Film
Gerrit Gronau macht Filme - Uetersen

Die ‚Rosenstadt‘ Uetersen ist ein adretter kleiner Ort in Schleswig-Holstein, nicht weit von Hamburg.
Hier gibt es ein Heimatmuseum, einen kleinen Marktplatz, eine gar nicht mal so kleine, wunderschöne Barockkirche und überall massenhaft Rosen, was daran liegt, dass die Gegend von Rosenzüchtern umzingelt ist.
Uetersen hat sogar noch ein eigenes Kino, das „Burgtheater“. Im letzten Herbst genossen dort 24 Besucher, die zur Premiere vom neuen Bond, „Skyfall“, erschienen waren, in ihren Sesseln maximale Ellenbogenfreiheit.

Wohlweislich im größeren Kinoraum daneben lief zur gleichen Zeit „Wie das Leben eben ist“, eine Jugend-Drama-Krimi-Komödie, vor 180 Zuschauern. Hier quiekt und kichert das Publikum, bevor der Film überhaupt angefangen hat, eine richtige Familienatmosphäre. Vorher wird Prosecco oder Orangensaft serviert, und dann erscheint der Kreative, Produzent, Drehbuchautor, Regisseur und Hauptdarsteller Gerrit Gronau mit einem Mikrofon, um ein paar erläuternde Worte zu sprechen. Streng genommen vielleicht überflüssig, es gibt sicher kaum jemanden, der nicht im Bilde ist – aber sehr professionell und noch mehr Spaß für alle.

Das steigert sich, als zunächst ein Trailer der Hagenbuttenbühne für das Weihnachtsmärchen, demnächst in der, nun ja, Turnhalle Uetersen, zu sehen ist: „Der kleine Hobbit, frei nach J. R. R. Tolkien“. Hier erkennen wir unter anderem einen Bilbo Beutlin, der praktische nur aus Augenbrauen besteht sowie eine wunderschöne Galadriel (keineswegs in einer Turnhalle, sondern durch die heimatliche Natur schweifend). 
Gerrit Gronau hat für das Bühnenstück Tolkiens Text zurechtgestutzt sowie die Regie geführt. Und den Trailer gedreht, versteht sich.
Der junge Mann ist lang, schlank, dunkelblond, mit schmalen, hellen Augen. Ruhig, zurückhaltend, wohlerzogen. Wirkt auf den ersten Blick eigentlich harmlos, so, als ob er nichts anrichten könnte.
Das täuscht.

Bei „Wie das Leben eben ist" handelt es sich bereits um seinen dritten Spielfilm – wenn wir die Kurzfilme mal unerwähnt lassen wollen.
Sein Interesse für die darstellende Kunst wurde, wie erfreulich, in der Schule gefördert. Das Uetersener Ludwig-Meyn-Gymnasium besitzt eine Theater-AG und bot sich an als Übungsstätte für Regie- und Schauspielversuche.
Schon als kleiner Junge hatte Gerrit gern mit der Kamera seiner Eltern die Familie aufgenommen. Jetzt fertigte er mit Hilfe von Medienpädagogen kleine Filme an. Geschichte interessiert ihn besonders, Zeitgeschichte, das Dritte Reich.

Als er sechzehn ist, entsteht der erste ‚große‘ Film, immerhin 29 Minuten lang: „Namen in Rot". Dem Titel zum Trotz ganz zeitgenössisch in Schwarzweiß. Hier wird das (fiktive) Schicksal des Juden Martin Weber erzählt, der sich während des Naziregimes bei Freunden vor der Gestapo versteckt. 1943 erscheint der brutale Obersturmbannführer Wilhelm Götz mit seinen Schergen, um die Idylle auf dem Land – sogar die schöne alte Barockkirche! – nach Martin Weber zu durchschnüffeln. Vor Folter wird nicht zurückgeschreckt, aber gnädig abgeblendet. Jetzt geht es auch der hilfsbereiten Familie an den Kragen. Das Ganze endet realistisch, also tragisch. Gerrit Gronau selbst spielt den eiskalten, bösartigen Götz in schönem langem Wehrmachtsmantel und mit Stiebeln. Die Kostüme wurden über’s Internet bestellt, die Eltern Gronau griffen dabei dem begabten Sohn finanziell etwas unter die Achseln.

