„Mi casa tu casa“ lautet der Titel vom soeben erschienenen Buch von Franz Maciejewski über das Leben, Wirken und die Liebe zur Kunst des Berliner Galeristen Folker Skulima. Frei übersetzt heißt das spanische Sprichwort: „Fühl dich wie zu Hause“. Tatsächlich ist das Bild des Hauses die zentrale Metapher, um die sich dieses Portrait einer „Galerie auf Wanderschaft“ durch Raum und Zeit, deren wechselvolle Geschichte und innovativen Gründer dreht. Im Mittelpunkt: transkulturelles Networking als deutsch-europäisches Erfolgsrezept auf dem internationalen Parkett der zeitgenössischen Kunstszene.
Was Folker Skulima, so scheint es, zeitlebens umtreibt, ist das Interesse für das Fremde, das etwas „Andere“, das Neue. Dem „Fremden“ wohnt für Skulima offenbar nicht nur das größtmögliche Innovationspotenzial inne, sondern auch der verführerische Reiz des Abenteuers, der Weckruf des Lebens und die Hoffnung auf inneres und äußeres Wachstum. All das möchte der studierte Heidelberger Germanist und Romanist schon in jungen Jahren sowohl selber erleben als auch mit anderen Menschen teilen, ob es sich dabei um Seelenverwandte, Kaufinteressenten oder um die breite Öffentlichkeit handelt. Die Fremde zu entdecken, dafür zog Skulima aus, und dafür suchte er schon bald zunächst außerhalb Deutschlands eine – erste – Behausung.
Er fand sie in Spanien, seine erste, eigene „Casa“: Auf einem Weinberg nahe des katalonischen Küstenorts Sitges in der Provinz von Barcelona eröffnet Skulima 1968 seine „Galeria paysana“ (zu Deutsch etwa: „Galerie auf dem Land“), in der er erste Werke befreundeter Künstler ausstellt und verkauft. Fast gleichzeitig der zweite Coup: Als wäre es ein Gegenschlag zur ländlichen Idylle Spaniens, bietet sich Skulima die Gelegenheit, im Herzen der acht Jahre zuvor „eingemauerten“ Großstadt Westberlin in die moderne Kunstszene dieser nordostdeutschen „Insel innerhalb der Bundesrepublik“ einzusteigen, indem er hier 1969 zusammen mit dem Quereinsteiger Reinhard Onnasch (* 1939) – ein Immobilienkaufmann mit kunstaffinen Ambitionen – dessen Galerie leitet. Als sich Differenzen auftun – „eine Kunstsammlung ist keine Briefmarkensammlung“, denn Skulima geht es weniger um einen „neuartigen Kunst-Supermarkt“ als um den „Aufbau von Werkgruppen“ – gründet er (wohl noch im gleichen Jahr, aber gesagt wird es nicht genau) seine eigene „Galerie Folker Skulima“: erst in der Fasanenstraße, nachfolgend in der Niebuhrstraße, beide im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf. Seine Tätigkeit spannt sich wie ein kontrastreicher künstlerischer Bogen quer über Europa und setzt dem Karrierebeginn im sonnigen Süden die nächste eigenständige Station im hohen Norden kontrapunktisch gegenüber. Der Spagat verweist auf die ganze Fläche von Skulimas Interessen, Ansprüchen und Denkweise: Rasch gelingt es dem 1940 in Heidelberg geborenen und aufgewachsenen ehemaligen Filmjournalisten und Mitbegründer des Heidelberger Jazzclubs „Die Falle“, sich als Avantgarde-Galerist einen Namen zu machen. Buchautor Maciejewski weist darauf hin, dass sich Skulima als „junger Mann“ für „den anderen, den kaum begangenen Weg“ entscheidet, nämlich nicht für den von seiner Erziehung vorgezeichneten „Weg mit den Zügen von Schrift und Texten", sondern dafür, „das Leben an den Stern der Kunst zu binden“. Wenngleich das ihm unbekannte Terrain des Kunsthandels Skulima somit nicht direkt in die Wiege gelegt worden war, so muss ihm dieser „Weg" das Risiko wert gewesen sein, denn: „Freiheit hieß der Lohn für den Entschluss“.
