Keine Linie in Sicht – weit und breit. Dafür Tropfen, Punkte, Flecken, Tupfen und Blasen.
„Drops & Points“ heißt das neue Album des Luxemburger Vibraphonisten Pascal Schumacher (*1979), das er gemeinsam mit dem Französischen Gitarristen Maxime Delpierre (*1975) soeben in den Handel gebracht hat. Ein ungewöhnliches Album, zumindest musikalisch, ist Schumacher doch eher im Jazz und in der Klassik beheimatet als in der elektronischen Minimalmusik. Die zieht sich jedoch wie ein Roter Punktefaden durch den dreiviertelstündigen Hörgenuss.
Orientierungswechsel
Steve Reich und Philip Glass finden im Duo Schumacher/Delpierre würdige Nachfolger und damit verlassen die beiden Musiker auch ihre europäisch-orientierte kulturelle Heimat ein Stück. Bisher war nämlich die Verbundenheit mit der europäischen Musik bei allen Vorgängeralben klar und eindeutig. Doch nun der Wechsel, die der Suche nach neuen Feldern gerecht wird. Schumacher verwendete zuvor nämlich immer weniger Zeit mit der Aufnahme von Alben als mit der Postproduktion. Die Digitalisierung ist in diesem Fall ein Ermöglicher von Klangwelten und Kombinationen, die nicht nur ohne viel Personal auskommen, sondern auch inhaltliches Neuland betreten lassen. Nun gehört die Wiederholung von musikalischen Themen und Sequenzen seit langen nicht mehr dazu, aber doch der elektronische Raum: Durch Klangverschiebungen, verschiedenerlei Effekte, Verzerrungen und Unschärfen entsteht Neues, Ungewohntes. Zwar unterliegen die meisten der sieben Stücke von „Drops & Points“ melodischen, wohlklingenden Kompositionen (z.B. „Dots“ und „Drop my Mind“) – die meisten davon aus der Feder von Pascal Schumacher – jedoch ist dies kein dogmatisches Prinzip und macht das Album vielseitig (z.B. „Bubbles“ und „Tango of Points“). Besonders hervorzuheben ist die extrem spannende Kombination der beiden Instrumente Gitarre und Vibraphon, die sich ergänzen, bekämpfen, austarieren und sich in ihrer Vieldeutigkeit durchaus auch klar positionieren müssen. Das wird beispielsweise bei „Drop my Mind“ durch den Western-Style-Gitarrensound verdeutlicht, der sich später in E-Riffs-Verlängerungen ergießt. Oder dem orientalischen Tango-Start des letzten Stücks der CD. Im Nu wird dieser zu einem sich rhythmisch festen und sich wiederholenden, dann zu einem saltatorischen Führungspositionsklang.
Feinsinniges Ergebnis
Die Entwicklung dieser Sound-Sprache lässt Kategorisierungen zur Unbedeutsamkeit werden. Schumacher bezeichnet die Entwicklung zu den Aufnahmen zurecht als ein Abenteuer, das aus einer gewissen Unzufriedenheit geboren wurde. Das kann ein guter Entfaltungsantrieb sein – zumal wenn man auf einen Gleichsuchenden wie Delpierre trifft. Jeder Künstler steht irgendwann vor der Frage wohin die Reise weitergehen soll und dann sind andere kreative Synapsen gefragt als im Zustand der Routine und des Zelebrierens von bereits Bewährtem.
„Drops & Points“ ist ein wundervoll feingliedriges Ergebnis, dass sich einerseits historischer Vorbilder bewusst ist, anderseits aber auch notwendige Distanzen kultiviert – ja, kultivieren muss. Heute gilt der Spruch „sich selbst immer wieder neu erfinden“ zu müssen mehr denn je, bringt man damit nicht nur sich selbst, sondern das ganze Genre voran.
Die Mitnahme des Publikums folgt dann hoffentlich auch!
Pascal Schumacher feat. Maxime Delpierre: Drops & Points
Pascal Schumacher (Vibraphon, Piano, Synthesizer) Maxim Delpierre (Gitarre, Synthesizer), Martha Khadem-Missagh (Violine), Pierre Laurent (Violine), Jean-Francois Mein (Viola), Raju Vidali (Cello)Label: Modulating Music
EAN: 3614595705164
YouTube-Videos:
Pascal Schumacher feat. Maxime Delpierre: Drops & Points (Official Album Teaser)
Pascal Schumacher feat. Maxime Delpierre: Drops & Points (The Live-Show)
Abbildungsnachweis:
Headerfoto: © Pascal Schumacher
CD-Cover
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