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Abdullah Ibrahim Dream Time

Er ist der wohl bekannteste Pianist seines Heimatlandes Südafrika, auch wenn er seit geraumer Zeit ein neues zuhause in Bayern gefunden hat: Abdullah Ibrahim.
Abdullah Ibrahim, geboren 1934 und eigentlich qua Geburt Adolph Johannes Brand heißend, schenkt seinem Publikum, das weltweit anzutreffen ist, eine neue CD, ein Livemittschnitt vom März 2019 aus einer winzigen Gemeinde Oberbayerns namens Söllhuben. Dort, im ländlichen Chiemgau und im Veranstaltungsraum des Hotels und Gasthofs Beim Hirzinger, entschleunigt der Künstler sich und sein Publikum. So kommt der Name des Albums nicht von ungefähr: „Dream Time“.

„Langer, ruhiger Lebensfluss“ übertitelt der Musikwissenschaftler und -redakteur des Bayerischen Rundfunks, Roland Spiegel seinen Text im Booklet und schreibt später punktgenau: „Eine Ruhe, die fesselnde Kraft hat. Er beginnt mit ganz leisen Tönen, aus denen sich langsam eine Melodie herausschält. […] Ein Meister des Übergangs.“

Und in der Tat ist diese CD ein Meisterwerk an Können, Besonnenheit und Eleganz – wie eine Hommage an sich und sein Leben. Ibrahim hält von der ersten Note des ersten, bis zur letzten des zwanzigsten Stücks seine hohe konzentrierte Qualität durch und er öffnet immer wieder faszinierende Klangräume, variable Gesten und enorme Variationen. Es muss auch die außergewöhnliche Konzentrationsleistung erwähnt werden, die der Pianist aufbrachte, alle Stücke ohne Unterbrechung für die Aufnahme hintereinander wegzuspielen!

COVER Dream Time Abdullah IbrahimErstaunlich ist darüber hinaus, wie vielseitig und international Abdullah Ibrahim seinem Instrument Töne entlocken kann, Melodien sind europäisch, südafrikanisch, amerikanisch geprägt, ein „Verbinder“ von Kultur, der zweimal einen „Blue Bolero“ im Repertoire hat, wie Huldigungen an John Coltrane, Lawrence Brown und Duke Ellington („For Coltrane“, „Song For Lawrence Brown“ und „Dedication to Duke Ellington“), den Distrikt Sechs in Kapstadt („Capetown District Six) betitelt, jenem Distrikt aus dem zur Zeit der Apartheit die schwarze Bevölkerung in die sogenannten „Home Lands“ zwangstransportiert wurden und das Ganze zu immensen Unruhen führte, oder uns im nächsten Moment ins Skiparadies der Colorado-Rockies nach „Aspen“ entführt oder ins italienische Triest („Trieste my Love“). Und natürlich in der Mitte der CD, das dem Album titelgebende Stück „Dream Time“, ein Hochgenuss an Ruhe und Kontemplation.
Schließlich ist auch das südafrikanische, sprich sein „Whoza Mtwana“ (Zulu, dt. Whoza Baby) – eine Hymne – zu finden und eine so ganz andere Version, als die von Abdullah Ibrahmin aka Dollar Brand auf seinem Album „African Marketplace“ aus dem Jahr 1980. Eine nachvollziehbare Verwandtschaft gibt es da eher mit Dollar Brands (Abdullah Ibrahim) „Whoza Mtwana"-Interpretation auf dem Album „Dollar Brand At Montreux“, ebenfalls 1980.

Die Aufgeregtheit eines Wildwasserflusses von 1980 ist dem gemächlichen, ruhigen dahinfließen eines musikalischen Lebensstromes von 2019 gewichen. Und am Ende des Albums angelangt denke ich: Ja, er kann es – er kann einfach noch mehr, immer mehr aus allem herausholen, in all seiner Weisheit, seinem Zen, seiner Stärke. Er ist einer, der aus seiner inneren Kraft schöpft: ein Music-Martial-Arts-Künstler.

Abdullah Ibrahim: Dream Time

Abdullah Ibrahim – Solo Piano
Label: enja/Edel
EAN: 063757967620

YouTube-Video:
Abdullah Ibrahim performs "Dreamtime" on WBGO

Konzerte:
19.11.2019: Philharmonie Berlin
31.01.2020: Tonhalle Maag, Zürich/Schweiz


Abbildungsnachweis:
Portraitfoto: Jan Scheffner
CD-Cover, enja

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