In seinem neuen Film Black Gold zeichnet der französische Regisseur Jean-Jacques Annaud („Sieben Jahre in Tibet“, „Der Name der Rose“) eine Geschichte der epochalen Zeitenwende im Mittleren Osten, die mit der Entdeckung von großen Erdölvorkommen zu Beginn des 20. Jahrhunderts über die Region hereinbrach.
Im Mittelpunkt der Handlung steht die kriegerische Auseinandersetzung der verfeindeten Wüstenstämme Salmaah und Hobeika um die neu entdeckten Ölfelder, die im Grenzgebiet zwischen den beiden Königreichen liegen. In den Kämpfen der beiden Häuser spiegeln sich nicht nur die Verwerfungen jener Zeit um die Neuaushandlung der Grenzen zwischen Orient und Okzident oder Tradition und Moderne wider. Anstatt sich in einer bloßen Konfrontation der Gegensätze zu ergehen, entwirft Annaud Black Gold vor dem Hintergrund der Liebe zwischen Prinzessin Leyla und Prinz Auda als Parabel für Toleranz und gegenseitige Achtung, die den einzig möglichen Weg in eine friedliche Zukunft weisen.
Das mit Antonio Banderas („Die Haut, in der ich wohne“), Tahar Rahmin („Der Adler der neunten Legion“) und Freida Pinto („Slumdog Millionaire“) international hochkarätig besetzte Wüstenepos im Stile von Cinemascope-Klassikern der 50er-Jahre startet in den deutschen Kinos im Februar. KulturPort.De-Redakteur Daniel Hirsch sprach mit Regisseur Jean-Jacques Annaud bereits vorab in München über seinen neuen Film.
Daniel Hirsch (DH): Herr Annaud, Sie haben bereits zwei Filme in Deutschland gedreht und sind regelmäßig zu Gast auf deutschen Festivals. Gefällt es Ihnen hier so gut?
Jean-Jacques Annaud (JJA): Oh, ich bin froh, dass Sie mich das fragen. Ich habe wahrscheinlich einige der besten Zeiten meines Lebens in Deutschland verbracht. Ich liebe die Schönheit dieses Landes und habe die Deutschen als angenehme und zuvorkommende Menschen kennen gelernt. Ich spreche natürlich als Ausländer, aber für mich ist Deutschland einer der besten Orte der Welt, an denen man leben kann. Und im Moment ist Deutschland vielleicht sogar für Frankreich ein Vorbild. Die Menschen in Frankreich denken sich: Die Deutschen haben recht. Und das ist nicht erst seit gestern so. Ich bin sehr froh, dass sich die Franzosen im Moment so sehr für Deutschland interessieren, wie es die Deutschen auch für Frankreich tun. Denn unsere Kulturen sind sich so ähnlich – viel ähnlicher als die meisten Menschen das denken.
DH: Heute ist unser Leben durch komplexe Krisen geprägt, die wir kaum noch nachvollziehen können und denen wir mehr oder weniger ausgeliefert sind. Dies hat nicht zuletzt auch die Wirtschaftskrise gezeigt, auf die Sie gerade angespielt haben. In Black Gold stehen sich zwei Stämme ebenfalls einschneidenden Veränderungen in einer globalisierten Welt ausgesetzt. Wollten Sie mit ihrem Film eine Metapher für das Leben in unserer Zeit schaffen?
JJA: Absolut! Diese Überlegungen sind stark mit in Black Gold eingeflossen und ich glaube es war Hitchcock, der einmal sagte, ein Film erzählt viel mehr über die Zeit, in der er entstanden ist, als über die Zeit, die er erzählen will. Ich bin mir sicher, das wird man in einigen Jahren auch meinem Film ansehen. Die Romanvorlage zu Black Gold stammt ja von dem Schweizer Autor Hans Ruesch, der in den 50ern fast schon visionäre Weitsicht bei der Schilderung dieses Kampfes zwischen Tradition und Moderne in der arabischen Welt bewiesen hat und den Zusammenbruch der alten Gesellschaftsordnungen vorwegnahm. Und ich sehe auch eine Verbindungslinie zwischen dem Durst nach Öl im Film und der kapitalistischen Gier, die seit den 80erJahren zu den immer stärkeren wirtschaftlichen Verwerfungen geführt hat und die wir heute wieder durchleben. Das hat nur noch wenig mit der Idee eines europäischen Kapitalismus des 18. und 19. Jahrhunderts zu tun, in dem Kapital auch immer als Verpflichtung gegenüber der Zukunft und der eigenen Verantwortung betrachtet wurde.
DH: Sind das Entwicklungen, die Sie auch in der Filmindustrie beobachten?
JJA: Heute ist der Name fast schon wichtiger als das Produkt. Als Regisseur habe ich mich aber dazu entschlossen, weiterhin ein Höchstmaß an Anspruch an mich und meine Arbeit zu stellen und stets den bestmöglichen Film abzuliefern. Denn schließlich ist es ja im Gegensatz zu einem Turnschuh mein eigener Name, der auf dem Film steht und das bin ich den Zuschauern schon aus Respekt schuldig. Wenn ich meinen Namen als Verkaufsargument für einen schlechten Film hergeben würde, könnte ich vielleicht mehr Geld verdienen, aber das ist sicher nicht meine Philosophie.
DH: Was hat Sie daran gereizt, Black Gold zu drehen?