Die genauen Umstände der „Zerwürfnisse“ zwischen dem branchenbekannten Onnasch, der sich 1971 in Köln selbstständig macht und erst später nach Berlin zurückkehren wird, und Skulima bleiben in „Mi casa tu casa“ vage. Auch in welchem Verhältnis der etwas jüngere Autor des Buchs, Franz Maciejewski, zu Skulima selbst steht, bleibt im Verborgenen. Der Leser erfährt nur so viel: Der Verfasser dieser „Portrait-Biographie“, Maciejewski, ist ein promovierter Soziologe und Kulturwissenschaftler, Jahrgang 1946 und lebt als freier Autor in Heidelberg. Sein Interesse gilt vornehmlich der Kultur- und Gedächtnisgeschichte der Moderne, der Ethnopsychoanalyse sowie Holocaust- und Antisemitismusstudien. Kenntnisreich und einfühlsam beschäftigt er sich in der dritten Person schreibend mit Skulimas fesselnden Leben für die Kunst. In zehn durchnummerierten – leider nicht mit atmosphärischen oder aussagekräftigen Überschriften versehenen – Kapiteln zeichnet er Skulimas Stationen in dem farbig bebilderten Hardcover-Buch nach. Der Band vermittelt dem Leser die Stimmung – und Stimmungsschwankungen – der Kunstwelt und des -markts ab dem historischen Umbruchjahr 1968, das auch den Startschuss für Skulimas nachhaltige Präsenz im Kunstbereich kennzeichnet, unterstützt von dokumentarischem Archiv- und Fotomaterial. Die fünf Jahrzehnte, die zwischen der Eröffnung der „Casa“ in Spanien 1968 und einer seit 2018 nach Skulima benannten und von ihm geleiteten Berliner Stiftung – dem derzeit symbolischen „Haus seiner Kunst“ – liegen, bilden das Narrativ dieses Buchs, das von Insiderinformationen aus der Kunstszene durchwoben, mit manch amüsanter und anschaulich kolportierter Episode aus der Welt der Künstler und Kunstkenner angereichert sowie von geschichtlich zielführend rekonstruierten Hintergrundberichten über das Leben Skulimas geprägt ist.
Der nicht ganz so vertraute Leser mag dabei genauere Angaben zu den Lebensdaten und einzelnen -stationen der Person Folker Skulima sowie die jeweiligen Jahreszahlen zu seinen auf zwei Seiten aufgelisteten „Ausstellungen seit 1969“ am Ende des Buchs vermissen. Sie hier tabellarisch und vollständig auf einen Blick aufzuführen, wäre sicher hilfreich gewesen, um die zuvor erzählten Ereignisse besser einordnen und um die Zusammenhänge auch selbstständig herstellen zu können, gerade auch weil Maciejewski nicht stringent chronologisch in seinen zehn Kapiteln vorgeht, sondern seine Darlegungen mit Vorgriffen, Rückblenden und Gedankensprüngen ausschmückt. So haftet dem vermeintlich informativen Ausstellungsüberblick am Buchende eher der Charakter eines „Name-Dropping“ an, so wie auch die Wahl des Buchtitels der Phantasie des nicht mit den Tiefen des Skulima-Lebensverlaufs vertrauten Leser überlassen bleibt – tauchte da nicht auf einer der letzten Buchseiten noch eine Abbildung aus dem „Katalog zur Art Basel, 1975“ auf, die – passend zum darin ebenfalls reproduzierten Foto von Skulimas erster Galerie in den Weinbergen Spaniens – in der Bildunterschrift die Formel „Mi casa tu casa“ ohne weitere Angaben im Kleingedruckten enthält.
So, wie die „Casa“ ein Statement für den von Skulima anvisierten offenen Horizont ist, so offenbart der Heidelberger auch von Anfang an ein Gespür für innovative Kunst. Das Bewusstsein darüber, dass das Bild in seinem weitesten Sinn eine universelle Sprache darstellt, die Menschen verbindet und Interessen zu bündeln imstande ist, über kulturelle, soziale, ethnische und geographische Grenzen hinweg, scheint bei seinen zukünftigen Entscheidungen immer mitzuschwingen. Nach seinem sprach- und literaturwissenschaftlichen Studium in Heidelberg und Barcelona, das heißt nach seiner Beschäftigung mit den deutschen und romanistischen Kultursphären, zieht er also 1968 nach Westberlin und arbeitet für Reinhard Onnasch als Galerieleiter, der in Berlin „Deutschlands größte Galerie-Etage“ auf 510 Quadratmetern direkt über dem Café Reimann am Kurfürstendamm eröffnet hatte, wie die „Zeit“ am 28.2.1969 titelte. So kommt es, dass Skulima Ende der Sechziger Jahre mit Onnasch zu den ersten Galeristen gehört, die in Berlin internationale zeitgenössische Kunst – wie Prozess- und Konzeptkunst – verkaufen.
