Das hier vorgestellte Album ist nicht nur eine Hommage an eine besondere musikalische Zeit und eine legendäre Sopranistin, sondern insbesondere ein Beleg für ein engmaschiges Netzwerk um Wolfgang Amadeus Mozart. Gleichzeitig ist dies eine Österreich-Reise, ins Wien der Habsburger Monarchie des 18. und frühen 19. Jahrhunderts.
Vor dem Hintergrund der Aufklärung zur Regentschaftszeit von Maria Theresia über Joseph II. bis zu Franz II. in denen es in Wien zum Kulturkampf und neuen kulturellen Theorien und Orientierungen kam, stellt die Sopranistin Sarah Traubel, gemeinsam mit dem Orchester der PKF- Prague Philharmonia unter der Leitung von Jochen Rieder, eine Reihe von Arien dieser Epoche vor.
Es sind Arien für Josepha – wie es in Albumtitel heißt – vierzehn an der Zahl von acht Komponisten, die zwischen 1754 und 1827 lebten. Stimmlich gemeint ist Josepha Hofer geb. Weber (1758-1819). Sie war die Schwester Mozarts Gattin Constanze und dessen „erste Königin der Nacht“ und mit einer wundervollen Sopranstimme gesegnet. Darin und in der Verbindung zur Stadt Mannheim sind sich Josepha und Sarah ähnlich.
Überhaupt kommt das „System Mozart“ auf dem gesamten Album zum vollen Wirken und zeigt nebenbei, wie einflussreich und unternehmerisch die Familie aus Salzburg in Wien war.
Die guten Beziehungen zu Kaiser Joseph II. (1741-1790) und dessen Bemühungen eine aufklärerische Kunstpolitik zu betreiben mündete ab 1782 in viele Auftragsarbeiten: so wurde durch die „Entführung aus dem Serail“ der Versuch unternommen, die Gattung des Singspiels in deutscher Sprache auf künstlerisch ernstzunehmendes Niveau zu heben.
1786 genehmigte Joseph II. die Uraufführung der Mozart-Oper „Le nozze di Figaro“, das sich an dem aufrührerischen Stück „Der tolle Tag“ des Franzosen Pierre Augustin Caron de Beaumarchais (1732-1799) orientierte und dessen Kritik an den Adelsvorrechten mit der Politik des Österreichischen Kaisers sehr gut zusammenging. 1789 erteilte er Mozart auch den Auftrag zu dessen Oper „Così fan tutte“.
Das erste Stück des Albums ist von dem heute quasi in Vergessenheit geratenen Sänger, Dirigenten und Komponisten Jakob Haibel (1762-1826). Im Jahr 1807 heiratete dieser Sophie Weber, eine weitere Schwester von Josepha – also ebenfalls eine Schwägerin Mozarts. Als Komponist des Singspiels „Der Tyroler Wastel“ (1796) erwarb sich Haibel einen Namen. Daraus singt Sarah Traubel die Nr. 18 „Alles will ich brechen, beugen“. Der kurze Text einer selbstbewussten Frau ist dann auch wie ein Fanal der Zeit, ein Aufbegehren.
Das Opponieren zieht sich allerdings nicht durch die gesamte Stückeauswahl auf der CD und wird dadurch der damaligen Zeit viel gerechter. Thematisiert und kritisch hinterfragt wird zwar auch der Einfluss von Kirche und Religion sowie die Geschichtsrezeption, gleichzeitig ist jedoch jene Zerrissenheit und Verklärung zu finden, die mit der Romantik aufkommt, es geht um inbrünstige Liebe, um Jahreszeiten und Naturverbundenheit, um die Antike und Fragen von Tugenden.
Die geflechtartigen Verbindungen führen weiter zu Vincenzo Righini (1756-1812) – auf der CD mit zwei Stücken vertreten –, der aus Bologna stammte und mit einer schönen Sopranstimme ausgestattet und ausgebildet worden war. Er arbeitete vornehmlich in Prag, Wien und Berlin und war wiederum ein Gesangslehrer von Josepha Hofer, die zu der Zeit noch ihren Mädchennamen Weber trug.