Sobald er sein Drehbuch fertig hatte, fragte er Freunde und Bekannte, wer gern was dazu beitragen möchte. Gage gab es nicht, Ruhm wohl auch in überschaubarer Dosierung – aber jede Menge Spaß!
Gerrit konnte nicht so schrecklich wählerisch sein und freute sich über alle, die mitmachten, Klassenkameraden, die hübsche eigene Schwester, Oma und der Uetersener Pastor. Als Pastor. Übrigens ausgesprochen talentiert und vor allem gut zu verstehen, weil er klar spricht. Was man nicht von allen Mitwirkenden behaupten kann. Gerrit konnte eben nicht so schrecklich wählerisch sein.
Weil das Ende so traurig ist, gibt es zum Schluss zur Erheiterung die rausgeschnittenen oder daneben gegangenen Szenen und das ist, wie so oft, fast das Beste. Da steht Obersturmbannführer Götz mit seinen Leuten, die Waffen im Arm, in Begriff, den verdächtigen Stall zu stürmen – und eine Frauenstimme aus dem Off ruft: „Gerrit?“ worauf den Nazis die Schultern runtersacken, sie sich deprimiert umdrehen und gemeinsam seufzen: „Och, Mama…!“
Ungefähr 700 bis 800 Euro hat ‚Namen in Rot‘ gekostet. Schon dieser erste kleine Film wird mehrfach im Uetersener Burgtheater gezeigt. Zur Ermutigung gibt es den Jugendpreis der Rosenstadt Uetersen 2011, Platz 1.

Nun will Gerrit ja gern sein Abitur machen – aber auch den nächsten Film. Er macht beides.
Kalter Frühling", spielt mit dem Gedanken, dass Reformpolitiker Michail Gorbatschow in Moskau gestürzt, die friedliche Revolution in der DDR niedergeschlagen und die Diplomatie zwischen Ost und West gescheitert wäre.
Wir erleben die gefährliche Situation des Ostberliners Markus Fichtenberg im Jahr 1990, der nichts wie raus will aus dem Überwachungsstaat. Wir beobachten jedoch auch Gespräche, offizielle und geheime, führender Amerikanischer und Sowjetischer Politiker.
Das mit den Kulissen war gar nicht kompliziert, meinte Gerrit: „Ich habe hier viele Plätze gefunden, die aussehen wie ehemals in der DDR“, zitiert ihn mit kaum merklichem Augenzwinkern die Lokalpresse.

Trotz dieses Statements kann er die Bürgermeisterin überreden, ihn im Uetersener Ratssaal drehen zu lassen: „Ein paar rote Fahnen mit Hammer und Sichel aufgehängt – und schon sah es aus wie bei Honecker im Zentralkomitee“.
Die vielen Fahnen für den Film übrigens besorgte der Künstler sich auf der traditionellen Klassenfahrt nach Berlin. Da gibt es Fahnen satt, auch solche mit geschichtlicher Brisanz, und jeder kauft sich am Checkpoint Charly eine als Souvenir. Als Gerrit allerdings mit der gefühlt fünfzigsten Fahne antrabte, begannen seine Lehrer, etwas verstört zu gucken.
Wir erleben den Drehbuchautor und Regisseur diesmal wieder in Uniform (er spielt einen Sowjetbonzen), ziemlich bedrohlich, mit russischem Akzent gurgelnd. Könnte es sein, dass der freundliche, höfliche Gerrit Gronau in seinen Filmen ein wenig seine dunkle Seite auslebt?