Nach der Trennung von Onnasch zeigt Skulima den Berlinern in seiner ersten Ausstellung 1969 Arbeiten von Andy Warhol, dessen berühmte Marilyn-Monroe-Bildserie, die „Ten Marilyns“, gerade erst 1968 auf der „documenta 4“ zum ersten Mal in Europa zu sehen gewesen waren. Durch einen glücklichen Zufall hatte Skulima nämlich über einen spanischen Freund erfahren, dass Salvador Dalí eine „Reihe kleinformatiger Originale von Andy Warhol“ besaß. Skulima hatte über den Freund Kontakt zu Dalí aufnehmen können und ihn 1969 im Küstenort Cadaqués getroffen, in der „künstlerischen Bannmeile“ des spanischen Surrealismus. Nach einem „auf Spanisch geführten Fachsimpeln und Aushandeln“ gelang Skulima der Ankauf diverser Warhol-Arbeiten von Dalí, die nun den Grundstock zu seiner Berliner Galerie-Premiere bildeten und ihm in der deutschen Presse schon kurz nach der Eröffnung in der Fasanenstraße den gefeierten Ruf eines „Senkrechtstarters“ einbrachten.
Auf dieser Basis machte er sich als Avantgarde-Galerist schnell einen Namen und prägte die Entwicklung Westberlins zu einer ernstzunehmenden Kunststadt von nun an mit. Anfang der 1970er-Jahre folgten viele weitere große Namen in Skulimas Angebotspalette, darunter Marcel Broodthaers, Gilbert & George, Daniel Buren, Lawrence Wiener, Cy Twombly, Jannis Kounellis und Mario Merz. Auch als Netzwerker intensivierte er, inner- und Außerhalb seiner Wahlheimat Berlin, seinen Einfluss. Nachdem er 1975 zusammen mit zwei Kollegen den Bundesverband Deutscher Galeristen mitgegründet hatte und für das Edinburgh-Festival als Kurator in Erscheinung getreten war, engagierte er sich fünfzehn Jahre lang (bis 1990) als „glänzender Mediator“ und Mitglied des Ausstellerbeirats der Art Basel und in den 1980er-Jahren der Chicago Art Fair, auf deren internationalen Kunstmessen seine Galerie inzwischen als fester Bestandteil regelmäßig vertreten war. 1977 fand in der Galerie Skulima die Premiere der berühmten „The Art Show“ von Edward und Nancy Kienholz statt. Außerdem zeigte Skulima Gruppenausstellungen mit Werken von Marcel Duchamp, René Magritte, El Lissitzky und den „Neuen Wilden“ Ende der Siebziger Jahre.
Folker Skulima befindet sich in dieser auch politisch aufgeladenen Dekade auf der Höhe seiner Erfolge als Galerist. So vereinbarte er 1971 mit seinen Freunden und Galeristenkollegen Hans Mayer (Galerie Hans Mayer, Düsseldorf) und Lucio Amelio (Modern Art Agency, Neapel), die beide u.a. mit Joseph Beuys befreundet waren und ihrerseits über exzellente Kontakte verfügten, auf der Art Basel eine „Fundteilung“ diverser Gouachen von Cy Twombly, um sie auch in ihren Galerien auf den Markt zu bringen. Joseph Beuys hatte Skulima gerade erst in Amelios Galerie in Neapel kennengelernt anlässlich dessen (mit einem einwöchigen Symposium verbundener) Ausstellung „Ciclo sull’opera di Joseph Beuys 1946-1971“. Beuys machte auch in Italien auf dem Gipfel seiner Schaffenskraft als „Revoluzzer“ und als „eine der herausragenden Leitfiguren der zeitgenössischen Kunst“ Furore, die – nicht nur in den Augen eines Jannis Kounellis oder Mario Merz zu Recht – „die Freiheit der Kunst als universelles Menschenrecht einforderte“. In diesen Jahren konnte man Skulima mit Amelio und Beuys vor dem traditionellen VIP-Treff im Herzen Roms, vor der „Bar Rosati" auf der Piazza del Popolo, im Freien bei einem Espresso sitzen sehen, wo sie über neue Visionen sinnierten, während sich Leinwandstars, Regisseure, Kritiker und Intellektuelle um sie herum ihr Stelldichein gaben.
