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Seit über zehn Jahren bereichert Sarah Chaksad mit größeren bis großen Formationen die europäische Jazzszene. Für ihre Produktionen und Konzerte wird die Schweizer Alt- und Sopran-Saxophonistin und Komponistin international gefeiert.

Von 2012 bis zur Corona-Pause war Sarah Chaksad vor allem mit ihrem Orchestra unterwegs, mit dem sie auch zwei Alben veröffentlicht hat.

 

„Während der Pandemie habe ich viele neue Stücke geschrieben, die nach einer anderen Formation gefragt haben“, erklärt sie den Impuls zur letztjährigen Gründung ihres Large Ensembles. „Die Band sehe ich als eine logische Weiterentwicklung. Sie kann meine Vorstellungen von verschiedenen Klangfarben detailliert umsetzen, gleichzeitig bekomme ich so die Chance, offener zu schreiben und mehr Raum für Improvisationen zu lassen.“ Mit einer Person pro Instrument und insgesamt 13 Mitgliedern ist das Large Ensemble wesentlich beweglicher als Chaksads ehemaliges Orchestra. „Die Möglichkeiten in dieser Band, aus lediglich einigen Akkorden wie etwa im ersten Teil von „Lost“ spontan etwas entstehen zu lassen, finde ich faszinierend.“

 

Dass die Balance zwischen notierten und improvisierten Teilen so perfekt gelingt, liegt natürlich auch an der Qualität der hochkarätigen Musikerinnen und Musikern, die Chaksad gezielt ausgesucht hat. Schon bei der Entwicklung des Repertoires hatte sie deren individuelle Spielhaltungen und Gestaltungswillen vor Ohren. „Mit den meisten aus der Band habe ich bereits eine Geschichte. Viele kommen aus meinem direkten Umfeld in Basel, einige waren schon beim Orchestra dabei. Es sind Persönlichkeiten mit starker improvisatorischer Ausstrahlung und teils sehr unterschiedlichem, internationalem Background, was mir sehr gefällt.“ Neben Basel ist Berlin ein Haupt-Herkunftsort, andere wohnen in Paris und Trondheim oder haben einen brasilianischen, iranischen und sogar japanisch-polnischen Hintergrund. Zur gelebten Diversität des Ensembles gehört auch, dass es Musiker*innen verschiedenen Alters zusammenbringt.

 

TOGETHER COVEREine Premiere ist Chaksads Zusammenarbeit mit Julia Hülsmann, deren Stilistik ebenso auffällt wie Paco Andreos Ventilposaune und das Bassethorn von Catherine Delaunay (Mitglied im Orchestre National du Jazz). Oder Fabian Willmanns markant timbriertes Tenorsaxophon und Yumi Itos glockenhelle, äußerst wendige, virtuos über mehrere Oktaven springende Melismen. Nicht zu vergessen Hildegunn Øiseths (u.a. Marilyn Mazurs Shamania, Trondheim Jazz Orchestra) Trompete, deren poetisch-atmosphärische Tongebung zuweilen an Nils Petter Molvaer erinnert. Tragende Rollen im Hintergrund nehmen Eva Klesse am Schlagzeug und der Flötist Christoph Bösch ein, der aus der zeitgenössischen Musik kommt.

 

Viele Kompositionen von Together entstanden in einer für Sarah Chaksad emotional nicht einfachen Zeit. „Anfang 2020 ist mein Vater gestorben und dadurch war meine Verbindung zu seinem Herkunftsland Iran plötzlich unterbrochen. Um meinen Wurzeln nachzuspüren habe ich mich inten- siver als je zuvor mit traditioneller persischer Musik beschäftigt.“ Ihr Vater spielte die Röhrentrommel Tombak, ihre schweizerische Mutter ist klassische Musikerin. „Melodien und Klänge aus dem Iran gehörten in meiner Kindheit und Jugend einfach dazu, wir haben sie so selbstverständlich gehört, wie bestimmte Gerichte von dort bei uns auf den Tisch kamen. Der Reichtum der persischen Musik war mir trotzdem lange nicht so richtig präsent, weil ich mich vor allem auf Jazz konzentriert hatte.“

 

Inzwischen ist Sarah Chaksad klar, wie sehr die eher unbewussten Erfahrungen in der Familie ihre heutigen Werke inspirieren. „Normalerweise entwickele ich zunächst die Basslinien und die Melodien, der Rest kommt sehr oft intuitiv dazu. Dass nun fast alle Stücke von Together auf ungeraden Metren basieren, hatte ich mir nicht gezielt zurechtgelegt.“ Das Spektrum reicht von 5/8 im Titelstück über 6er-, 9er- und 12er-Takte mit unterschiedlichen Akzentuierungen bis zum 13/8 bei „Imagine Peace“. Noch unmittelbarer als die pointierte Rhythmik lassen bestimmte Melodielinien, beispielsweise in „Hope“, an persische Traditionen denken. Am markantesten wirkt die Brücke zwischen den Kontinenten im großartigen Solo von Misagh Joolaee auf der Spießgeige Kamancheh. Sein wunderbares Spiel verleiht Chaksads musikalisch-klanglicher Imaginationskraft in „Together“ zusätzliche Tiefe, gemeinsam kreieren sie eine besondere, ungemein intensive Stimmung.

