add art – ein Kunstrundgang durch Unternehmen in Hamburg
- Geschrieben von Claus Friede -
Zum dritten Mal fand am vergangenen Wochenende die „add art“ – Unternehmen in Hamburg öffnen ihre Türen für Kunst, statt. Auch nach drei Jahren ist die Idee, die von Hubertus von Barby von der „newskontor GmbH – Agentur für Kommunikation“ initiiert wurde, trag- und ausbaufähig.
Das soll der Kunstrundgang und Erlebnisbericht durch fünf teilnehmende Unternehmen zeigen, die unterschiedlicher nicht sein könnten und deren Kunstförderungskonzepte es ebenso sind. Gerade die Mischung unterschiedlicher Ausrichtung und gedanklicher Ansätze zeigt die Motivation, die interne und externe Kommunikation und Intension der Hamburger Wirtschaft einerseits, aber auch die der teilnehmenden oder in Sammlungen vertretenden Künstler andererseits.
Grob können zwei Ausrichtungen unterschieden werden: Jene Unternehmen, die Kunstsammlungen aufgebaut haben und dauerhaft ihr Engagement zwischen Tradition und Zeitgenossenschaft aufzeigen möchten sowie jene, die teilweise lediglich im Zeitraum der „add art“ oder auch ganzjährig ihre Türen für Künstler öffnen und sich und die Besucher in überraschende Momente versetzen. Dass die Hamburger Unternehmen ihr Potential an Selbstdarstellung dadurch nutzen ist selbstredend wie verständlich. Die Erfahrung der Teilnahme an der „add art“ ist in den geführten Gesprächen bei den meisten positiv angekommen, sowohl was die Unternehmensleitungen und Mitarbeiter angeht, als auch beim Publikum.
Der Samstag beginnt beim Privatbankhaus Merck Finck & Co. Das Unternehmen hat kürzlich erst seine neuen Räume am Alstertor bezogen, der Blick auf die Alster aus dem 6. Stock ist der erste „Eyecatcher“. Eberhard Hofmann, Leiter der Hamburger Niederlassung und Abteilungsdirektor Philipp Stodtmeister, begrüßen die Gäste mit freundlichen Worten, Kaffee und Gebäck. Jeder Besucher fühlt sich gleich wie ein willkommener Gast. Dann übergibt er das Wort an eine externe Kunstberaterin. Die etwas hektisch wirkende Frau ist zuständig für die Auswahl der Werke der drei Künstlern – Gerwald Rockenschaub (AT), Dennis Koch (USA) und Lars Hinrichs (DE), die in den verschiedenen Räumen präsentiert sind. Unter dem Titel „the story behind“ versucht sie recht oberflächlich den Besuchern das zu vermitteln, was sie dort ausgewählt hat. Leider bleibt das Ganze in der Beliebigkeit und einer Aneinanderreihung von Worthülsen stecken. Damit wird der Besuch weder den Künstlern, noch dem Unternehmen gerecht, ganz zu schweigen von den Besuchern.
Die Kunst ist gut, die vermeintlichen Erläuterungen sind es nicht.
Insbesondere der gläserne Raum mit Arbeiten von Gerwald Rockenschaub (Leihgaben der Galerie Vera Munro) ist sehr gelungen (lassen wir die verbalen Ausflüge dazu einmal weg). Der österreichische Künstler, der Ende der 1970er-Jahre sein Kunststudium in Wien aufnahm, den Österreichischen Pavillon auf der Biennale di Venezia 1993 bespielte und an der „documenta 12“ teilnahm, schafft mit seinen klaren neo-geometrischen Werken eigene Raumsituationen, so auch bei Merck Finck & Co. Auf einer grauen Wand setzen sich drei rechteckige und objekthafte Bilder mit sich und der Architektur auseinander. Licht, Reflexion und Schattenwurf sind dabei vom Künstler gesetzte Größen. Ein kleiner gelber Zylinder „klebt“ wie eine Markierung dicht unter der Decke und setzt Blickrichtung und den eigenen Körper in eine ungewohnte aufschauende und aufstrebende Situation.
Viele der Kunden der Bank, so ist von Hofmann zu erfahren, sammeln Kunst und so ist gegen das Prinzip, diesen Aspekt aufzugreifen, nichts einzuwenden, obwohl ein überzeugendes inhaltliches Interesse seitens der Privatbank nicht zu erspüren ist an dem Vormittag. Das Delegieren an Fachleute macht sicherlich Sinn, jedoch sollte der eigene Umgang nicht mit den Worten entschuldigend quittiert werden, man habe keine Ahnung von Kunst.
