Fotografie

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Victor von Brauchitsch, black-man-standing 2002

Der Kunsthistoriker Boris von Brauchitsch hat ein sehr persönliches Buchprojekt verwirklicht.

Eine Retrospektive über das fotografische Werk seiner Eltern Helga und Victor von Brauchitsch (*1936/1940), die einer Fotografengeneration angehören, die vor dem großen Foto-Boom in Deutschland ihre Arbeit aufgenommen hat. Eine Entdeckung, über die es lohnt zu sprechen.

 

Sebastian Castro (S.C.): Wo fangen wir an?    
 
Boris von Brauchitsch (B.v.B.).: In der weitläufigen Dunkelkammer meiner Eltern. Da habe ich als Kind viele Stunden verbracht, musste stillhalten, wenn das Fotopapier belichtet wurde, damit nicht der Labortisch auf dem alten Parkettboden wackelte, und durfte zusehen, wie die Bilder im Entwickler langsam auftauchten. Ich bin zwischen den Fotos meiner Eltern aufgewachsen. Fotos waren schon da, als ich geboren wurde und es wurden nach und nach immer mehr.

S.C.: Das klingt ja ein bisschen inflationär.

B.v.B.: Keineswegs. Die Welt ist zwar groß und bietet unbegrenzte Motive, man kann fast alles fotografieren, weil fast alles sichtbar ist, aber dieser medialen Geschwätzigkeit, das haben mir meine Eltern früh vermittelt, muss man radikal entgegentreten. Jedes Bild muss ein Votum gegen die beliebige Produktion sein.

S.C.: Ich produziere Bilder als Statement gegen die Produktion von Bildern?

B.v.B.: Ganz genau, das ist es. Für jedes Bild, das Du machst, müssen sozusagen tausend andere vor Scham im Boden versinken! Dein Bild muss so stark sein, dass sich die tausend anderen, die passabel sein mögen, von selbst erledigen. Mein Vater pflegt zu sagen: Es gibt viele gute Bilder, aber sehr wenig sehr gute.

S.C.: Inwieweit ist dieser Blick und diese Wertung nicht auch eine Frage persönlicher Prägung, eines individuellen Geschmacks.
 

 

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B.v.B.: Der Blick steht über dem Geschmack. Und er ist dessen Voraussetzung. Wenn ich nicht gelernt habe zu sehen, kann ich auch keinen ernstzunehmenden Kunstgeschmack haben. Es gibt ja bis heute Menschen, die glauben, mit einer teuren Kamera machen sie automatisch gute Fotos. Die Werbung suggeriert das auch noch. Und die Industrie stellt zudem noch tolle Bearbeitungsprogramme bereit. Die Fotografie hat die Welt da draußen inzwischen gar nicht mehr nötig. Man kann sich seine Bilder selber basteln. Die aktuelle computergenerierte Bildproduktion ist in ihrer Fiktion allerdings genauso trivial und verlogen, wie einst die familiären Erinnerungsbildchen. Ein Computer bringt einen leider nicht weiter, wenn man nicht gelernt hat sehen.
 

 

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