Krieg auf der Bühne: „1864 Tagebuch einer Katastrophe“
- Geschrieben von Isabelle Hofmann -
„Klarer, schimmernder Frosttag, in der Morgenstunde zehn Grad Kälte“, notierte Hans Christian Andersen am 1. Januar 1864 in seinem Tagebuch.
„Unsere armen Soldaten liegen drüben in den Baracken; der Frost baut dem Feind Brücken über die Wasser; ein ganzer Völkerstrom wälzt sich auf uns zu, was wird nur geschehen!“ Wenige Tage später war auch dem Dichter klar, was passiert: Krieg! Österreich und Preußen vereint gegen Dänemark.
Mit ihrem Stück „1864 Tagebuch einer Katastrophe“ auf Schloss Gottorf erinnert nun das Kieler Factory Theater an den in Deutschland so gut wie vergessenen Deutsch-Dänischen-Bruderkrieg, der im nördlichen Nachbarland immer noch nationales Trauma ist. Zum 150. Jahrestag der Schlacht bei Düppel gab es im April zahlreiche Zeremonien und im dänischen Fernsehen wird mit „1864“ im Herbst die „teuerste dänische TV-Serie aller Zeiten“ anlaufen.
Wie bringt man einen Krieg auf die Bühne? Wie die komplexen und verworrenen politischen Umstände, die dazu führten? Gaby Schelle (Regie) und Christian Nisslmüller (Idee) schaffen es mit einem Kunstgriff: Sie spielen ein Stück im Stück.
„Guten Morgen, Anna“ – „Hallo“. Nach und nach trudeln Regisseur Franzen (Nisslmüller), Regie-Assistentin Anna (Undine Schmiedl), sowie die Schauspieler Guido Bayer, Alexander Kruuse-Mettin und Roland Peek auf der Hamburger Probebühne ein. Das Begrüßungsritual, die Suche nach dem Mantel, dem fehlenden Schauspieler und einer Textstelle gehört bereits zum Stück. „Wir spielen eine Probensituation, weil wir durch die zwei Zeitebenen die Schwierigkeiten der Annäherung mit hineinbringen wollen“, sagt Gaby Schelle. Und in der Tat: In den kurzen Pausen ziehen die Schauspieler immer wieder Parallelen zur Gegenwart, zu Syrien und der Ukraine – „auch ein Bruderkrieg, und gar nicht weit weg“, wie Nisslmüller sagt.
Ganz bewusst haben die beiden Theatermacher das Stück zweisprachig angelegt (mit dänischen Untertiteln, zwischendurch spricht auch ein Soldat dänisch). „Wir wollen etwas von dem Sprachwirrwarr vermitteln, das damals auf dem Schlachtfeld herrschte“, so Schelle. Es habe ja nicht nur dänische und deutsche Soldaten gegeben. „Mit den Österreichern, die Bismarck für den Krieg gewinnen konnte, kämpften auch Ungarn, Polen und Italiener um die Herzogtümer Schleswig und Holstein“.
Monatelang haben Schelle, Nisslmüller mit ihrer Dramaturgin Elisabeth Moll Quellen und Texte recherchiert. In ihrer „szenischen Installation“, die bis auf drei Hocker fast vollständig auf Requisiten verzichtet, stützen sie sich auf Briefe von Soldatenmüttern, -Schwestern und -Töchtern ebenso, wie auf Andersens Tagebücher und Tom Buk-Swientys Dokumentarbericht „Schlachtbank Düppel“. Dennoch ist ihre Herangehensweise „eher eine literarische“, wie Gaby Schelle betont. Die Begegnung der beiden feindlichen Vorposten, die sich anfreunden, Brot und Feldflasche tauschen, während um sie herum bereits die Kanonenkugeln durch die Luft zischen, ist fiktiv. Die Aufführungsorte, Schloss Sonderburg und Schloss Gottorf, sind es jedoch nicht. Vor den Toren Sonderburgs kam es am 18. April 1864 zur vernichtenden Schlacht. Die Verwundeten kamen damals nach Gottorf ins Lazarett.
Premiere im Museum Sonderjylland, Sonderborg: 13. August 2014, 19.30 Uhr,
Premiere auf Schloss Gottorf, 22. August, 19.30 Uhr. (Bis 30. August, am 31.8. gibt es noch eine Matinee um 12 Uhr).
Karten zu 19 €, erm. 12 € unter www.reservix.de, Konzertkasse Streiber (0431) 9141 6, Tageskasse Schloss Gottorf (04621) 8132 22 und eine Stunde vor Vorstellungsbeginn vor Ort.
Lesen Sie auch einen weiteren KulturPort-Beitrag zum Thema: „1864 – Der Krieg um Schleswig-Holstein“
Abbildungsnachweis: Alle Fotos von Isabelle Hofmann
Header: Deutscher und Dänischer Soldat. von links: Roland Peek, Alexander Kruuse-Mettin, Alexander Christian Nisslmüller und Undine Schmiedl
Galerie:
01. Gaby Schelle und Christian Nisslmüller
02. von links: Roland Peek, Alexander Kruuse-Mettin, Alexander Christian Nisslmüller, Undine Schmiedl
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