandig? „Na ja, sie kommt dem Klang der menschlichen Stimme am nächsten. Nicht nur der Singstimme, eher der Sprechstimme, weil man ja sehr melodisch sprechen kann. Und eine Gambe kann man mit sehr vielen Schattierungen und Nuancen spielen. Ich denke beim Gambenklang immer an ein kleines Kind, das hört, wie sich die Erwachsenen im Nebenzimmer unterhalten.“

Die Gambenfamilie versammelt Instrumente aus der Zeit, als Musik noch ungern in Takte gepresst wurde, als sie noch sprechen und frei erzählen durfte, bevor sich auch hier das Sichere, Berechenbare durchsetzte. Und es ist ein hübscher Kommentar zu der absurden absurden Debatte, ob moderne Instrumente „besser“ sind als historische. Sie sind vor allem einfach – anders. Und können deshalb ganz andere Emotionen transportieren und hervorrufen.

Für Hille Perl, Jahrgang 1965, ist die Gambe „das wichtigste Instrument des 21. Jahrhunderts“, eine Wiederentdeckung, die in ihrem leicht näselnden Ton neue und altvertraute Klangfarben zum Leben erweckt. Sie spielt das Instrument seit ihrem fünften Lebensjahr, das war wohl Liebe auf den ersten Blick. Inzwischen ist sie weltweit gefragt, spielt in vielen hochkarätigen Ensembles und lehrt als Gamben-Professorin in Bremen. Ihre Tochter Marthe, Jahrgang 1983, hat längst das gleiche Instrument gewählt.

altKein lautes Instrument, eines, das immer etwas melancholisch klingt, zurückgenommen, ein bisschen nach Einsamkeit, Nachdenken und Meditation. Vielleicht eignet es sich deshalb auch so gut für die vier Themen des neuen Konzeptalbums „Elements“, das die beiden gerade veröffentlicht haben: In vier Kapiteln beschäftigt es sich mit Feuer, Erde, Wasser und Luft. Warum? „Vier Elemente – vier Aggregatzustände unserer Erde und vier Aggregatzustände von uns selbst. Wir meinen, dass es lohnt, sich mit ihnen angesichts wachsender elementarer Ungleichgewichte in dieser Welt einmal mehr zu beschäftigen. Das vorliegende Album sei hierzu als Einladung zu einer Art musikalischer Kontemplation wärmstens empfohlen“, schreibt Hille Perl im Booklet.

Eingeleitet wird jedes der vier Kapitel mit einem sehr kurzen, von Marthe Perl wunderbar minimalistisch gesetzten Präludium, das gleichwohl große Klang- und Assoziationsräume aufreißt. Und dann folgen in lockerer Folge irische Folk-Melodien, barocke Tanzsätze, ein Fandango von Antonio Soler, ein fließendes, abschließendes Andante von Francois Poulenc. Unter den Komponisten finden sich John Dowland, Tobias Hume, Thomas Ford und natürlich Gamben-Altmeister Marin Marais.

Es ist ein Zurück-Horchen in vergangene Jahrhunderte, in denen die Menschen noch näher an der Natur gelebt haben. Und die fruchtbringenden, aber auch die zerstörerischen Seiten der vier Elementarstoffe noch anders spüren konnten. So wie Hille Perl, die mit ihrem Mann, dem Lautenisten Lee Santana, ganz naturnah auf einem Hof draußen im Nirgendwo bei Bremen wohnt.

Hille und Marthe Perl verstehen ihre Musik nicht als Schönheit im luftleeren Raum, sondern als aktuellen Kommentar zu Problemen und Fragen der heutigen Gesellschaft, auch wenn der aus ganz anderen Jahrhunderten herüber weht. Musik von früher, gespielt als zeitgenössisches Statement, das gerade durch seinen Abstand helfen kann, die Merkwürdigkeiten unserer Zeit zu begreifen. „Wir denken immer, alles muss so sein, wie es jetzt ist. Vielleicht muss es das aber gar nicht.“


Hille und Marthe Perl: Elements
Deutsche Harmonia Mundi
8884 3033 682

Die Musik der CD zum Reinhören

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