Die aktuelle Ausstellung im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg plaudert viele Geheimnisse aber auch Altbekanntes aus: Dass der griechische Göttervater Zeus ein „womanizer“ war, dürfte hinreichend bekannt sein. Sehr zum Leidwesen seiner Ehefrau Hera.
Zahlreiche Halbgöttinnen und -götter zeugen von seinen amourösen Abenteuern. Um die Gunst seiner Angebeteten zu gewinnen, ging er äußerst listenreich vor. So verwandelte er sich beispielsweise in einen prächtigen weißen Stier, um Europa, die Tochter des phönizischen Königs Agenor zu rauben oder in einen Schwan, um Leda, Tochter des ätolischen Königs Thestios zu verführen. Aus seinen Liebschaften gingen zahlreiche Kinder hervor, von denen einige ihrem Vater an göttlicher Verehrung in nichts nachstanden, wie die Kriegsgöttin Pallas Athene, der weissagende Apoll, die schöne Aphrodite, der mutige Herakles, der Weingott Dionysos und der stierköpfige Minotaurus.
Als Wohnsitz dieser exzentrischen Götterfamilie mit Zeus und Hera an der Spitze, galt der griechische Berg Olympos in Nordgriechenland. Zu der göttlichen Wohngemeinschaft gehörten die fünf Geschwister des Zeus und diverse eheliche Töchter und Söhne. Zugang und Platz im Olymp fanden auch die Halbgötter Herakles und Dionysos. Die Götter glichen den Menschen nicht nur in der Gestalt, sondern auch in ihrem Verhalten: es gab Zank und Streit, Eifersucht, Neid und Missgunst. Sie waren rachsüchtig, führten untereinander blutige Kämpfe, waren machtgierig und keinem Seitensprung abgeneigt.
Das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (MKG) präsentiert bis zum bis 2. Juni 2019 in seiner aktuellen Ausstellung rund 80, bis zu 60 cm hohe Meisterwerke antiker Vasenkunst aus dem 6. bis 4. Jahrhundert v. Chr., der sogenannten klassischen Epoche im alten Griechenland.
Athen, auf der Halbinsel Attika, ist zu diesem Zeitpunkt der mächtigste griechische Stadtstaat gewesen und das Zentrum der Künste und Wissenschaften. Schutzherrin der Stadt war Athene, die Göttin der Weisheit und des Krieges.
Attische Vasen gehörten zu den begehrtesten Importartikeln in Etrurien, Süditalien und im östlichen Mittelmeerraum. Die Verbraucher schätzten die überaus hohe Qualität, die Perfektion der Keramiken sowie die Eleganz der Bildnisse. Zweifellos ist die griechische Vasenmalerei bis heute ein wichtiger Träger für die Ornamentik - wie beispielsweise dem Mäander – sowie einem Bildprogramm, welches ein Indikator für die zeitliche Datierung ist.
Zehntausende vollständige oder in Scherben erhaltene Vasen erzählen von den lehrreichen, oft unterhaltsamen Abenteuern der Götter und Menschen, welche die Töpfermeister in szenischen Darstellungen festgehalten haben. Die Szenen berichten von den Heldentaten der göttlichen Protagonisten: Sie informieren über Prometheus, der den Menschen das Feuer brachte, von dem Helden Theseus, der im Labyrinth von Kreta den Minotaurus besiegte oder vom tragischen Schicksal des korinthischen Königs Sisyphos, der in der Unterwelt zur ewigen Strafe einen Felsblock einen Berg hinaufwälzen musste, der, am Gipfel angekommen, jedes Mal wieder zurück ins Tal rollte oder von den Taten des Superhelden Herakles.
Doch was bedeuten antike Vasen für den heutigen Betrachter? Spaß? Unterhaltung? Sport? Nervenkitzel?
Neben der als Kochgeschirr dienenden Grobkeramik, fungierte die bemalte Keramik auch als Informations- und Klatschportal der antiken Welt: Diese erzählten vom Alltagsleben der reichen Oberschicht, von Protzerei und Prasserei, von Sex und Crime. Die Bilder zeugen aber auch von den kulturellen und politischen Spannungen dieser Epoche.
Die tiefe Verehrung für ihre Götter und Heroen zeigen zum Beispiel die attisch-schwarzfigurige Hydria: „Herakles raubt den Dreifuß aus dem Heiligtum des Apollon in Delphi“. Oder die beiden Lekythos „Der Göttervater Zeus im Typus des Vorkämpfers“ und „Aias und Achilles beim Brettspiel“ oder vom Supermann Herakles, der dem dreileibigen König Geryoneus eine Herde Rinder klaute.
Eine bedeutende Rolle spielten auch die Dichter der großen Epen, wie Homer (8.Jh.v.Chr.), dessen Werke „Ilias“ und „Odyssee“ im gesamten griechischen Raum verbreitet waren. Diese Mythen berichteten von der Entstehung der Welt, den historischen Kriegen, ihren Helden und Idolen sowie der Genealogie der Götter. Jede griechische Gottheit hatte einen spezifischen Charakter und Wirkungskreis, ihre eigenen ikonografischen Merkmale, die aber örtlich variieren konnten. So verband man mit Herakles Löwenfell, Keule und Bogen, mit dem trojanischen Krieger Achill Helm, Rüstung und Waffen oder mit Göttervater Zeus ein Bündel von Blitzen. Die Erzählungen wurden als tatsächlich geschehene Vergangenheit betrachtet und über Generationen tradiert, wie zum Beispiel der Krieg von Troja.
