Theater - Tanz
Tanzkurs beim Sonnenkönig „Vive Le Roi Soleil!“

Festmusiken, Ballette, Tafel- und Kirchenkonzerte im Orginalklangbild lassen die Pracht von Versailles unter Louis XIV von Frankreich noch heute lebendig werden.
„Vive Le Roi Soleil!“ war der Ausruf der Hofgesellschaft im Grand Théâtre de Versailles als Louis XIV. als „tanzende Sonne“ im Ballet von Lully auftrat.
Man muss sich mal vorstellen, Bundeskanzlerin Angela Merkel oder der neugewählte französische Präsident Hollande würden sich der Mühe unterziehen, drei Jahre lang intensiv jeden Tag Tango-, Jive- oder Hip-Hop-Schritte zu lernen, solange bis sie die besten Tänzer der Nation wären.
Anschließend würden sie stolz jedem ihrer Regionalfürsten und allen leitenden Bediensteten des Bundeskanzler- oder Präsidialamtes live im eigenen Theater vorführen, wie gut sie tanzen können und jeder würde versuchen das nachzumachen.

Genau das hat der mächtige europäische Monarch des 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts gemacht und es zur Politik erhoben – Louis XIV von Frankreich, genannt und berühmt geworden als „Roi Soleil“, der Sonnenkönig. Er lernte drei Jahre lang ungefähr 300 verschiedene Bewegungen und Schrittkombinationen des Menuett, nur um vor seinem Hof damit zu glänzen und als der „Beste Tänzer Frankreichs“ in die Geschichte einzugehen...
Die Tänze seiner Zeit sind heute noch mitreißend und haben die Musik ganz Europas grundlegend verändert und neu geprägt. Die Tanzschule des Königs hat unter anderem das Barockorchester und seine wichtigste Musikform, die „Suite“, erfunden und zur wahren Hochkultur entwickelt. Dazu das Musiktheater revolutioniert und die Kammermusik verfeinert und entwickelt. Von Bach bis Jethro Tull (Bouree) haben sich klassische und Pop-Musiker aller Zeiten seither auf Formen und Tonsprache dieser Zeit berufen und sie weitergedacht.

Wie war diese französische Musikrevolution möglich? Wir folgen in Tanzschritten dem König, um dies zu erkunden!