Weiter geht es über den quirligen Rathausmarkt zur „Ter Group“, einem weltweit operierenden Unternehmen, mit Sitz an die Börsenbrücke. Zwei junge Künstler stellen aus: die Malerin und Grafikdesignerin Nathalie Hummer und der aus Russland stammende und in Bielefeld lebende Fotograf Eduard Zent. Die „Ter Group ist erstmalig an der „add art“ beteiligt, dem Geschäftsführer Christian Westphal und seine Gattin merkt man augenblicklich ihren Enthusiasmus für Kunst an. Ihre Motivation ist persönlicher Natur, die wie selbstverständlich in das Unternehmen eingebettet zu sein scheint.
Die kontrastreichen Bildwerke von Nathalie Hummer gehen motivisch von der traditionsreichen Kultur der Tätowierung aus. Dabei ist der zeitgenössische europäische Aspekt ebenso in ihren Grafiken zu finden wie der historische Ozeaniens und Asiens in den Tafelbildern. Durchaus ironisch sind kleine visuelle Kommentare zu verstehen, beispielsweise wenn die Künstlerin in dem Bild, das sich auf die frühen mittelalterlichen Mangas bezieht, einem der Samurai-artigen und tierköpfigen Kämpfer einen christlichen Heiligenschein verpasst und somit die Ikonographie verschiedener Kulturräume vermengt.
Eduard Zent nimmt sich einem Thema an, welches ihn seit seiner Kindheit beschäftig, das der Migration. Aus dem Ural nach Westdeutschland kommend, bedeutet, sich mit der Frage der Herkunft und Positionierung einer Schicksalsgemeinschaft zu widmen. Seine dunklen Fotografien zeigen Menschen in Trachten ihrer jeweiligen Heimat. Sie sind jedoch nicht als Ganzkörper zu sehen, sondern angeschnitten, sodass beine und Füße nicht zu sehen sind. Wie ein Blick durch ein Fenster geben diese Bilder immer nur ein Fragment frei, die eigentliche Verortung bleibt im Unklaren.
Beide Künstler erläutern ihre Bilder, ihre Ideen und Motivationen selbst, dadurch wird die eine Stunde Führung zu einem authentischen Erlebnis für die Besuchergruppe, die wiederum sich selbst mit Fragen und Kommentaren nicht zurückhält.
Überhaupt ist das individuelle- und Gruppengespräch der rote Faden der „add art“ – es wird viel über Kunst gesprochen, Inhalte diskutiert und kommentiert. Unternehmen, von denen man noch nie gehört hat stellen sich vor und – vergleichbar der „Langen Nacht der Museen“ – trifft man sich als „Rundgänger“ immer wieder, tauscht sich aus und hat ein Gefühl von gemeinsamen Erleben und Teil einer Solidargemeinschaft zu sein. Außerdem erobern die Besucher nicht allein bislang ungesehene Kunstwerke in Unternehmensräumen, auch die Lage der Büros, der ungewohnte Blick, die neue Perspektive auf die Stadt und Details derer haben ihren ganz eigenen Reiz.
Das gilt auch für das oberste Stockwerk der Helios Endo-Klinik an der Holstenstraße. Der Rundum-Blick fesselt alle Besucher gleichermaßen. Ganzjährig finden hier für Patienten und Interessierte Ausstellungen mit unterschiedlichen Künstlern statt, die Flure sind weitläufig und für Maler, Fotografen oder Grafiker ist genügend Platz vorhanden einmal eine größere Menge an Bildern ausstellen zu können. Künstler bewerben sich selbst oder werden vorgeschlagen. Im ersten Stock ist ein zweiter Bereich für Ausstellungen sowie im Untergeschoss, der Radiologie-Abteilung. Fast möchte man meinen die Verantwortlichen verstecken das wirklich Gute, hängen hier dokumentarische und historisch-fotografische Kostbarkeiten aus dem Stadtteilarchiv St. Pauli: eine einhundert Jahre alte Aufnahme des Elbtunnels, ein Blick auf den Spielbudenplatz aus dem Jahr 1938 und eine Open-Air-Zirkusszene von 1956 an der Silbersackstraße. Der Charme dieser großen Fotoabzüge zieht alle Besucher unserer Gruppe in den Bann.
