Musik

Es hätte ein wuchtiger Akzent zum Beginn der Italienischen Opernwochen werden können – es wurde ein holpriger Start. Verdis Musik, so aufgeführt, geht nur selten unter die Haut.


Es wird der lateinische Text der katholischen Totenmesse gesungen – als „Messa da Requiem“, komponiert von Giuseppe Verdi. Auftakt zu den ersten Italienischen Opernwochen in der Hamburgischen Staatsoper. Nicht konzertant aufgeführt wie üblich, sondern als vertonter Bilderbogen, den Calixto Bieito auf die Bühne brachte. Doch italienisch war an dieser Aufführung kaum etwas. Die Solisten Maria Bengtsson (Sopran), Dmytro Popov (Tenor) und Gábor Bretz (Bass) brachten wenig Gefühl und Temperament mit, aber auch zu wenig Einfühlen in die italienische Klang- und Gefühlssprache. Mezzo Nadezhda Karyazina legte immerhin Power in die Noten, manchmal etwas hart in ihrer Tongebung, aber mit einiger Durchsetzungskraft gegenüber dem Orchester. Bengtssons Sopran, schon eher aus der Kategorie schöne Stimmen, konnte häufig kaum über das Orchester tragen. Tenor und Bass sangen eher unauffällig, sie waren da, trafen aber nur selten den Nerv für Intensität und Sinnlichkeit.

 

 

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So gesungen hätte es fast auch ein deutsches Requiem sein können. Und unter die Haut ging nur wenig mehr als die lauten Stellen etwa des „Dies Irae“. Es gab auch noch leise Stellen, aber im Raum dazwischen fand Dirigent Kevin John Edusei nicht mehr viel. Von einer Veranstaltung, die das Italienische im Namen trägt, darf man zum Start doch wohl ein Solistenquartett auf Augenhöhe erwarten – jeder mit den drei anderen, mit dem Orchester und mit den Klang- und Singtraditionen von Verdis Heimatland. Der Applaus am Ende war aber auch ohne Schmelz dankbar.

 


Das eigentliche Drama der Vergänglichkeit des Menschen, das Verdi in seinem „Requiem“ in so vielfältiger, eingängiger und bestürzender Musik aufscheinen lässt, kam am Premierenabend kaum packender über den Bühnenrand als eine Seite aus dem Lexikon, Stichwort: Tod.

 


Dafür sorgt auch der Regie-Minimalismus von Calixto Bieito, der auf alle Regie-Extravaganzen verzichtet und das Unfassbare der Endlichkeit des Menschen auch nicht versucht zu konkretisieren. Seine sehr reduzierten Bilder, oft sehr erwartbar, bleiben im Ungefähren. Die Bühne (Susanne Gschwender) wird dominiert von einer XXL-Kopie von Kallax, dem Ikea-Regal mit den quadratischen Fächern. Dieses Maxi-Kallax kann hier geteilt und verschoben werden und vieles sein: eine Art Kolumbarium – diese Wand mit Urnenfächern in südländischen Friedhöfen. Oder eine Art Aktenregal fürs Jüngste Gericht. Oder am Ende ein riesiges Gräberfeld, in dem alle Chorsänger ihren Platz finden, ehe das Licht ausgeht.

 


Die Solisten führen im Angesicht des Todes verschiedene Haltungen zur finalen Katastrophe vor: Gefasstheit, Verzweiflung, Aufbegehren, Unverständnis. Dargestellt in Spielschnipseln. Der brillante Staatsopernchor darf nur bedingt mitspielen: die Arme mal nach vorn, dann wieder nach oben, oder im Haufen ineinander verkeilt singen. Und spielende Kinder – eine abgegriffene Metapher.

 


Berührt hat mich wenig in dieser Inszenierung. Nicht einmal die aufgereihten Körper der toten Kinder, die sonst mit ihrem Lachen für Hoffnung, Leben, Zukunft standen. Jetzt sagen sie uns – ja, was denn? Dass der Tod ungerecht ist, weil auch Kinder sterben können? Man schaut sich das an, und es ist so weit weg wie die toten Kinder in den Fernsehnachrichten. Es ist eine unterkühlte Bilderhülle wie etliches Andere auch, soll irgendwie bedeutungsvoll wirken, bleibt dann aber so enttäuschend flach, als hätte jemand den Satz bebildern wollen: Das Leben ist ein Kommen und Gehen.

 


Die Sinnlichkeit von Verdis Musik, die der eigentliche Trost sein könnte in einem Leben, das mit dem Tod endet – sie bleibt hier weitestgehend Fehlanzeige, sieht man von wenigen Momenten ab, etwa dem atemberaubenden Pianissimo in höchster Höhe von Maria Bengtsson. Das war dann hörbare Hoffnung – Gänsehaut.

 


Das wirklich Schöne an diesem Start der Italienischen Opernwochen: Nach oben gibt’s auch nach dieser Premiere noch eine Menge Luft.

 


Dirigent laut leise, ohne Rücksicht auf die Solisten. Italienischer Schmelz von den Philharmonikern, der die Vorstellung der Vergänglichkeit wenigstens ein bisschen erträglich machen könnte – Fehlanzeige über weite Strecken. Da wurde abgearbeitet, was in den Noten stand, einigermaßen anständig, aber ohne Inspiration.


Staatsoper Hamburg

Die Italienischen Opernwochen in der Staatsoper Hamburg laufen noch bis zum 17. April

mit Aufführungen von „Madama Butterfly“, „Tosca“, „Aida“, „La Traviata“ und der „Messa da Requiem“.
Die Abschlussvorstellung von „Tosca“ mit Anja Harteros und Jonas Kaufmann ist leider bereits ausverkauft.
Karten unter (040) 3568 68 oder im Internet
Spielplan der Staatsoper


Abbildungsnachweis:
Alle Fotos: Brinkhoff/Mögenburg
Galerie:
01. Dmytro Popov, Nadezhda Karyazina, Maria Bengtsson, Gábor Bretz, Chor der Hamburgischen Staatsoper
02. Gábor Bretz, Maria Bengtsson
03. Nadezhda Karyazina, Chor der Hamburgischen Staatsoper
04. Maria Bengtsson, Chor der Hamburgischen Staatsoper
05. Dmytro Popov, Nadezhda Karyazina, Maria Bengtsson, Gábor Bretz, Chor der Hamburgischen Staatsoper

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