 

Chaksads vielgestaltige Kompositionen reflektieren persönliche Erlebnisse und das Zeitgeschehen. Im Aufmacher des Albums, „Circle“, symbolisiert eine sich immer wiederholende Akkordfolge die – manchmal auch amüsanten – Kreise, die das Leben zieht. „Meine Eltern haben damals in Berlin studiert und sich dort kennengelernt, heute spiele ich mit Menschen aus Berlin und nehme in der Stadt meine Platte auf.“ Nachdenkliche Innerlichkeit und Aufbegehren spiegeln sich im ersten Teil von „Lost“, später signalisiert eine versöhnliche Melodie eine Art Beruhigung und Ausgeglichenheit der Gefühle. Verspielt erscheinen die gegenläufigen und ineinandergreifenden, teils repetitiv-knappen, teils strahlenden Motive von „Louana“, das die wechselhaften, oft etwas richtungslosen Bewegungen eines Kindes stimmig und mit Humor vertont.

 

Vor den Aufnahmen im legendären Berliner Hansa Studio im März 2023 spielte das Large Ensemble vier Konzerte, um einen großen Teil des Repertoires inklusive seines Potentials für Improvisationen auszuloten. Natürlich würden sich die Stücke verändern, jeder Take jedes einzelnen Titels habe im Studio einen eigenen Charakter entwickelt, unterstreicht Chaksad die Beweglichkeit ihrer Band. Das weckt Erwartungen für die im Februar anstehenden Auftritte in der Schweiz, Deutschland und weiteren Ländern.

 

Sarah Chaksad versteht ihr spannendes neues Album auch als eine Art Plädoyer für Zusammenhalt und Zusammenstehen, über Länder- und politische Grenzen hinweg. Together vereint den enormen Klangfarbenreichtum, die Tiefenschärfe und Dynamik einer Großformation mit eindrücklichen, individuellen Soli. Raffinierte Rhythmik, vitale Spielfreude und einige im Jazz eher seltene Einflüsse ergeben eine intellektuell wie emotional ansprechende Musik, die nicht alle Tage zu hören ist.


Sarah Chaksad Large Ensemble: Together

Sarah Chaksad: Alto and Soprano Saxophone, Composition | Yumi Ito: Vocals | Christoph Bösch: Flutes | Fabian Willmann: Tenor Saxophone, Clarinet | Catherine Delaunay: Basset Horn, Clarinet | Hildegunn Øiseth: Trumpet | Paco Andreo: Valve Trombone, Euphonium | Lukas Wyss: Trombone | Sophia Nidecker: Tuba | Julia Hülsmann: Piano | Fabio Gouvea: Guitar | Dominique Girod: Bass | Eva Klesse: Drums | Misagh Joolaee: Kamancheh (Track 2)

Label: clapyourhands

CD

EAN: 7649995403101

Weitere Informationen (Label)

 

YouTube-Videos:

- Love Letters (teaser 1:08 Min.)

- Together (1:32 Min)

 

Tracklist:

01. Circle 7:31

02. Together 7:23

03. Love Letters 3:14

04. Green I 6:28

05. Green II 6:12

06. Lost 10:28

07. Imagine Peace 7:09

08. Tears 8:32

09. Louana 5:44

10. Hope 5:47

 

Tourdaten:

14.02.2024 – Fasching Stockholm (SE)

16.02.2024 – Bejazz Winterfestival (CH) 17.02.2024 – Paradox Tilburg (NL)

21.02.2024 – Jazzclub Singen (DE)

22.02.2024 – Unterfahrt München (DE)

23.02.2024 – Jazz Now Frauenfeld (CH)

24.02.2024 – BASF Jazzfestival Ludwigshafen (DE)

04.05.2024 – Offbeat Jazzfestival Basel (CH)

07.05.2024 – Jumeaux Club Lausanne TBC (CH)

09.05.2024 – Festival Women in Jazz Halle (DE)

11.07.2024 – Jazz im Palmengarten Frankfurt (DE)

(Stand: Nov. 2023)

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