Hört man dieses neue Album des Quintetts „Abisko Lights" namens „Point of View" einmal ganz durch, so glaubt man, es mit Filmmusik zu tun zu haben, denn es werden viele Bilder, vermeintliche Szenen und Sequenzen vor dem inneren Auge abgerufen.
Bevor das Musikalische bearbeitet werden kann kommt unweigerlich die Frage auf woher der Bandname stammt. Abisko Lights ist eine seit vielen Jahren geschickte und erfolgreiche Werbekampagne eines nordschwedischen Ortes, gut 200 Kilometer nördlich vom Polarkreis gelegen. Der 1909 gegründete und einsam gelegene Ort Abisko, am Rande eines der schwedischen Nationalparks, ist bekannt dafür, dass man dort – und besonders hoch oben auf dem Hausberg „Nuolja“ – die Nord- oder Polarlichter sehen kann, die grünlich zwischen Firmament und Erdkugel tanzen. Dieser magische Ort hat es offensichtlich Bandgründer Dirk Flatau (Piano) besonders angetan, zumal nicht nur das Quintett den Namen trägt, sondern auch eines von ihm komponierten Stücks (Nr. 5) auf dem Album, das man als programmatisch ansehen kann.
Nimmt man alle Titel zusammen, dann versprechen sie eher ein musikalisches Roadmovie als eine reine Jazz-Abhandlung. Wobei – Klassik und Jazz gehören seit Jahrzehnten zu den beliebtesten Klangspuren von Filmmusik.
Man merkt umgehend in vielen Passagen den Musikern die professionelle und überwiegend klassische Ausbildung an. So ist es denn auch kein Wunder, dass Cello (Tabea Schrenk) – mal gestrichen, mal gezupft – und Bassklarinette (Hannes Daerr) das ursprüngliche Trio in neue Sphären führt, zuweilen ungewöhnlich, dann wieder melodiös-harmonisch fließend (Crecent, Nr. 7) oder luftig geblasen. Gerade die Bassklarinette gibt dem Album immer wieder eine eigene, wundervolle Färbung, mit einem Hauch von Melancholie (Assam Special Blend, Nr. 2 | Fjäril, Nr. 6).
Die musikalische Reise bedient recht unterschiedliche Themen und kulturelle Ursprünge, auch wenn sie sich das Album instrumental-klanglich treu bleibt. Bemerkenswert ist nicht nur das gefeilte Zusammenspiel, sondern auch die wie selbstverständlich daherkommenden Freiräume der einzelnen Musiker.
Interessanter Weise beginnt „Point of View“ (Albumname und Einzeltitel, Nr.4) nicht mit Klarheit, sondern mit suchenden Momenten, bei denen noch gar nicht klar wird in welche Richtung es gehen kann. Perspektivsuchend zunächst übernimmt dann das Klavier den gesetzten Part der Führung: besonnen aber dezidiert, fest im Anschlag, um bald wieder mild zu werden. Hier wird die Führung schnell zur Verführung. Das Stück hat den flirrenden Reiz eines impressionistischen Bildwerks eines Monets, Sisleys oder Pissarros.
Das Album verabschiedet sich mit einem „Nocturne“ (Nr. 8). Der ruhige Übergang ins „Nacht werdende“ zieht seine langsamen Kreise in der Gewissheit auf sanften Schlaf. Keine Störung, gleichbleibendes Tempo – klingt nach drei Minuten aus.
Der Tenor des Albums ist: konzentrierte Perspektive, klare Haltung und mobile Standpunkte.
Abisko Lights: Point of View
Dirk Flatau: Piano,Komposition | Tabea Schrenk, Cello | Thomas Kolarczyk, Kontrabass | Hannes Daerr, Bassklarinette | Benni Wellenbeck, SchlagzeugLabel: GLM / Soulfood
EAN: 4014063424228
Hörprobe
Weitere Informationen und Tourdaten
Abbildungsnachweis:
Header: Abisko Lights. Foto: Dovile Sermokas / PR GLM
CD-Cover
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