Baltasar Kormákurs Film „Contraband“ ist einerseits ein klassischer Action-Thriller, anderseits aber auch nicht, weil er Geschwindigkeit absorbiert.
Zum deutschen Kinostart sprach Kultur-Port.De-Redakteur Daniel Hirsch mit Produzent und Hauptdarsteller Mark Wahlberg über Island, Schmuggelware, Remakes und die Oscars.
Es gibt Filme, von denen man glaubt, sie schon zu kennen, bevor man sie gesehen hat. Das trifft auch auf das amerikanische Remake „Contraband“ des isländischen Drogenschmuggel-Thrillers „Reykjavik - Rotterdam“ zu, das unter der Regie von Baltasar Kormákur („101 Reykjavik“) zum veritablen Actionfilm mutiert – scheinbar!
Die Geschichte ist schnell erzählt: Der ehemalige Schieberkönig Chris Farraday (Mark Wahlberg) hat sich bereits vor Jahren aus dem Schmuggelgeschäft zurückgezogen, um als ehrlich arbeitender Handwerker fortan ausschließlich für das Wohl seiner Familie zu sorgen. Doch als sein Schwager Andy einen großen Drogen-Deal verhaut und mit der Rache der Auftraggeber sein Leben auf dem Spiel steht, aktiviert Farraday die alten Kontakte, um den kleinen Bruder seiner Frau (Kate Beckinsale) zu retten. Gemeinsam heuern Sie auf einem alten Frachtschiff an, mit dem sie aus Panama im großen Stile Falschgeld nach New Orleans schmuggeln wollen. Doch der Deal mit den Blüten platzt. Gejagt von Polizei und Zollbehörden beginnt für den Filmhelden ein Wettlauf gegen die Zeit, denn er muss seine Familie rechtzeitig auslösen, die nun ebenfalls ins Fadenkreuz der lokalen Drogenmafia geraten ist.
Das an Originalschauplätzen in New Orleans und Panama gedrehte Action-Spektakel überzeugt nicht alleine durch die solide handwerkliche und dramaturgische Umsetzung des filmischen Ausgangsstoffs im Stile eines klassisch amerikanischen Genre-Kinos mit zahlreichen Stunt-Szenen und wilden Verfolgungsjagden. Was „Contraband“ bemerkenswert macht, sind vielmehr die Momente, in denen die filmische Darstellung über den visuellen Kanon des Action-Genres hinausweist. Die entschleunigten Dialogszenen etwa, die dem Zuschauer eine Beobachtung des durchweg eindrucksvollen Mimenspiels der Schauspieler erlauben (bemerkenswert: William Lucking als Vater des Protagonisten). Diese mit der schonungslosen Ehrlichkeit digitaler Kameras eingefangenen Aufnahmen kontrastieren mit bis zur Abstraktion stilisierten Totalen eines nächtlichen New Orleans und erzeugen so eine eindringliche visuelle Spannung, die den Kamerabildern eine aufregende und gleichzeitig rätselhafte Intensität verleiht. Kameramann Barry Ackroyd bedient sich dabei eines ästhetischen Konzepts, das offensichtlich nicht nur wie zuletzt in Nicolas Winding Refns hochgelobtem Thriller „Drive“ funktioniert, sondern überhaupt eine vielversprechende Perspektive für die stilistische Weiterentwicklung des amerikanischen Actionfilms bereitzuhalten scheint.
Daniel Hirsch (DH): Herr Wahlberg, gestern haben wir eine Oscar-Verleihung ohne allzu große Überraschungen erlebt. Wie erwartet wurde, hat der Stummfilm „The Artist“ viele Preise abgeräumt. Was sagen Sie als Produzent und Schauspieler zu diesem Stummfilmtrend, werden Sie auf den Zug aufspringen?