Nachdem Skulima seine Ausstellungen ab 1983 von Volker Diehl betreuen ließ, der 1990 die Galerie Folker Skulima ganz übernahm, verlegte sich Skulima ausschließlich auf die Tätigkeit als Kurator und Kunstsammler: 2003 kuratierte er die Ausstellung „Alexis Akrithakis“ – eine Retrospektive mit den Werken des „nach Jannis Kounellis“ zweitwichtigsten griechischen Künstlers der Gegenwart – in der Nationalgalerie Berlin und 2005 „Affinities“ in der Peggy Guggenheim Collection in Venedig, bevor er 2018 die Kunststiftung Folker Skulima „für zeitgenössische Kunst und Kultur aller Sparten“ gründete, die letztes Jahr den deutschen Künstler Jakob Mattner (* 1946) zum ersten Preisträger der Stiftung gekürt hat. Eine große, seinem Lebenswerk gewidmete Ausstellung in der Fasanenstraße sowie der alljährlich verliehene und mit 20.000 Euro dotierte „Folker Skulima Preis“ ehrten den Lübecker Maler und Bildhauer, ein Wahl-Berliner wie Skulima selbst. Die von Folker Skulima geleitete Stiftung hat ihren Sitz wieder in der Berliner Fasanenstraße im wohlhabenden Charlottenburg: Also, alles auf Anfang, bitte?
Die Auftaktveranstaltung der „Kunststiftung Folker Skulima“ am 28.5.2019 war jedenfalls unter dem Titel „Joseph Beuys – Der erweiterte Kunstbegriff und die Soziale Plastik“ Beuys’ Infragestellung des Werkbegriffs „als eine abgeschlossene Sache des Künstlers“ gewidmet. In Anwesenheit des inzwischen achtzigjährigen Skulima, der während seiner aktiven Zeit als Galerist „oft die besten Arbeiten für sich behalten und sie jetzt in die Stiftung eingebracht hat“ (so Peter Raue in der „Berliner Zeitung“ vom 19.12.2019), und eines Originals von Beuys – zwanglos auf dem Podium ausgestellt – fand in der Fasanenstraße eine Diskussion vor Publikum über den 1986 in Düsseldorf verstorbenen Krefelder Künstler Beuys und über dessen „Erweiterten Kunstbegriff“ statt. Letzterem zufolge können, erklärt Maciejewski in „Mi casa tu casa“, auch eine Interaktion, eine neue Situation, ein Prozess, ein Konzept, aber auch „eine Institution, ein Politikentwurf oder eine soziale Utopie als Kunstwerke verstanden werden“ – eine auch im dritten Jahrtausend wieder und immer noch brisante, hochaktuelle Frage.
Hier nun scheint sich der Kreis um Skulimas „weit verzweigten Lebensweg, der über Heidelberg – Sitges – Berlin – Köln – Düsseldorf – Basel – London – Edinburgh – Neapel – New York – Los Angeles – Chicago – Venedig – Stockholm führte (um nur die wichtigsten Stationen zu nennen)“, so Maciejewski gegen Ende des Buchs, zu schließen. Denn gerade das wandelbare Wesen des Agierens und Interagierens von Folker Skulima, von Spanien nach Berlin, von der Liebe zur Kultur und zum Süden, bis hin zum Kunsthandel und nun zur Gründung einer eigenen, nach ihm benannten Stiftung zeigen, dass Skulima das „harte Geschäft der Kunst“ mit einem inneren Ruf zu Höherem verbindet, den er wohl schon früh von seinem kulturell bewanderten Elternhaus mitbekommen hat. Aufgewachsen in einer Familie, „in der nicht nur die Literatur, geschrieben wie verlegt, zu Hause war, sondern der befreiende Geist weiter kultureller Horizonte“, erlernte Skulima im Verlag seines Vaters, dessen Name noch heute in der „Wissenschaftlichen Versandbuchhandlung Skulima“ nachwirkt, „das publizistische Handwerk“. Eine verantwortungsbewusste Berufsauffassung – die Leidenschaft zur Sache ja nicht ausschließt – zeigte der Galerist und Sammler Maciejewski zufolge auch dadurch, dass ihm die „Förderung einer jüngeren Künstlergeneration“ schon früh am Herzen lag. Ehrgeizig und erfolgreich hat er sich auf der Höhe seiner Aktivitäten ein unverwechselbares Profil seines Galerieprogramms erarbeitet, für das er etwa bei der Art Basel 1980 als einziges Exponat im Katalog El Lissitzkys „Der Konstrukteur“ (1923) auswählte, wodurch Lissitzky als Vertreter des russischen Konstruktivismus zur Gallionsfigur einer hochkarätig besetzten, 24-köpfigen Künstlerauswahl auf der Kunstmesse avancierte. Eine Reproduktion dieses Originalfotos ziert auch die erste Innenseite des Buchs von Maciejewski. Ein letztes Indiz für Skulimas anspruchsvolles Kunstvermittlungskonzept mag daraus abgelesen werden, dass er unter vielen anderen ähnlich gelagerten Aktionen 1978 den erfolgreichen Multi-Media-Künstler, Theaterautor und Regisseur Robert („Bob“) Wilson (* 1941) für eine Multiple-Serien-Ausstellung in der Niebuhrstraße gewann, in der Wilson Möbel seiner Theateraufführungen präsentierte und zum Verkauf anbot. Bald würde Skulima – im Buch zuweilen auch kurz „FS“ genannt – unter vielen anderen Georg Baselitz, Helmut Middendorf, Ina Barfuss oder Bernd Koberling in seine Galerie holen und die Entwicklungen der deutschen Malereiszene mit den tonangebenden Trends auf internationalen Kunstmessen und -schauen in Beziehung setzen, begleiten und sowohl auf ästhetischer als auch ökonomischer Ebene hinter den Kulissen miteinander verweben.