„Kalter Frühling" hat 1.000 Euro gekostet und ist bereits 52 Minuten lang. Diesmal gibt es den ersten Platz beim achten Jugendpreis des Kreises Pinneberg.
Der dritte Film sollte mal anders werden, heiterer. Und bunter.
Bis kurz vor Drehbeginn fehlt noch die bestellte Kamera, was bedeutet, dass der ganz normale Filmwahnsinn offenbar auch schon zu Babyproduktionen gehört. Im letzten Moment kommt sie an und will erst mal verstanden sein – woraus sich erklärt, dass einige Szenen im Randbereich teilweise dramatisch überbelichtet sind. Man könnte aber auch denken, das sei ein künstlerischer Einfall und so gewollt.

Wie das Leben eben ist" (65 Minuten lang, Kosten ca. 2.500 Euro) zeigt zwei Jungmänner und ein Mädel, die sich eine WG teilen und in ihren Alltagssorgen herumstrampeln, von Studium über Partnerschaft sowie ein bisschen Drogenhandels-Kriminalität. Es wird so viel Alkohol gekippt wie in alten Hollywoodfilmen, aber das ist ja vielleicht sehr realistisch. Gerrit überrascht uns, indem er keine Uniform trägt; stattdessen hin und wieder eine Brille.
Dieser Film ist deutlich anders. Immer noch macht sich bemerkbar, dass ein Casting anspruchslos bleiben muss, wenn man kein Honorar zahlen kann. Einige Protagonisten nuscheln, einige reden Theatersprache. Aber es gibt erfreuliche Talente, allen voran Olaf Conrad als jugendlicher Verzweiflungssäufer Georg.
Und, komplizierte neue Kamera hin, Laiendarsteller her, Gerrit Gronau hat eine Menge dazu gelernt. Er denkt großzügiger, er geht mit mehr Abstand an die Szenen. Er leistet sich interessante und durchdachte Blickwinkel. Er arbeitet ungewöhnlich viel mit extremen Großaufnahmen. Das wirkt erfrischend, der Tatsache zum Trotz, dass sich die "Grey Hawk Films"-Produktion einstweilen keinen Maskenbildner leisten kann, der kleine Unebenheiten kaschiert. Großaufnahmen übrigens auch von wunderbaren Rosen: eine Hommage an die fördernde Vaterstadt.
Einiges ist immer noch etwas unbeholfen – vieles ausgesprochen witzig, die Geschichte ist verständlich erzählt und nachvollziehbar und bleibt im Fluss. Die Musik wird überwiegend sehr geschickt eingesetzt. Auch die Schnittarbeit wird immer besser – denn Gerrit schneidet natürlich seine Filme selbst. Wer sollte es sonst tun?
Er kann also auch Komödie.

Der Film geht dieses Jahr ins Rennen um den 2. Jugendpreis der Rosenstadt. Eingereicht wurde er Ende letzten Jahres und in nicht mehr allzu langer Zeit dürfte eine Rückmeldung der Jury kommen.
Und was macht Gerrit jetzt?
Demnächst in Hamburg ein entsprechendes Studium, ganz klar. Da gibt es diverse Möglichkeiten. Er hat schon verschiedentlich Praktika und freie Mitarbeit bei Hamburger Filmfirmen geleistet, etwa als Assistent des Aufnahmeleiters. Ideen hat er mehr, als er verwerten kann.
Ein Musikvideo ist gerade fertig geworden, wieder eine ganz neue Erfahrung. Das war Teil eines deutschlandweiten Wettbewerbes des Cornelsen-Verlags zur Förderung der französischen Sprache in Deutschlands Schulen im Rahmen des 50 jährigen Jubiläums des Élysée-Vertrages.

Ach ja, und dann gibt es da diesen 99FIRE-FILMS-AWARD: Dreh deinen 99-Sekunden-Film in 99 Stunden und gewinne 9.999 €!
Natürlich hat Gerrit Gronau sich die 99 Sekunden gegönnt und in eine für ihn sehr typische Szene gegossen. Eine kleine Familie will vor einem totalitären Regime fliehen und entscheidet sich zu spät: "Abreise".

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Am 7. Februar 2013 wird Gerrit aus Berlin erfahren, ob er nominiert wurde. Und dann hofft er natürlich auf wahnsinnig viele Klicks…
Weitere Informationen: www.99fire-films.de

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