Musik

Sommer kann man das, was uns der August derzeit bietet, sicherlich nicht nennen, doch bei dem kombinierten Abend aus Zauberkunst und einem typisch virtuos-verrückten Jacques Palminger Konzert auf der Open-Air-Bühne der Hanseatischen Materialverwaltung hatte der Wettergott ein Einsehen: Es blieb trocken und für einen ganz kurzen Moment brach auch die Sonne durch die Wolken.

Den Rest des Abends schien sie jedoch in den Herzen der eingefleischten Palminger Fangemeinde.

„Jacques Palminger im Zauberwald…und mittendrin Magier Manuel Muerte“, so hatte Hans Resonanz (Kurzform des Gemeinschaftsprogramms von Ensemble Resonanz und Hanseatischer Materialverwaltung auf der Open-Air-Bühne im Oberhafen) das Konzert angekündigt und sicher fragten sich nicht wenige Besucher auf dem ausverkauften Sonnendeck, wie so ein Jazz-Zauber-Mix wohl aussehen würde.

 

Nun ja, es war ein komplett geteilter Abend: Zunächst Zauberkunst, dann, nach einer kurzen Pause, das Konzert. Magier Manuel Muerte und Jacques Palminger standen keinen Moment gemeinsam auf der Bühne. Es gab noch nicht einmal einen „Schlagabtausch“.

Insofern erweckte die Ankündigung falsche Vorstellungen, doch das tat dem Abend letztlich keinen Abbruch, denn beide Shows waren höchst vergnüglich.

 

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Manuel Muerte, der mit seinen beiden Magier-Kollegen, Jan Logemann und Patrick Folkers, beim diesjährigen Internationalen Sommerfestival auf Kampnagel kürzlich schon dem Wesen der Täuschung auf den Grund gegangen ist, schlüpfte nun in die Rolle des tollpatschigen, kauzigen Zauberers, dem ständig Missgeschicke geschehen: Er stach sich ein Auge aus und setzte es wieder ein, hackte sich die Hand fast ab, verschluckte eine Reihe Rasierklingen und verbog in Uri-Geller-Manier die Löffel. Ein ziemlich blutiger Auftakt also, den die Kinder im Publikum gebannt verfolgten. Faszinierend wurde es dann für die Erwachsenen, als Muerte eine auf die Bühne geholte Zuschauerin ihre zuvor signierte Karte aus einem Eiswürfel schlagen ließ und die aus dem Publikum spontan zugerufenen „Lottozahlen“ bereits auf einem Zettel standen, der verschlossen in einem allseits sichtbaren Kästchen lag (ein Zuschauer musste das Kästchen öffnen und den Zettel mit den Zahlen vorlesen). Zum Schluss verblüffte der Meisterzauberer mit seiner „Hellsichtigkeit“: Sechs Mal hintereinander wusste er, in welcher Hand ein ebenfalls auf die Bühne geholter Zuschauer eine Münze versteckt hielt. Höhepunkt des ersten Programmteils aber war aber Suse Wächter, die meisterhafte Puppenspielerin, deren englischsprachiger „Guru-Hase“ die Zuschauer zunächst auf eine amüsante „kleine Reise tief ins Innere Deiner Fantasie“ entführte, um dann einen herrlich wienernden Sigmund Freud über seinen Upgrate zum Coach („von der Couch zum Coach“) und das „Frustrierungspotential in der Psychoanalyse“ schwafeln zu lassen.

 

Soweit zum magischen Teil des Abends. Was nicht heißen soll, dass Jacques Palminger in gewisser Weise nicht auch zur magischen Zunft gehört. Zumindest schafft es Hamburgs skurriler Musiker und Mitbegründer des Kult-Trios Studio Braun seine Fangemeinde ähnlich stark zu hypnotisieren, wie kurz zuvor Manuel Muerte sein beißendes Frettchen.

 

„Märchenjazz“ nennt Palminger das neue Genre, das so neu nun auch wieder nicht ist. Sein origineller Mix aus eindringlichem Sprechgesang voll surrealer Poesie und einem Jazz, der mit vielen Chanson-, Schlager-, Soul- und Swing-Elementen vielleicht als Fusion Jazz jenseits aller Konventionen bezeichnet werden kann, ist schon lange sein Markenzeichen.

 

Auf dem Sonnendeck am Oberhafen erklangen an diesem Abend jedenfalls überwiegend die Songs von dem Album „Spanky“, das Jacques Palminger mit dem 440Hz Trio bereits 2016 aufgenommen hat. Dieses Trio, ursprünglich Richard von der Schulenburg (Keyboard), Olve Strelow (Schlagzeug) und John Raphael Burgess (Bass), war schon damals zum Quintett angewachsen, mittlerweile ist es mit Lydia Schmidt alias Lydia Pfefferkorn (Gesang), Lieven Brunckhorst (Blasinstrumente) und Friedrich Paravicini (Cello) zu einem veritablen Sextett aufgestiegen.

 

Den Auftakt machte die esoterisch angehauchte Hommage an Michael Jackson, Peter Pan und Neverland („Michael“), es folgten so schön-schräge Lieder, wie „Der Pinguin, das Handy und der Jazz“, „Spanky“, „Ewigkeit“, „Lache und die Welt ist mit Dir“ oder „Ganz normales Leben“, letzteres übrigens wunderschön gesungen von Lydia Pfefferkorn und Olve Strelow. Songs, die einmal mehr vor Augen, bzw. Ohren führten, was für ein genialer Texter Palminger ist. Seine parodierende DADA-Lyrik ist wirklich bestes Kopfkino, an diesem Abend aber ging sie haarscharf an die Grenze des Zuschauer-Bashings. Zumindest dürfte sich der Spaß für den Herrn in nächster Nähe zur Bühne in Grenzen gehalten haben, den Palminger minutenlang als „kranken Mörder“ direkt angesungen hat.

 

Nun gut, über Geschmack kann man bekanntlich nicht streiten und schließlich wird Jacques Palminger nicht ohne Grund als „Großmeister des abwegigen Humors“ bezeichnet. Die anderen Songs waren dafür allesamt Wohlfühl-Jazz, versponnen und surreal wie ein Spaziergang durch Peter Pans Nimmerland.


Hans Resonanz

4. bis 21. August 2021 

Weitere Informationen: Hanseatische Materialverwaltung

Weitere Informationen: Ensemble Resonanz

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