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Louis XIV wurde am 5. September 1638 in Saint-Germain-en-Laye bei Paris geboren und starb im Kreise seiner Hofgemeinde am 1. September 1715 in seinem Prachtschloss Versailles. Kein König hat jemals länger regiert als er – 72 Jahre! Nach dem fühen Hinscheiden seines Vaters Louis XIII wurde der junge Monarch schon am 14. Mai 1643 als Vierjähriger inthronisiert. Er konnte natürlich in diesem zarten Alter nicht schon den Staat führen und überließ dies zunächst seinem ersten Minister, dem Kardinal Mazarin und seiner Mutter Anna von Österreich (1601-1666). Mazarin war geborener Italiener Giulio Mazarini (wurde geboren 1602 in Pescina, Provinz L’Aquila, Italien und ist gestorben am 9. März 1661), seit 1659 Herzog von Nevers und Rethel sowie von 1642 bis 1661 regierender Premierminister Frankreichs und wurde auch „graue Eminenz“ genannt.
Der kleine König Louis liebte währenddessen besonders die Musik und das Theater. Frankreich war sehr kunstbeflissen zu dieser Zeit – ein Erbe der italienischen Fürstin Catharina von Medici (1519-1589), Tochter des berühmten Kunstmäzen und Renaissance-Fürsten Lorenzo de Medici und Ehefrau des französischen Königs Henri II.
Catharina von Medici hatte nicht nur die gute italienische Küche mit nach Frankreich gebracht, sondern auch ihre Liebe zur Musik. Sie führte einen Hof voller Musiker, die die ersten „Ballets de Cour” – regelmäßige Tanzveranstaltungen des ganzen Hofes einführten. Catharina baute sogar ein erstes eigenes Hoftheater und das darin aufgeführte „Ballet Comique de la Reine“ von 1581 gilt als die erste klassische Ballett-Veranstaltung der französischen Musikgeschichte.
Kaum konnte Louis richtig laufen, nahm er sich einen italienischen Tanzlehrer und übte sich tagtäglich im Ballett. Die Königinmutter und Mazarin unterstützen ihn darin, weil sie sich erhoffen, ihn von kindlichen „Machtspielen“ abzuhalten. Dennoch bereitete Mazarin den jungen König sehr gut und gründlich auf die Regierungsgeschäfte vor und beteiligte ihn frühzeitig an Entscheidungen. Louis begann seine eigene Regentschaft als Vierzehnjähriger nach dem Tod des Kardinals und es geht die Sage, das er den ersten Thronrat mit dem Satz eröffnete: „L'État, c’est moi“ – „Der Staat bin ich!“
Dies ist jedoch nicht unbedingt historisch belegt.
Der selbstbewusste Satz charakterisiert jedoch sehr treffend die Einstellung des Königs, die ihn sein ganzes Leben zum mächtigsten Monarchen des damaligen Europa erheben sollte – er sah sich als Mittel- und Ausgangspunkt des Staates und der regierenden Gesellschaft und seiner Untertanen.
So wie die Planeten um die Sonne kreisen, so drehte sich im Frankreich des Sonnenkönigs alles um ihn Louis „Quatorze“. Diese damals neuartige Staatsform nannte sich – zu recht – „Absolutismus“ oder „Gottes Gnadentum“. Sie bedeutet, dass der König nur Gott und sich selbst verantwortlich ist und mit absoluter Macht regiert.

Der Absolutismus wurde nach französischem Vorbild die vorherrschende Regierungsform vieler europäischer Monarchen die sich an Louis Erfolgen, seinem hochkarätigen Stil und seiner Macht orientierten und diese wahrhaft königlichen Attribute auch für sich und ihre Regentschaft erlangen wollten.
Louis XIV führte sehr erfolgreich Kriege gegen die Niederlande und Spanien und mehrte die Macht Frankreichs bis zu seinem Tode, die nun wahrhaft eine „Grande Nation“, der mächtigste Staat im damaligen Europa war.

Doch wie gelang es dem Sonnenkönig solche ungeteilte, absolute Macht auf sich zu vereinigen? Musik und Kunst halfen dabei – und Louis ureigener, unvergleichlicher Lebensstil... Louis XIV benötigte dringend eine ganz auf ihn zugeschnittene, unvergleichbare Bühne, um sich und seine Idee von absoluter Herrschaft in Pracht und Macht in Schönheit darzustellen. Und er entmachtete damit den französischen Adel, indem er diese Bühne baute auf der er regelmäßig auftrat. Alle, die im Reiche Einfluss haben wollten, mussten beständig dort anwesend sein und dem König vom Morgen bis in die späte Nacht hinein applaudieren. Doch er behauste, bewirtete und unterhielt seine ständigen „Gäste“ der Hofgesellschaft auf das Beste. Musiker, Maler, Literaten und Theaterleute aus Frankreich und ganz Europa waren an seinem Hof versammelt, und kein Tag verging ohne rauschende Feste und Bälle.