Mark Wahlberg (MW): Nein, ganz bestimmt nicht. Ich denke, im Fall von „The Artist“ waren es ganz besondere Umstände, die den Erfolg des Films möglich gemacht haben. Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Ich habe den Film gesehen und mochte ihn wirklich sehr, aber ich denke nicht, dass sich der Stummfilm als Gattung neu etablieren wird. Zumindest kann ich das als Produzent noch nicht erkennen – aber wer weiß, was als Nächstes kommt, wenn sich diese ganzen Superheldenreihen im Kino erschöpft haben.
DH: Wenn wir schon über Stille sprechen: Baltasar Kormákur, der die Regie bei „Contraband“ führte, ist Isländer – ungewöhnlich für einen amerikanischen Actionfilm. Sind die Skandinavier so ruhig und zurückhaltend, wie man ihnen das nachsagt?
MW: Welcher Regisseur, Baltasar? Nein, um Himmels willen, er quasselt die ganze Zeit und ich höre ihm sehr gerne zu, denn er ist wirklich ein smarter Typ und er hat viele wichtige Dinge zu sagen. Wenn das mit den stillen Skandinaviern ein Klischee sein soll, dann kann ich es definitiv nicht bestätigen. Ab Juli drehen wir einen weiteren Actionfilm miteinander, in dem ich mit Denzel Washington die Hauptrolle spielen werde. Darauf freue ich mich schon sehr. Ich denke, er ist wirklich ein talentierter Regisseur.
DH: Kormákur ist ja nicht nur einfach der Regisseur von „Contraband“. Im isländischen Film „Reykjavik - Rotterdam“, der die Vorlage zur jetzigen Neuverfilmung liefert, spielt er Ihre Rolle. Ergaben sich daraus Spannungen während der Dreharbeiten?
MW: Ich hatte am Anfang die Befürchtung, dass Baltasar vielleicht von mir erwartet, seine Performance einfach zu kopieren. Dieses Verfahren einer einfachen Reproduktion kennt man ja von den vielen amerikanischen Neuauflagen europäischer Kinofilme. Ich hatte das Gefühl, dass ich dem Charakter mit meinem Spiel etwas Eigenes verleihen kann und darin hat mich Baltasar jederzeit voll und ganz unterstützt. Meine Befürchtungen haben sich also nicht bestätigt. Überhaupt sehe ich „Contraband“ nicht nur einfach als Remake eines isländischen Films, sondern als eigenständige Weiterentwicklung des Stoffes, an der wir im Vorfeld intensiv gemeinsam gearbeitet haben. Und natürlich hat er als Regisseur auch eine ganz andere Handschrift als Óskar Jónasson, der im Original die Regie führte.
DH: Die Filmkritik geht mit amerikanischen Remakes europäischer Filmen ja gerne besonders hart ins Gericht…
MW: Das mag sein. Und natürlich hat man bei Filmen wie David Finchers Remake der schwedischen Bestsellerverfilmung „Verblendung“ ganz genau hingesehen. Im Vergleich zu solchen Beispielen haben wir natürlich den Vorteil, dass „Reykjavik -Rotterdam“ kein so bekannter Film ist. Und der Erfolg, den wir mit „Contraband“ im Moment in den USA haben, überzeugt mich davon, dass wir einen sehr guten Film abgeliefert haben.
DH: „Contraband“ ist ein Film, der durch seine für Actionfilme sehr nüchterne Ästhetik besticht. Die Aufnahmen der Kamera atmen förmlich den Schmutz der Szenerie und die Derbheit der Charaktere. Wollten Sie einen realistischen Film machen?
MW: Wir wollten den Film auf jeden Fall so realistisch wie möglich machen. Wir haben uns eingehend mit der Situation des internationalen Warenschmuggels in den großen Häfen beschäftigt, der ein echtes Problem ist. Die Zollbehörden können schon rein personell kaum mehr als 1% der umgeschlagenen Waren kontrollieren, was die Situation natürlich nicht verbessert. Wir fanden das Thema im Übrigen so spannend, dass wir daraus eine Doku-Serie über den Hafen von Los Angeles entwickelt haben, die in Kürze in den USA anlaufen soll. Natürlich ging es bei „Contraband“ aber genauso darum, einen Film zu machen, der unterhält und auch an den Kinokassen erfolgreich ist. Es kann nicht darum gehen, blind einfach nur Neues auszuprobieren.
