Lässig, zeitlos, elegant: Mit dem lang ersehnten Album „Standing in the breach“ schafft Jackson Browne 2014 ein ehrwürdiges Comeback.
Hits wie „Doctor, My Eyes“, „Rock me on the water“ und „Take it easy“ waren der Beginn seiner erfolgreichen Singer- und Songwriter Karriere. David Crosby von Crosby, Stills, Nash & Young bezeichnete Jackson Browne einmal als den „verdammt besten Songwriter im heutigen Amerika, bei dessen Songs man eine Gänsehaut bekommt“. Nach sechs Jahren kommt er jetzt mit seinem neuen Programm nach Deutschland zurück. Am 21. Juni spielt er um 19 Uhr auf der Freilichtbühne im Hamburger Stadtpark und gibt uns vorher Auskunft über seine musikalischen und politischen Motivationen.
Welches Repertoire werden die Fans erwarten können?
Jackson Browne (JB): Ich werde Songs aus den unterschiedlichen Phasen meiner Karriere spielen. Es ist immer ein großer Unterschied, ob du ein neues oder ein älteres Stück bringst. Bei neuen Songs applaudiert das Publikum zwar auch, aber die Leute denken auch darüber nach. Es gibt zwar immer die Versuchung, nur das zu spielen, was bei den Fans am besten ankommt, aber es darf auch nicht nur nostalgisch sein. Ich habe immer versucht Stücke zu schreiben, die ich auch nach 20 oder 30 Jahren singen kann – auch wenn sich die Bedeutung im Laufe der Zeit ändern mag. Aber ohne neues Material bist du nicht in der Gegenwart.
Anmerkung: JB hat sich immer engagiert für Hilfsorganisationen (Make some noise – save Darfur), die Menschrechtsorganisation Amnesty International (The Secret Policeman´s Ball), gegen die Atomkraft (No Nukes / MUSE – Musicians For Safe Energy ) nach dem Reaktorunglück von Harrisburg 1979), und für die Red & Hot Organisation.
Würden sie sich als einen politischen Künstler bezeichnen?
JB: Ich habe vielleicht den Ruf, ein politischer Aktivist zu sein, aber die Wahrheit ist, dass ich über Themen des Lebens schreibe. Dies politischen Dinge und Ereignisse sind zumindest Themen, die mein Leben betreffen, und darüber schreibe ich hat Texte. Es ist immer ein Unterschied, ob du nur Zustände beschreibst oder ob du auch bestimmte Botschaften rüberbringen willst. Ich mache nicht wirklich Kampagnen, aber ich gebe schon Denkanstöße. Schließlich ist es Fakt, dass die Weltmeere drohen umzukippen. Das sind Dinge, über die man täglich in den Zeitungen lesen kann. Die Erderwärmung ist eines dieser Probleme, und die Frage ist wie viel Zeit wir noch haben, um die Entwicklung zu stoppen und die Zerstörung unseres Planeten aufzuhalten!
„Which Side“ vom neuen Album ist ein solcher Song!?
JB: Mit einem Stück wie „Which Side (Are You On)“ will ich die Leute ermutigen, sich zu überlegen wofür sie sich engagieren können. Der Text ist keineswegs polemisch. Jeder sollte sich darüber klar werden, was grundsätzlich gut ist und was schlecht für uns ist.
Ihre Songtexte sind also genauso grundlegend wie die Themen selber.
JB: Atomkraft ist nun mal lebensgefährlich – Atommüll bleibt gefährlich für weitere 240.000 Jahre! Auch die Menschenrechte sind ein solches wichtiges und grundsätzliches Thema. Unglücklicherweise sind Regierungen nicht verlässlich in ihrem Tun. Rund 50 Jahre hat man beispielsweise den Kommunismus dafür benutzt, den Kalten Krieg zu rechtfertigen. Inzwischen ist das kommunistische China ein wichtiger Handelspartner. Und das obwohl man eigentlich keine Handhabe hat, China zur Einhaltung der Menschenrechte zu bringen.
Wie groß sind denn die Möglichkeiten eines Künstlers, auf die Mitbürger und Regierungen einzuwirken?
JB: Man hat nur wenig Gelegenheit, die Leute zu überzeugen. Man nehme das Beispiel Ökologie. Da gibt es in den Ozeanen mittlerweile tote Bereiche, wo kein Sauerstoff existiert. Trotzdem hat der Mensch die Mentalität entwickelt, zu glauben, dass ihm alles zusteht. Wir nehmen ständig, ohne zu bedenken, dass wir vom Sauerstoff anhängig sind. Ohne die Artenvielfalt wird der Planet, werden wir nicht überleben können.
Gibt es denn ihrer Meinung nach gar keinen Grund zum Optimismus?
JB: Kalifornien hat gerade ein Verbot von Plastiktüten erlassen Der Gouverneur Edmund Brown hat das getan. Diese gute Nachricht entnahm ich einer Zeitung, die an meiner Hotelzimmertür hing und in Plastik eingeschweißt war! Das gab es vor 20 Jahren noch nicht, aber heute ist Plastik Teil des Transportwesens. Alles wird darin verpackt. Nimm z.B. eine Wasserflasche: Die Leute halten sie für hygienisch, doch zur Herstellung würde soviel Öl gebraucht, dass man die Flache damit zu zwei Dritteln füllen könnte. Du trinkst genau genommen also nicht nur Wasser, sondern fast genau so viel Öl.