Die prächtige, einen Quadratkilometer umfassende, steinerne „Theaterbühne“ mit Platz für über 1.000 hochadelige Zuschauer inklusive Gesinde, die sich Louis, der Sonnenkönig, schuf, war wahrhaft seiner würdig – noch heute gehört sie zu den prächtigsten Schlössern Frankreichs – das Château de Versailles. Es liegt in dem Städtchen Versailles, einem Vorort von Paris. Ursprünglich gebaut als Jagdschloss für König Louis XIII durch Philibert Le Roy wurde es ab 1661 unter Louis XIV durch Louis Le Vau, François d’Orbay, Jules Hardouin-Mansart und Robert de Cotte in mehreren Abschnitten um- und ausgebaut.
1677 verkündete König Louis XIV, Versailles zum künftigen Regierungssitz zu bestimmen und den Hof 1682 aus dem Louvre und dem Palais de Tuileries in Paris zu verlegen. Die Herrschaft Louis XIV nennt man zu Recht das „Grand Siècle“. Der König hatte die Absicht, die besten Künstler, Architekten, Maler, Poeten, Musiker und Schriftsteller für Frankreich arbeiten zu lassen. Er entfaltete ein noch nie dagewesenes Mäzenatentum mit der Absicht die gesamte Kunstlandschaft Frankreichs zu beeinflussen, zu prägen und zu lenken, um sie im Interesse königlicher Politik zu instrumentalisieren.
Les Fetes (die Feste) ersetzen die Politik, die Intrige regierte und der Wunsch dem König nahe zu sein. Man antichambrierte im „Ante-Chambre“, dem Vorzimmer des Königs, wo man geduldig auf die Audienzen wartete.
Der Adel kümmerte sich statt um die Staatsgeschäfte lieber um die ständig wechselnden Moden, die man vom König abschaute. Diese zu kennen wurde wesentlich wichtiger für die Karriere, als sich in die Politik einzumischen.

Ein historisch ziemlich genaues Bild des Hoflebens in Versailles zeichnet die prächtige Verfilmung der Novelle von Alexandre Dumas (1802-1870; Die drei Musketiere) von 1998, „Der Mann mit der eisernen Maske“. Unter der Regie von Randall Wallace stellt der junge Leonardo di Caprio in einer Doppelrolle Louis XIV faszinierend und überzeugend dar. Louis XIV verstand es in seinem Palast die Sonne der Festlichkeiten nie untergehen zu lassen. Jede Gelegenheit, jedes Bankett, jeder Staatsbesuch, jede Jagdgesellschaft, jeden Abend das eigene Sprech- und Musiktheater, die Chapelle Royal, die königliche Kirche – alles wurde zur Schaubühne für Musik und Tanz. Dabei entwickelte diese beständige, musikalische Hochkultur das gesamte Instrumentarium der barocken Musik vom Kammer-Ensemble für das abendliche Dinner, über die Militärmusik für die Feste rund um die Springbrunnen des königlichen Palastes (L’Eau du Versailles) oder das Pferdeballett (Carrousel), das man sich ähnlich wie die Wiener Hofreitschule mit ihren Lippizanern vorstellen muss. Hier kam das Instrumentarium des „Krieges“: Fanfaren, Trommeln, Oboen und auch das Chalumeaux, ein Vorläufer der Klarinette, zum Einsatz.