Tatsächlich ist Skulimas Galeristenaktivität davon geprägt, dass er es verstand, im Hintergrund der im Rampenlicht agierenden Stars der Kunstszene „den inneren Vibrationen seines Kunstverstandes“ und seinem Fingerspitzengefühl zu folgen, treu zu bleiben und an andere zu vermitteln. Er war und ist ein kunstorientierter Sammler, nicht ausschließlich verkaufsorientiert. Als bedeutender Vertreter der frühen Galeristengeneration, die sich in Westberlin mit Hauptaugenmerk auf die zeitgenössische Nachkriegsavantgarde nachhaltig für die moderne Kunst interessiert hat, wird er selber zum Innovator oder „Konstrukteur“. Dass er transkulturell denkt, bleibt dabei eine Stärke. Mit Hingabe und Kunstverstand sucht Skulima bis heute nach einer immer neuen globalen Verortung der Kunstszene, sorgt für deren Beheimatung vor Ort, an den Stätten seines Lebens und Wirkens, und eröffnet der Kunst dadurch maßgeschneiderte Räume. Als unermüdlicher Networker erschließt er sich bis heute verschiedene „Häuser“ für die freie, bildende Kunst, die er dann öffnet, um andere Akteure einzubeziehen. Angefangen im Spanien der Sechziger Jahre bis hin zum Berlin des dritten Jahrtausends, vernetzt der gebürtige Heidelberger und Wahl-Berliner seit 50 Jahren systematisch verschiedene Formate als „Dächer“, die sich über die von ihm präsentierten Werke schützend legen und die er zeitgemäß erneuert: von der Galerie über die Kuration musealer Ausstellungen und Erstellung eigener Katalogpublikationen bis hin zur Kunststiftung Folker Skulima anno 2018. Heute lebt Folker Skulima in Berlin und New York, wohin er 1972 zum ersten Mal mit seiner Frau Heike flog und wo er sich 1980 im damaligen Mekka der subkulturellen und auch preislich tonangebenden internationalen Kunstszene eine Wohnung gekauft hat. Seitdem pendelt der Mittler zwischen Künstlern und Kunstmarkt „zwischen“ diesen beiden „Casas“ nicht nur im praktischen Leben hin und her, sondern dürfte sich auch als Zeitzeuge der Avantgarde, berufserfahrener Aussteller und transkultureller „Connaisseur“ der westlichen Kunsthemisphäre geistig genau in diesem Spannungsfeld rundum „zu Hause“ fühlen.
Franz Maciejewski: Mi casa tu casa. Folker Skulima – Ein Haus für die Kunst
Verlag: Edition Braus, Berlin
Format: 17 x 24 cm, Etwa 50 Abbildungen, 128 Seiten, Hardcover
ISBN 9783862282111
Weiterführende Informationen:
- Video der 1. Veranstaltung der neugegründeten Folker-Skulima-Stiftung am 28.5.2019: Der Spezialist für Joseph Beuys, Prof. Dr. Eugen Blume, diskutiert mit dem Künstler Konstantino Dregos über Joseph Beuys und die soziale Plastik; Moderation von Silke Ramelow (1:09:10)
- Kunststiftung Folker Skulima, Berlin
- Homepage der heutigen Volker Diehl Galerie (bis 1983: Folker Skulima Galerie)
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