Und was geschieht in Hinblick auf die Atomkraftwerke in den USA?
JB: In Kalifornien soll ein weiteres AKW still gelegt werden. Die Anlagen sind vielfach veraltet und nicht dicht. Außerdem gibt es das Problem, dass man die Bevölkerung vor den Gefahren des Atommülls schützen muss. Und es muss klar sein, wie alles gereinigt werden kann, falls es doch einen Atomunfall gibt.
Die möglichen Folgen von (neuen) Technologien sind also nicht immer beherrschbar.
JB: Es ist eine interessante Entwicklung: Diese neue Technologie der Drohnen gelangt in die Hände von Jedermann. Man kann damit Sprengstoff transportieren, Fotos machen usw. Ich habe schon eine Drohne über meinem Grundstück schweben sehen. In dem Fall waren es Kinder.
Kürzlich fanden in Amerika die Kongresswahlen statt. Ist Präsident Obama nun eine so genannte lahme Ente, weil die Republikaner in beiden Häusern die Mehrheit haben?
JB: Obama ist schon eine „lame duck“ seit er 2012 wiedergewählt wurde. Es ist seine letzte Amtszeit, und er wurde von Beginn an davon abgehalten zu tun, was er sich vorgenommen hatte. Die Opposition hat sich von Beginn an vorgenommen, alles zu tun um zu verhindern, was Obama umsetzen wollte. Die Republikaner haben geblockt wo sie nur konnten. Und nun haben sie es noch leichter sicherzustellen, dass kaum ein Vorhaben den Kongress passieren wird.- Kapitalismus kann nur funktionieren, wenn es Regeln gibt – wenn die großen Firmen z.B. Steuern zahlen müssen. Aber das geschieht ja kaum. Sie vermeiden Steuern und sie unterstützen nicht die Bevölkerung.
Sie wurden am 9.10.1948 in Heidelberg geboren, haben sie noch konkrete Erinnerungen an ihr Kindheit in Deutschland?
JB: Ich kam zwar in einem Heidelberger Krankenhaus zur Welt, meine Familie aber lebt in Darmstadt. Mein Vater arbeitet damals bei der US Armee, und wir hatten daher Zugang zu den amerikanischen Hospitälern. Meine Schwester wurde in Nürnberg, mein Bruder in Frankfurt geboren. Konkrete Erinnerungen habe ich nicht mehr an die Zeit in Deutschland, nur einige fragmentierte Bilder aus meiner Kindheit vor Augen.
Ihre Songs wurden von großen Künstlerkollegen interpretiert: Die Byrds, Linda Ronstadt, Joe Cocker und die Eagles und die Jackson Five nahmen ihre Stücke auf. Überraschend aber ist, dass auch Nico drei Songs von Jackson Browne auf ihrer Debüt LP „Chelsea Girls" gesungen hat.
JB: Ich verbrachte am Anfang meiner Karriere eine kurze Zeit in New York. Damals habe ich einige Songs geschrieben, die Nico gesungen hat: „These Days“ und „Somewhere There´s A Feather“. Das Stück „The Birds Of St. Marks“ habe ich nicht für sie als Sängerin komponiert, sondern für Nico geschrieben. Sie hatte eine wirklich interessante und unwiderstehliche Art zu singen. Ich habe ihr zweites Album „The Marble Index“, auf dem sie auch Orgel spielt, immer geliebt. Aber die Leute haben dieses Schubladendenken. Jackson Browne aus Kalifornien kann nicht ins East Village passen.
Auf dem neuen Album „Standing In The Breach“ haben sie „The Birds Of St. Marks“ erstmals selber in einer Studioversion veröffentlicht. Die 12-seitige Gitarre erinnert dabei sehr an Roger McGuinn von den Byrds.
JB: Ich war 18 als ich „The Birds Of St. Marks“ schrieb. Es war eine Art Portrait von Nico. Sie wollte übrigens, dass ich das Stück im Stile der Byrds spiele. Sie mochte die Art von Jim McGuinn, wie Roger damals noch hieß. Aber ich konnte nicht so Gitarre spielen wie er. Ich habe meinen eigenen Stil. Ursprünglich klang das Stück also wie viele andere Songs auch, die ich auf einer normalen akustischen Gitarre spiele. Ich habe den Song dann ganz vergessen. Sogar als mich die Byrds einmal fragten, ob ich ein Stück für sie hätte, fiel mir „The Birds Of St. Marks“ nicht ein.
Anmerkung: Auf dem Album spielt Greg Leisz die 12-seitige Gitarre.
Jackson Browne
So, 21.06.15, um 19:00 Uhr
Stadtpark Freilichtbühne, Saarlandstraße / Ecke Jahnring, 22303 Hamburg
Anmerkung: Das Interview wurde im November 2014 aufgenommen.
Abbildungsnachweis:
Headerfoto Jackson Browne: Nils Israelson
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