CDs KlassikKompass

Das neue Projekt der „Tubicinatores Gedanenses“ führt uns eindrucksvoll in eine Zeit zurück, in der Turmmusik nicht nur zur Warnung, sondern auch zur musikalischen Prachtentfaltung bei Festen und Zeremonien diente.

 

Was einst ein mittelalterliches Warnsystem war, wandelte sich im Zeitalter des Absolutismus zu einem unentbehrlichen Bestandteil zeremonieller Glanzpunkte bei Klerus und König. Das neue Album des Ensembles, geleitet vom polnischen Trompeter Paweł Hulisz, bringt diesen faszinierenden Wandel klanglich zum Ausdruck und bietet eine seltene Gelegenheit, barocke Musik in einer ungewöhnlichen Instrumentenkombination zu erleben. Dabei erklingen erstmals Werke, die jahrhundertelang in Vergessenheit geraten waren – lebendig gemacht durch die Weltersteinspielung der „Tubicinatores Gedanenses“ und das Kammerensemble „arcus adiuncti“.

 

Paweł Hulisz und sein Ensemble haben mit großem Forschungsaufwand das Repertoire für diese Aufnahme zusammengetragen. Trompeten, Posaunen und Schlaginstrumente stehen im Zentrum der Klangwelt, wie sie auch einst die kaiserlichen Höfe und großen Kathedralen prägte. Der voluminöse Klang dieser Instrumente füllt die großen, prestigeträchtigen Akustikräume perfekt aus und bringt so die Pracht vergangener Epochen wieder zurück ins Bewusstsein. In dieser Besetzung mit Pauken und Naturtrompeten, die früher an Höfen und bei festlichen Anlässen unverzichtbar waren, wird heute kaum noch gehört – was diese neue Aufnahme besonders einzigartig macht.

 

Tubicinatores Gedanenses et Arcus adiuncti COVERDie Herrscher des absolutistischen Zeitalters, allen voran die Habsburger-Kaiser Josef I. und Karl VI., waren nicht nur Kunstliebhaber und -förderer, sie waren oft selbst musikalisch aktiv und förderten die Künste mit großem Engagement. Insbesondere Johann Joseph Fux und Antonio Caldara, die als Hofkapellmeister am kaiserlichen Hof wirkten, prägten den Musikgeschmack und die kulturelle Identität jener Zeit. Fux, als Begründer der Kontrapunktlehre im strengen Satz, setzte Standards, die in der Klassik stilprägend blieben, indem sie Verbindlichkeiten für das Zusammenspiel von Konsonanz und Dissonanz schafften.

 

Das sorgfältig ausgewählte Repertoire der CD umfasst sieben Tonschöpfer, deren Werke das musikalische Spektrum und vor allem die sehr dynamischen Entwicklungen im 17. und 18. Jahrhundert durchaus repräsentativ widerspiegeln.

 

Franz Ignaz Anton Tuma, Wenzel Raimund Johann Birck und Carl Matthias Reinhardt zählen zu den Komponisten, deren Werke hier mit musikwissenschaftlichem Forschungsidealismus zum Leben erweckt werden. Tuma und Birck verbinden in ihren Kompositionen meisterhaft den Kontrapunkt mit melodischen Passagen im galanten Stil, und in ihren Werken lassen sich bereits erste Anklänge an die Frühklassik erkennen. Carl Reinhardt, der für das Schottenstift und den Dom St. Stephan in Wien komponierte, veranschaulicht eindrucksvoll, wie die geistliche Hofkapelle die Entwicklung neuer musikalischer Strömungen beeinflusste.

 

Auch Josef Umstatt und Ignaz Prustmann sind auf dieser CD vertreten. Umstatt, Cembalist und Organist der Wiener Hofkapelle, setzte mit seiner streng durchgearbeiteten Sonata à 3, als Kirchenkomposition Maßstäbe. Prustmanns Kirchensonate, die durch den Einsatz von Trompeten und Pauken besonders festlich wirkt, untermalt die Eröffnung von Gottesdiensten und verdeutlicht einmal mehr, wie eng liturgische und weltliche Elemente in der Musik jener Epoche miteinander verwoben waren.

 

Eine besonders erfreuliche Entdeckung markiert in diesem Programm ein Auszug aus der Oper Die beständige Argenia, von Johann Valentin Meder. Dieser Komponist hat vor allem in Estland gelebt und mit diesem Werk die mutmaßlich erste deutschsprachige Oper der Musikgeschichte geschaffen.

 

Die technischen Anforderungen der Werke auf dieser Aufnahme sind enorm und sprechen für einen durchweg hohen Ausbildungsstand unter den kaiserlichen Hoftrompetern in Wien. Für die Musiker der „Tubicinatores Gedanenses“ stellen diese wiederentdeckten Kompositionen eine willkommene Herausforderung dar, um mit großem Geschick und Spielfreude ihre Naturtrompeten erklingen zu lassen, deren Beherrschung ein enormes Können erfordert.

 

Das Ensemble „Tubicinatores Gedanenses“, gegründet in Danzig, ist das einzige systematisch arbeitende Ensemble für historische Turmmusik in Polen. Mit einer Kombination aus historischen Trompeten, Posaunen, Schlaginstrumenten und weiteren Blasinstrumenten lassen die Musiker viele fast vergessene Tradition wieder aufleben. Zum erklärten Anliegen gehört die Vermittlung historischer Zusammenhänge und musikalischer Phänomene. Alljährlich veranstalten die „Tubicinatores Gedanenses“ das Turmmusikfestival in ihrer Heimatstadt. Dazu gehörte im Jahr 2022 eine bewegende Hommage an die Ukraine. Auch bei der Begleitung von Schlachtenrekonstruktionen und Stadtfesten sorgt das Ensemble dafür, dass die Tradition der Turmmusik nicht in Vergessenheit gerät.

 

Angeführt wird das Ensemble von Paweł Hulisz, einem der vielseitigsten Trompeter seiner Generation. Mit seiner Leidenschaft für die Vielseitigkeit der Trompete erkundet er verschiedenste Stile von Alter Musik bis hin zu zeitgenössischen Kompositionen. Als erster Trompeter des F. Nowowiejski Philharmonischen Orchesters von Ermland und Masuren sowie des Gdańsk Symphony Orchestra ist er in der polnischen Orchesterszene fest verankert. Neben seinen zahlreichen Schallplattenaufnahmen widmet er sich auch der Bearbeitung alter Notendrucke aus dem 17. und 18. Jahrhundert, die er mit großem Engagement erforscht und für moderne Aufführungen aufbereitet.


Musica Instrumentalis Imperialis

Festive Sonatas from Imperial Vienna Tubicinatores Gedanenses et Arcus adiuncti

Leitung Pawet Hulisz

Label: Classic Production Osnabrück (CPO)

CD

 

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Tubicinatores Gedanenses - Musica Instrumentalis Festivalis. Festive Sonatas From Imperial Vienna (4:11 Min. | engl./poln.)

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