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JR spricht man französisch aus „djschi Ar“. Hinter den Initialen steht ein junger Künstler, Fotograf und Filmemacher, der aus einem Pariser Banlieue stammt.
Dass er seinen richtigen Namen nicht preisgibt und mit Hut und Sonnenbrille in der Öffentlichkeit auftaucht, liegt nicht an etwaigen Künstlerallüren, sondern an der Art und Weise seines künstlerischen Verständnisses vom öffentlichen Raum. JRs Aktionen sind nämlich oft illegal, sie werden weder von Behörden genehmigt, noch erhält er Unterstützung. Im Gegenteil, er wurde schon oft verhaftet. Er will seinen Schutz, nicht sofort erkannt werden wenn er reist und er drehte den hier vorgestellten Film auch deshalb selbst, damit er darin nicht bildlich auftaucht. Er bleibt anonym.

Bekannt wurde JR durch seine eindrucksvollen Fotografien von Einwohnern verschiedener Banlieues, die er als großflächige Poster an Hochhäusern und Brücken in Paris und Cartagena anbringen ließ. Sein aktuelles Projekt ist der Film „Women are Heroes“, der bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes als Wettbewerbsbeitrag in der Nachwuchskategorie gezeigt wurde und nun seine Deutschlandpremiere beim Filmfest Hamburg hatte.

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JR reiste mit seinen Leica-Kameras von Kontinent zu Kontinent, nach Afrika in die Shantytowns von Nairobi in Kenia, in die Favelas von Rio de Janeiro, in die Slums von Neu Dehli und in die morbiden Abbruchviertel der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh, um Frauen zu treffen, die eins gemeinsam haben: Sie leben in den Slums dieser Welt, leiden unter Armut, den Folgen von Krieg und Elend und unter den Männern.
„In den männerdominierten Gesellschaften ist es wichtig, die Rolle und die Geschichten der Frauen öffentlich zu machen“, sagt JR auf die Frage warum er das Projekt initiert habe. „Auf den Straßen von Kiberia, einer der ärmsten Vorstädte Nairobis, sieht man nur Männer. Ich habe die Frauen fotografiert und ihre Portraits riesengroß auf die Hauswände oder Dächer fixiert, die Männer damit konfrontiert.“ Er will die Geschichten der Frauen erzählen, überall wo er hinkommt, das hat er ihnen versprochen. Und er hält sein Versprechen!

JR verwandelt die Orte, er gibt ihnen Gesichter und Augenpaare. Letztgenannte ließ er auch auf Züge und Busse anbringen, die nicht nur Menschen von A nach B transportieren, sondern wie beobachtende Wesen auf die Welt schauen. Sie sind das Symbol für sein Versprechen, sie sind die mobilen Boten der Geschichten, in dem sie Fragen bei jenen produzieren, die den Zug und die Wagons sehen.
Und er betont am Ende seines Films, dass keine Sponsorenmittel im Projekt stecken. Er verkauft seine Fotowerke in Galerien und refinanziert somit seine Arbeit. Wichtig sind ihm die Menschen in den Slums und ihre Identität. Das ist es was ihn interessiert und dies ist sein zentraler Begriff bei der künstlerischen Arbeit – von Anbeginn an.

Neben den starken Filmbildern lebt der Film auch von der einfühlsam und sensibel gesetzten Musik von Patrice, Massive Attack und Jean-Gabriel Becker. „Ich glaube die Musiker wollen in Zukunft nicht mehr mit mir arbeiten“, meint er scherzhaft, „weil ich sie ständig herausgefordert habe, musikalisch noch dichter und präziser an meiner Bildsprache zu bleiben. Aber sie haben schnell begriffen wie wichtig mir die Musik in meiner Arbeit ist“, sagt er zu Schluss unseres Gesprächs.


„Women Are Heroes“, Regie: JR, Frankreich 2010, läuft am 8.10. um 17:00 Uhr im CinemaxX 3
Header-Foto: Martin Kunze, Filmfest Hamburg
Fotos: © JR - credits : BasilicStudio // aKkY
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