Neben ihrem erzählerischen Wert, besitzen griechische Vasen eine große ästhetische Anziehungskraft. Die Gefäßformen sind elegant und mit einem faszinierenden Glanz der Oberfläche. Im Laufe der Jahrhunderte entwickelte sich eine Vielfalt von Formen, von denen die sogenannten Amphoren (Vorratsgefäß), Hydrias (Schöpf- und Gießgefäß) und Krater (Mischgefäß) sowie Kantharos (flache Trinkschalen auf hohem Fuß) am bekanntesten geworden sind.
Sie wurden zur Aufbewahrung von Vorräten verwendet, zum Transport von Handelswaren wie Wein, Öl und Getreide, als Trankgefäße bei pompösen Gelagen, als Grabbeigaben oder Kult- und Ritualgefäße in Tempeln und Heiligtümern.
Athen übernahm zunehmend die Führung in der Keramikproduktion, perfektionierte zunächst die schwarzfigurige Technik in ihren ortansässigen Werkstätten. Alle Vasen wurden auf einer rotierenden Töpferscheibe gedreht und vor dem Brand bemalt. Das Malmaterial, feiner Tonschlicker, gewann man aus in Attika besonders vorkommenden Erden, die durch das dreistufige Brennen, den Drei-Phasen-Brand, ihre glänzende Oberfläche erhielten. Bei dieser Technik des Brennverfahrens, das bereits in der Bronzezeit entwickelt wurde, erreichte der Töpfer durch die Regulierung der Temperatur und der Sauerstoffzufuhr die charakteristischen Farbtöne.
Die sogenannte schwarzfigurige Vasenmalerei wurde etwa um 530 v.Chr. in Athen von der rotfigurigen Malerei abgelöst. Figuren und Muster wurden nun nicht mehr aufgetragen, sondern aus dem Untergrund ausgespart und mit linearen Umzeichnungen versehen. Dieser Zeitabschnitt ist nicht nur durch flächig gemalte Körper und faltenreiche Gewänder geprägt, sondern auch durch die Anwendung des Kontraposts, von Verkürzungen und von dynamischen Bewegungen der Haare und Gewänder. Ein weiteres Dekorationsschema sind Augen in Profilansicht. Die Figuren zeigen bereits Ansätze von Zentralperspektive, welche die Darstellungen leicht räumlich erscheinen lassen.
Wieso besteht in unserer heutigen Zeit noch so eine Faszination an der griechischen Mythologie, an dieser fast drei Jahrtausend zurückliegenden Kultur?
Vielleicht, weil die unzähligen Mythen von Göttern und Helden bis heute unsere Phantasie beeinflussen, die aktuelle Literatur, das Theater und die bewegten Bilder: sei es in dem Film „Kampf der Titanen“, den Comics von „Asterix und Obelix“ oder der Graphic Novel „Die Kinder des Prometheus“.
Ein Blick auf die aktuellen Comics, Grapic Novels, Fantasy und Sience Fiction Literatur zeigt, dass die spannenden Bildthemen der alten Vasenmalerei nicht an Aktualität verloren haben und in Vergessenheit geraten sind. Die keineswegs verstaubte Ausstellung präsentiert die in Vitrinen stehenden antiken Kostbarkeiten. Zusätzliche Informationen erläutern auch dem unkundigen Betrachter die Helden der antiken Bilderwelten.
„Antike Bilderwelten. Was griechische Vasen erzählen“
Die Ausstellung ist bis zum 2. Juni 2019 im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, Steintorplatz, 20099 Hamburg zu besichtigen.Die Öffnungszeiten sind Dienstag bis Sonntag: 10-18 Uhr, Donnerstag: 10-21 Uhr.
Weitere Informationen
Abbildungsnachweis: Alle Fotos: © Joachim Hiltmann
Header: Herakles und die Rinder des Königs Geryoneus, Skyphos des Theseus-Malers, attisch-schwarzfigurig, um 500 v. Chr., Sammlung Zimmermann Inv. 41
01. Die Göttin Aphrodite mit den drei Chariten, Kalpis Klasse von Brüssel A 3099 (Ausschnitt), attisch-rotfigurig , um 410 v. Chr., Sammlung Zimmermann Inv. 26
02. Werbung um eine junge Frau, Schale (Form B), attisch-rotfigurig, um 470–460 v. Chr., Stiftung Heidrun und Dr. Manfred Zimmermann
03. Die Göttin Athena im Kampf mit einem Giganten, Bauchamphora (Form B) des Schaukelmalers (Ausschnitt Seite A), attisch-schwarzfigurig, um 530 v. Chr., Sammlung Zimmermann Inv. 2
04. Herakles raubt den Dreifuß aus dem Heiligtum des Apollon in Delphi, Hydria der Leagros-Gruppe, Gruppe von Vatikan 424, attisch-schwarzfigurig, um 510–500 v. Chr., Sammlung Zimmermann Inv. 23
05. Herakles raubt den Dreifuß aus dem Heiligtum des Apollon in Delphi, Detail, Hydria der Leagros-Gruppe, Gruppe von Vatikan 424, attisch-schwarzfigurig, um 510–500 v. Chr., Sammlung Zimmermann Inv. 23
06. Aias und Achilles beim Brettspiel, Lekythos des Edinburgh-Malers, attisch-schwarzfigurig , um 510–500 v. Chr., Stiftung Heidrun und Dr. Manfred Zimmermann.
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