DH: Was hat Sie denn am Drehbuch zu „Contraband“ besonders fasziniert?
MW: Ich bin jemand, der sich sehr für klassische Actionfilme begeistern kann. Deshalb mochte den Charakter des Chris Farraday auch sofort: Um seinem kleinen Bruder Andy aus den Fängen eines Drogenbosses in New Orleans zu befreien, lässt er sich auf einen riskanten Schmuggel-Deal ein. Seine Familie ist ihm sehr wichtig. Er ist aber kein typischer „Hau-Drauf-Actionheld“, sondern bewältigt seine Aufgabe, indem er sich kreative Lösungen für die Probleme ausdenkt, die ihm begegnen. Dabei wirkt er trotzdem die ganze Zeit sehr souverän und cool. Tatsächlich gab es so gut wie nichts, was mich am Original-Drehbuch gestört hat.
DH: Jetzt haben wir so viel über Island gesprochen: Waren Sie denn schon einmal dort?
MW: Nein, leider noch nicht. Ich würde das sehr gerne einmal nachholen, aber im Moment bin ich einfach zu beschäftigt. Ab April drehe ich einen Film mit Michael Bay, der ja gerade mit „Transformers 3“ sehr erfolgreich war. Das wird ein Film über ein paar abgehalfterte Bodybuilder, die eine kriminelle Vereinigung gründen. Und ich muss ja auch immer an meine Familie denken, die im Zweifelsfall mitkommen sollte.
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(ca. 1.57 Min.) Trailer
„Contraband“
Kinostart: 15. März 2012
im Verleih von Universal Pictures International Germany GmbH
Mark Wahlberg kehrt zurück ins harte Actiongenre mit Contraband, einem packenden Thriller über einen Mann, der versucht, die Vergangenheit endlich hinter sich zu lassen und seine Familie zu beschützen – koste es, was es wolle. Der isländische Kultregisseur Baltasar Kormákur führt uns in den kriminellen Untergrund von New Orleans, wo internationale Schmugglerbanden mit gewissenlosen Gangstern und korrupten Beamten ins Geschäft kommen. Der Einsatz ist hoch, die Gewinne riesig.
Regie: Baltasar Kormákur
Produzenten: Tim Bevan, Eric Fellner, Baltasar Kormákur, Stephen Levinson, Mark Wahlberg
Drehbuch: Aaron Guzikowski
Ausführender Produzent: Liza Chasin, Debra Hayward, Bill Johnson
Darsteller: Mark Wahlberg, Kate Beckinsale, Ben Foster, Giovanni Ribisi, Lukas Haas, Caleb Landry Jones, Diego Luna und J.K. Simmons
Basierend auf dem Film „Reykjavik: Rotterdam“ von: Arnaldur Indriðason und Óskar Jónasson
Laufzeit: 109 Min.
FSK: ab 16 Jahren freigegeben
Bild- und Trailer-Nachweis: Alle © Universal Pictures International Germany GmbH
Header: Mark Wahlberg
Galerie:
01. Filmplakat Contraband
02. Regisseur Baltasar Kormákur
03. Chris Farraday (Mark Wahlberg) hat sich eigentlich aus dem Schmuggelgeschäft zurückgezogen. Entspannt mit seiner Frau (Kate Beckinsale)
04. Beim Schmuggeln von Falschgeld (Mark Wahlberg, Lukas Haas)
05. Andy, der kleine Bruder von Chris Farradays Frau
06. Kate Bekinsale spielt die Ehefrau des Action-Helden
07. Tim Briggs (Giovanni Ribisi) hat es auf den Bruder von Chris Farradays Ehefrau abgesehen
08. Ben Foster
09. Mark Wahlberg zur Filmvorstellung in Berlin
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