JJA: Der Hauptgrund, weshalb ich mich für den Film begeisterte, war nicht etwa die Möglichkeit, eine Geschichte aus einem Teil der Welt zu erzählen, der weitgehend unbekannt ist. Was mich wirklich interessierte, war der Konflikt zwischen Tradition und Moderne, der in der Geschichte nicht nur einfach zum Ausdruck kommt, sondern vielmehr ihr Herzstück bildet. Das war schon bei meinem Film 7 Jahre in Tibet ein zentrales Motiv und das trifft noch viel mehr auf Black Gold zu. Ich glaube nicht, dass wir uns an derartig abrupte gesellschaftliche Veränderungen, wie sie in Black Gold gezeigt werden, problemlos gewöhnen können. Deshalb interessiert es mich sehr, welche Strategien, die Menschen finden, mit Veränderung umzugehen und sie dennoch Teil ihres Lebens werden zu lassen.
DH: Nicht nur im Film wird ja ein geschichtlicher Umbruch gezeigt. Die Dreharbeiten zu Black Gold fanden zur Zeit des arabischen Frühlings in einer Region statt, die allgemein im Aufbruch ergriffen war. Wie haben Sie die Zeit dort empfunden?
JJA: Als wir am Drehbuch zu Black Gold arbeiteten, hatten wir keine Vorstellung davon, dass schon kurze Zeit später die gesamte Region unter Strom stehen würde. Wir wussten natürlich, dass die politischen Verhältnisse im arabischen Raum vielfach auf keiner nachhaltigen Grundlage standen, aber die Revolution haben wir definitiv nicht in diesem Ausmaß vorausgesehen. Als es dann passierte, erschien es uns aber als die natürlichste Sache der Welt, denn die Anspannung war in den Ländern überall zu spüren. Die Revolution rollte so schnell über uns herein, dass niemand am Set – vom Koch bis zum Kameltreiber – am Anfang realisierte, was da eigentlich geschehen war. Was ich im arabischen Frühling sah, war große Hoffnung, aber auch eben soviel Furcht, denn die Leute wussten ja nicht, was am Ende dieser Revolution stehen würde. Dafür war schließlich noch kein Drehbuch geschrieben und wenn man sich in der Geschichte umschaut, dann sind es am Ende der Revolutionen leider meistens nicht die mutigen Kämpfer der ersten Stunde, welche die Früchte ihres Mutes ernten, sondern ganz andere. Und das weiß man natürlich auch dort.
DH: Eine zentrale Rolle in Black Gold spielt auch der Islam, den Sie weder zur Religion des Friedens verklären noch dämonisieren. War es Ihnen wichtig zu zeigen, dass der Keim für Krieg und Frieden gleichermaßen in jeder Religion steckt?
JJA: Unbedingt. Es ist ja kein Geheimnis, dass alle großen Weltreligionen im Namen ihrer heiligen Schriften Kriege führten. Man denke nur an die blutigen Auseinandersetzungen zwischen Katholiken und Protestanten in Europa des 16. und 17. Jahrhunderts, die letzten Endes nicht viel mehr waren, als Kämpfe um die richtige Auslegung eines Texts. Religion kann immer für politische Zwecke instrumentalisiert werden und das gilt es zu verhindern. Doch dazu bedarf es eines wirklichen Verstehens von Religion, auf das sich viele Menschen gar nicht erst einlassen wollen.
DH: Wie wurde Ihr Film denn in den Drehländern aufgenommen?
JJA: Ich bin sehr froh darüber, dass Black Gold im Mittleren Osten zu einem so großen Erfolg geworden ist. Die Kinobesucher lachen sehr viel bei den Szenen im Film, in denen die Uneindeutigkeit mancher Textstellen des Koran thematisiert wird. In unserer Welt lassen sich viele Dinge eben von zwei Seiten betrachten. Keinesfalls wollten wir uns aber über Religion lustig machen. In Vorbereitung auf den Film haben wir am Drehbuch viel mit Religionswissenschaftlern und Koranlehrern zusammengearbeitet.
DH: Was haben Sie aus der Arbeit an Black Gold persönlich für sich mitgenommen?
JJA: Die Dreharbeiten zu Black Gold haben mir dabei geholfen, eine Region der Welt besser zu verstehen, die nicht nur die Wiege unserer modernen Zivilisation ist. In Tunesien und Katar konnte ich den Islam als eine Religion kennenlernen, die große Überschneidungen mit dem Judentum und dem Christentum zeigt. Alle drei Weltreligionen haben ja auch schließlich dieselben Wurzeln. Im Übrigen können wir als Europäer auch viel von den arabischen Völkern lernen. Ich habe selten eine solche Gastfreundschaft erlebt wie in der Wüste. Dort wissen die Menschen, was wirkliches Teilen bedeutet.
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(ca. 2.12 Min.) Trailer
Black Gold (Or Noir)
Frankreich, Italien, Katar, 130 Min.
Mit: Tahar Rahim (Prince Auda), Mark Strong (Sultan Amar), Antonio Banderas (Emir Nesib), Freida Pinto (Princess Leyla), Riz Ahmed (Ali), Jamal Awar (Companion Khoz Ahmed), Lotfi Dziri (Sheikh of Bani Sirri), Eriq Ebouaney (Hassan Dakhil), Mostafa Gaafar (Khoz Ahmed), Akin Gazi (Saleeh)
Regie: Jean-Jacques Annaud
Drehbuch: Jean-Jacques Annaud & Menno Meyjes
Kinostart: 9. Februar 2012
Foto und Trailer: (c) Universal Pictures
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