Der Brückenschlag von Franz Xaver Süßmayr (1766-1803) zu Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) liegt in seiner Schülerschaft und Assistenz beim Komponieren sowie in der Beendigung dessen Requiems. Auf den Kapellmeister gehen viele Singspiele zurück und er war bereits als 30-jähriger eine feste musikalische Größe in Wien.
Paul Wranitzky (eigentl. Pavel Vranický, 1756-1808) war mährischer Komponist und Dirigent und äußerst beliebt und versiert zur Zeit der Wiener Klassik – heute fast unbekannt. Wie Mozart war er in der Freimaurerloge „Zur gekrönten Hoffnung“ und mit ihm befreundet. Wranitzkys „Oberon, König der Elfen“ von 1789 – bei der Uraufführung sang Josepha Hofer die Rolle des Oberon – war eine beliebte Oper.
Dieses Singspiel in drei Akten inspirierte 1791 den Schauspieler und Operndirektor Emanuel Schikaneder (1751-1812), das Libretto der „Zauberflöte“ für Mozart zu schreiben.
Am 30. September 1791 wird die Oper „Die Zauberflöte“, im Freihaus-Theater auf der Wieden uraufgeführt. Mozart dirigiert selbst vom Klavier aus, Süßmayr blättert ihm um, die Schwägerin Josepha Hofer singt die „Königin der Nacht“. Für eine Koloratursopranistin ist also sowohl Wranitzky als auch Mozart ein „Muss“ und fehlt auch auf diesem Album nicht.
Peter von Winter (1754-1825) in Mannheim geborener Komponist und Gesangslehrer galt einmal als einer der wichtigsten deutschen Komponisten seiner Zeit. Viel davon ist auch ihm nicht vergönnt geblieben, auch wenn er sich intensiv mit Mozart und Goethe beschäftigte und einige Opern komponierte, darunter – gemeinsam mit Schikaneder – eine Fortsetzung der „Zauberflöte“ namens „Das Labyrinth“ oder „Kampf mit den Elementen“, die 1798 zur Uraufführung kam. Gesungen übrigens von Josepha Hofer (Königin der Nacht), Emanuel Schikaneder (Papageno) und Jakob Haibel (Monostatos) u.a.
Schließlich sind noch zwei weitere Komponisten, die gemeinsam ein Werk komponierten, auf dem Josepha-Album zu finden: Benedikt Schack (1758-1826) und Franz Xaver Gerl (1764-1827). Auch sie gleiten am Rande des Vergessen-Werdens entlang und gehören in das Umfeld von Emanuel Schikaneder, der beide Sänger und Komponisten förderte. Aus der „Oper „Die beiden Antone“ – eher leichte und porös empfindsame Kost – singt Traubel „Auch im Schlummer seh‘ ich dich“.
Mit ihrer wunderbaren und vielseitig klingenden Stimme hat sich Sarah Traubel mit der PKF- Prague Philharmonia einen Orchestertyp gewählt, der sich nah an der Wiener Klassik orientiert. Aufgenommen im heißen Sommer 2019 in der Kirche der Heiligen Anna – Zentrum Prager Kreuzung (Kostel sv. Anny – Centrum Pražská křižovatka), einer entweihten Kirche, um die sich die Stiftung von Dagmar und Václav Havel VIZE 97 verdienstvoll kümmert.
Das Album ist schließlich als Fazit nicht nur eine Hommage an Josepha Hofer und der Beweis einer koloraturwürdigen Nachfolgerin, sondern auch eine Geschichtsstunde in eine andere Zeit und Welt zu blicken: in den Kosmos Mozart.
Sarah Traubel: Arias for Josepha
Werke von Mozart, Haibel, Süßmayr, Wranitzky u. a.
Sarah Traubel (Sopran), PKF-Prague Philharmonia, Jochen Rieder (Leitung)
Label: Sony Classical
EAN: 8803581184969
Weitere Informationen zu Sarah Traubel
Hörproben
YouTube-Video:
- Sarah Traubel – Arias for Josepha (EPK)
- SARAH TRAUBEL: Arias for Josepha (Sony Classical)
- Il natal d'Apollo, Act 2: "Bella fiamma" (Erifile
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