Mittlerweile ist es Abend geworden und ich freue mich auf den kommenden Tag und weitere Besichtigungen.
Der Sonntag beginnt sonnig und unerhört warm. Die HafenCity ist lichtdurchflutet und die Interessenten bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Schwarz & Partner sammeln sich. Der Blick auf die Elbphilharmonie, den Sandtorhafen und die Magellan-Terrassen aus dem 6. Stock ist beeindruckend. Carsten Schwarz begrüßt mit Sekt und einem freundlichen Lächeln. Auch sein Unternehmen zeigt ganzjährig Kunstausstellungen. Er erklärt, dass er bei der Suche nach Räumen für sein Unternehmen auch darauf großen Wert legte, genügend Wandmeter für Kunst zu haben. Mit Katharina Duwe zeigt die Gesellschaft Werke einer renommierte Künstlerin und eines Spross’ einer der wenigen Hamburger Künstlerfamilien. Die Malerin nimmt sich für die Gäste viel Zeit, erklärt Inhalte, Methodik mit Hingabe, beantwortet jede Frage ernsthaft und ausführlich.
Ich treffe erneut eine ganze Handvoll Menschen, die ich schon am Vortag sah, wir durchstreifen gemeinsam die Räume und stehen noch lange zusammen und unterhalten uns – nicht nur über Kunst!
Nur einen Steinwurf davon entfernt in der Speicherstadt sitzt der „Art Lawyer“ Jens O. Brelle. Hier tauche ich in eine ganz andere Atmosphäre eines Unternehmens ein, alle Werke wirken authentisch platziert, inhaltliche Zusammenhänge lassen sich erkennen: Brelle ist ein Sammler, Förderer und Kulturanwalt, der seine Künstler und Ankäufe regelrecht lebt und ihnen manchmal erstaunlichen Raum zugesteht. Der Künstler Sebastian Kubersky zerlegt geradezu das private Reihenhaus des Anwalts und ließ es in einem unfertig erscheinenden Rohbauzustand. Eine Dokumentation von „Vandalism change research Entstuckung“ – so der Titel – ist in den Räumen zu sehen. Bei Interesse führt Brelle auch zu seinem Wohnhaus in Hamburgs Westen. So ein Engagement verdient Respekt und Anerkennung!
Meine „add art“-Tour ist zu Ende, mein Erlebnisspeicher gefüllt, die Gespräche waren anregend und Kontakte wurden ausgetauscht. „add art“ ist zu einem kommunikativen Netzwerk geworden, welches jeder in einer für sich entsprechenden Weise nutzen kann. Bei aller teils gerechtfertigten Kritik, dass hier und da die Kunst benutzt würde für rein kommunikative Zwecke von Unternehmen, das gros ist mit Herz und Selle dabei, denn hinter jedem Unternehmen stecken individuelle Menschen und die gilt es zu treffen und mit ihnen zu sprechen, ebenso wie die Künstler.
Die „add art“ findet jährlich am ersten November-Wochenende statt.
Weitere Informationen
Weitere Links zu Künstlern:
Nathalie Hummer
Eduard Zent
Katharina Duwe
Sebastian Kubersky
Abbildungsnachweis:
Header: Besuch bei der Ter Group. Foto: Claus Friede
Galerie:
01. Plakatwand zur "add art". Foto: Helge Mundt (add art)
02. Besuch beim Bankhaus Merck Finck & Co. Fotos: Claus Friede
03. Gerwald Rockenschaub bei Merck Finck & Co. Foto: Claus Friede
04. Eduard Zent: Andrew, aus der Serie: Moderne Tradition" (add art)
05. Nathalie Hummer: Anker-Tattoo (add art)
06. Kurios bis skurril: Bild von Christa Hartmann mit Klinik Utensilien. Foto: Claus Friede
07. und 08. Elbtunnel, 1915 und Zirkus in der Silbersackstraße, 1956. Fotos: Stadtteilarchiv St. Pauli
09. Werkle von Katharina Duwe bei Schwartz & Partner. Foto: www.thorsten-reinicke.de
10. Besuchergruppe bei "Art Lawyer". Foto: Claus Friede
11. Blick in die Räume von "Art Lawyer" mit Werrken von Anik Lazar, Alex Diamond, Paul Gregor u.a. Foto: Claus Friede
12. „Vandalism change research Entstuckung“. Foto: Sebastian Kubersky
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