Schließlich gründete Versailles das barocke Orchester seines prächtigen Theaters mit allen Klangschattierungen, die man sich nur vorstellen kann – hier entstand das Orchester in der Besetzung die noch heute für barocke Musik im Originalklang zum Einsatz kommt. Gleichzeitig machte der König seine Musiker und Theaterleute weltberühmt, sie waren oft persönliche Freunde bekamen aber auch Aufgaben im Hofstaat.
Einige Künstler erklommen im Dienste des Königs ungeahnte Höhen. Hier wären besonders Jean-Baptiste Lully auf dem Gebiet der Musik und des Tanzes zu nennen, aber auch der Komödienschreiber und Theatermann Molière (1622-1673), der für Louis XIV zahllose Bühnenstücke verfasste. Beide Künstler zusammen zeigten sich congenial für die Organisation der königlichen Theaterspektakel verantwortlich. Im Mittelpunkt der Festlichkeiten und musikalischen Theateraufführungen, Opern und Ballette, wie konnte es anders sein – der Sonnenkönig selbst.
Lully konzentrierte seit Ende 1652 ganz auf Louis XIV. Im Ballet Royal de la Nuit, mehrere Male zwischen dem 23. Februar und 16. März 1653 aufgeführt, war Lully sogar höchstpersönlich als Schäfer, Soldat, Bettler, Krüppel und selbst als „Grazie“ zu sehen. Der König tanzte hier zum ersten Male die Rolle der aufgehenden Sonne. Er fand ein solches Gefallen an Lully, dass er ihn am 16. März 1653 zum Compositeur de la musique instrumentale ernannte.
Immer häufiger tanzte Lully an der Seite des Königs, zum Beispiel im Ballet des plaisirs. Lully selbst war als Tänzer sehr darauf bedacht, seine Tänze und Ballette so zu gestalten, dass man allein an der Musik schon erkennt, um welchen Tanz es sich handelt. So steht bei der Komposition nicht die Musik an erster Stelle – sondern der Tanz, den sie verkörpern soll.
Lully gehörte nach seinen Erfolgen unzweifelhaft dem inneren Kreis um den König an. Das Ballett „Hercule amoureux“ sollte eines der denkwürdigsten Ereignisse der Musikgeschichte werden, denn hier trat der König nun zum als Apollo auf wie üblich in aller Pracht, der Hof skandierte während seines Tanzes: „Vive Le Roi Soleil!“ - „Lang lebe der Sonnenkönig!“

1671 schufen Lully und Molière die Tragédie-Ballet (Ballett-Tragödie) „Psyché“, um dem „größten König der Welt“ Heroisches vorzuführen. 1676 folgte „Atys“. Da der König hier angeblich selbst mitkomponiert haben soll, sowie sehr lange mit Lully zusammensaß, um dieses Werk zu vollenden, hat diese Tragödie den Untertitel „Die Oper des Königs“. Weitere Komponisten des Königs hatten andere Aufgaben wie Marc Antoine Charpentier – auch zuständig als Marstall für die Pferde des Monarchen – der die Militär- und Kirchenmusik zu betreuen hatte.
Vom ihm stammt die berühmte Einleitung zum „Te Deum“ (Gott, wir loben dich), die heute noch als „Eurovisions-Fanfare“ in der ARD verwendet wird. Zu nennen sind noch der Cembalist Francois Couperin, der Gambenspieler Marin Marais oder der Violinist Richard Delalande oder der Kirchenmusiker Andre Campra.
Wie man sich das musikalische Leben am Hof vorstellen kann, ist wieder in einem Film zu bewundern, dessen Soundtrack ebenfalls unten empfohlen sein soll: „Le Roi Danse“ – „Der König tanzt“. Der französiche Film enstand 2000 unter der Regie von Gérard Corbiau mit Benoît Magimel als Louis XIV.
Die Musik wurde von Musica Antiqua geliefert unter ihrem Leiter, dem Alte-Musik-Experten und Violinvirtuosen Reinhard Goebel, der er hier gemeinsam mit dem Regisseur verstand, die ganze Faszination der Musik in Versailles mit der Darstellung königlicher Grazie zu verbinden. Louis tanzte bis ins hohe Alter für seine Höflinge – noch als 60-Jähriger soll er im Theater Ballett auf der Bühne gestanden haben.


Teil 2 erschien am 5. Juni, Teil 3 am 13. Juni 2012.

Fotonachweis: Alle Fotos, wenn nicht anders ausgezeichnet: Archiv Neubacher
Header: Benoît Magimel als Sonnenkönig im Film Le Roi Danse von Gérard Corbiau. (Universal Music)
Galerie:
01. Palast und Gärten in Versailles
02. Aufführung der Oper Armide von J.B. Lully im Theater von Versailles, gemalt von Saint Aubin.
03. Innenansicht des Theaters von Versailles.
04. Der junge Louis XIV als Knabe
05. Büste von Louis XIV des italiienischen Bildhauers Bernini im Château de Versailles, salon de Diane. Quelle: Wikipedia

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