Großes Miau in der Staatsoper Hamburg: „Katze Ivanka“ nervt die Primadonna
- Geschrieben von Hans-Juergen Fink -
Die „Katze Ivanka“ auf der kleinen Bühne der Hamburgischen Staatsoper ist ein kleines, funkelndes Juwel der Kinder- und Familienoper. Eine mit Spaß und großartiger Musik erzählte Geschichte über die Katze, die der Primadonna Konkurrenz macht. Vera Nemirova (Libretto und Regie) und Massimiliano Matesic (Musik) ist damit ein großer Wurf gelungen.
Diese „Katze Ivanka“ sollte der Staatsoper noch lange erhalten bleiben. Das Haus an der Dammtorstraße kann sich freuen, diese hinreißende kleine Familienoper von Vera Nemirova (Libretto und gleichzeitig Regisseurin) und Massimiliano Matesic (Musik) als Welturaufführung in der „opera stabile“ auf die Bühnenbretter gebracht zu haben.
Das Stück um die opernverliebte Katze Ivanka, die so gern singt und am liebsten der Primadonna Konkurrenz machen möchte, ist ein kleines Juwel im Spielplan. Mit einer stringenten Geschichte, in der Ivanka als singende Katze den „Normalbetrieb“ eines Opernhauses gewaltig aufmischt. Aber Ivanka treibt es in ihrer Liebe zur Oper zu toll, und so soll sie zum Leidwesen ihres Menschenfreundes, des Requisiteurs Falana, aufs Land deportiert werden. Ab in die Eisenbahn – und tschüs! Doch Katzen, die wirklich singen wollen, sind so leicht nicht kalt zu stellen. Und ein Opernhaus ohne Katze – das ist plötzlich ganz schön langweilig. Dieses Licht geht am Ende allen auf, sogar der zickigen Primadonna. Was dann immerhin zur Möglichkeit eines Happy Ends führt.
Rund um die Katzengeschichte gruppiert Vera Nemirova viele hübsche Detail-Einblicke in den Opernbetrieb, kleine und große Zuschauer lernen eine Menge: wie ein Regisseur seine Gedanken erst beim Proben entwickelt und den Tenor aus „La Bohème“ alle zwei Töne unterbricht, um den Zauber der Musik am besten zur Geltung zu bringen. Wie man als Primadonna den Operndirektor um den Finger wickelt, wenn man eine kleine freche Katze loswerden will. Wie Bühnenbilder gewechselt werden. Wie Theaterschwerter zerbrechen und wieder heile werden. Und dass Mäuse und Ratten nicht nur gern gesehene Liebesgaben sind, sondern beim Katzentreff auch wie Teebeutel in die Tasse gehängt werden.
Das großartige und spielfreudige Ensemble sorgt dafür, dass es keine Sekunde langweilig wird (außer, wenn Ivanka ihre Langeweile vorspielt): Narea Son aus dem Internationalen Opernstudio ist eine wunderbare Opernkatze, die sehr überzeugend schnurren, miauen und schmusen kann und ihren höchst anspruchsvollen Sopran-Part so nuancenreich, lebendig und textverständlich singt, dass sie sich damit ohne weiteres für größere Aufgaben empfiehlt. Ihr Widerpart ist Gabriele Rossmanith als genervte Primadonna, die sich an den Grenzüberschreitungen des kessen Kätzchens wie des Operndirektors (Marcel Rosca) abarbeitet – was stimmlich nicht weniger fordert und perfekt gemeistert wird. Der Spaß, den das macht, ist ihr wie allen anderen anzusehen. Den weichherzigen, katzenverliebten Requisiteur Falana singt Julian Arsenault mit einer warmen und kräftigen Tiefe, und als Tenor brilliert Sergei Ababkin, ebenfalls aus dem Opernstudio, mit einer gekonnt komisch überspannten, schmelzigen Gänsehaut-Höhe.
Bringt die Kinder in dieses Stück!
Elf Musiker sitzen, etwas weit am Rand des Geschehens, im kleinen Orchester und erwecken unter der umsichtigen und engagierten Leitung von Johannes Harneit die Musik von Massimiliano Matesic zum Leben, die den Figuren des Stücks sehr differenziert ihre musikalischen Charaktere verpasst. Dezent eingewebt in die Partitur sind Motive und Klangfarben unterschiedlicher Opern wie „La Bohème“, „Siegfried“, „Lakmé“ oder „Eugen Onegin“, die auch in Probensituationen in der Handlung auftauchen. Zwei ältere Damen neben mir konnten sich nicht darauf einigen, ob es nicht manchmal „zu modern“ klinge oder ob das doch gerade erst den Pfeffer zur Handlung gebe. Man tendierte nach dem Ende zum Pfeffer. Es ist Musik aus der Tiefe spätromantischer Wurzeln, die Matesic klug verarbeitet und in die Gegenwart holt. Musik, die durchaus geeignet ist, wie auch die Handlung, zu bewegen und anzurühren. Und der Abschied Ivankas von Falana greift wirklich ans Herz – kleine Oper ganz groß, mehr geht nicht.
Wenn Ivanka nach einer wirklich komischen Bahnfahrt verschwunden ist und dann sichtlich mitgenommen wieder auftaucht und ihren Platz zurückerobert als das kreative Prinzip, das in der Oper alles kräftig durcheinander schüttelt, damit es sich stets neu finden kann, dann versteht man das Motto im Programmheft. Es stammt von Albert Schweitzer und lautet: „Zweierlei eignet sich als Zuflucht vor den Widrigkeiten des Lebens: Musik und Katzen.“
Schade nur, dass in meiner Abendvorstellung fast keine Kinder im Publikum saßen – denn „Katze Ivanka“ ist ein intelligentes neues Stück, das alles mitbringt, gerade sie zu bezaubern und zu faszinieren und junge Fans fürs Musiktheater zu finden. Man kann nur hoffen, das die Oper mit den herrlichen „Miaus“ noch sehr viel öfter auf den Spielplan kommt, damit sich das auch herumsprechen kann.
Katze Ivanka
opera stabile, Kleine Theaterstraße.
Weitere Termine: 5., 6. und 13.11., jeweils 15:30 Uhr. Am 7., 9. 10., 11. und 15.11., jeweils 11:00 Uhr; sowie 11. und 15.11., jeweils 19 Uhr.
Karten 28.- € im Internet und unter (040) 3568 68.
Weitere Informationen
Abbildungsnachweis: Alle Fotos Jörn Kipping
Header: Narea Son
Galerie:
01. Narea Son, Julian Arsenault
02. und 03. Gabriele Rossmanith, Marcel Rosca
04. Sascha Emanuel Kramer, Sergey Ababkin, Gabriele Rossmanith, Narea Son
05. Sascha Emanuel Kramer, Sergey Ababkin, Julian Arsenault. Narea Son, Michael Taylor
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